Kommentar

Explosion der Verwaltungskosten

Manchmal kann man sich nur wundern. Die Gesundheitspolitik hat im letzten Jahr Pirouetten gedreht. Am Ende scheint ihr dabei schwindelig geworden zu sein; sie hat die Orientierung verloren. Einige Strategen aus dem Krankenkassenlager werden es mit Wohlgefallen sehen. Ihre jahrelange, mit bewundernswerter Hartnäckigkeit betriebene Vorarbeit hat die erwarteten Früchte getragen.

Die Ministerin hat mit ihrem Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AABG) deutlich gemacht, wie sehr sie auf die Ablenkungsmanöver der Kassen hereingefallen ist. Die Steigerungsraten bei den Arzneimittelausgaben in diesem Jahr taugen allenfalls als Vorwand. Dass damit nur ein Teil des Drucks aus dem Kessel gelassen wurde, der sich durch Budgetierung und Rationierung vorher über Jahre aufgebaut hatte - das kann damit nicht kaschiert werden.

Bei einer mittel- und längerfristigen Betrachtung liefern die Steigerungsraten bei den GKV-Arzneimittelausgaben jedenfalls keinen Anlass zur Kritik - selbst wenn man die gestiegene Selbstbeteiligung einbezöge. In den Jahren zwischen 1980 und 1990 (alte Bundesrepublik) sind die Ausgaben für Arzneimittel nur leicht stärker als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und die GKV-Gesamtausgaben gestiegen, in den Jahren 1991 bis 2000 (Gesamtdeutschland) war die Steigerung geringer als die Steigerung bei BIP und Gesamtausgaben. Der Wertschöpfungsanteil der Apotheken (grob: Differenz zwischen Einkauf und Verkauf, aus der alle Kosten und Erträge finanziert werden) ist in beiden Perioden sogar sehr deutlich geringer als BIP und GKV-Gesamtausgaben gestiegen.

Geradezu skandalös mutet dagegen an, wie sich in beiden Perioden die Verwaltungsausgaben entwickelt haben: + 91 % zwischen 1980 und 1990 und noch einmal + 52 % zwischen 1991 und 2000. Hier kann man, anders als bei den Leistungsausgaben, wirklich von einer Kostenexplosion sprechen. Sie ist nicht zu rechtfertigen - besonders angesichts der Rationalisierungsmöglichkeiten, die dort bestanden, aber nicht genutzt wurden.

Das dort unnütz ausgegebene Geld fehlte - und fehlt noch immer Jahr für Jahr - für die Versorgung der Patienten. Man stelle sich einmal vor, wenn zwischen 1980 und 2000 die Verwaltungsausgaben ebenso mäßig gewachsen wären wie das, was allen Apotheken für alle ihre Leistungen im Rahmen der Arzneimittelversorgung von GKV-Versicherten von den Krankenkassen vergütet wurde. Dann - lägen die Verwaltungsausgaben heute nicht - wie tatsächlich - bei über 14 Mrd. DM; sie betrügen rund 8 Mrd. DM pro Jahr; - den Versicherten stünden also mehr als 6 Mrd. DM pro Jahr zusätzlich für Leistungen zur Verfügung. 1980 lagen die Verwaltungsausgaben mit 3,6 Mrd. DM noch etwa auf dem gleichen Niveau wie die Wertschöpfung der Apotheken (3,5 Mrd. DM). Im Jahr 2000 gab es dann GKV-Verwaltungsausgaben von über 14,1 Mrd. DM, die Wertschöpfung der Apotheken aus der Versorgung der GKV-Patienten belief sich auf etwa 7,5 Mrd. DM.

Die Gesundheitsministerin ist aufgefordert, der Explosion der Verwaltungsausgaben endlich einen Riegel vorzuschieben. Die Rationalisierungspotenziale, die gerade im Verwaltungssektor bestehen, müssen endlich genutzt werden. Die Zahlen zeigen: dringender, notwendiger und auch weit effektiver als jedes Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AABG) wäre endlich ein "VKBG" - ein Verwaltungskosten-Begrenzungsgesetz. Wann endlich handelt die Ministerin?

Klaus G. Brauer

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.