- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 48/2001
- Studie zum ...
DAZ aktuell
Studie zum Patientenverhalten: Zwei Drittel der Patienten gehen direkt zum Fac
In der öffentlichen Diskussion um die Reform des Gesundheitswesens geht es immer wieder um die Frage eines hausarztzentrierten Primärarztmodells, d. h., der Patient soll zuerst seinen Hausarzt aufsuchen, der ihn dann an den Facharzt überweist (Lotsenfunktion oder Gate-Keeper-Funktion des Hausarztes). Die GFB hat vor diesem Hintergrund eine große Studie initiiert, um herauszufinden, ob die Patienten dies überhaupt wollen, wie sie sich tatsächlich verhalten.
Nur 21 % kamen mit einem Überweisungsschein
326 215 Patienten, die vom 12. bis 30. März 2001 erstmals im Quartal in der Facharztpraxis von 1205 Ärzten erschienen, haben auf die Frage geantwortet, ob sie von sich aus zum Facharzt oder über den Hausarzt gekommen sind. Das heißt, es wurde nicht gefragt, wie sich ein gesunder Versicherter entscheiden würde, sondern Betroffene wurden nach ihrer Entscheidung beim Aufsuchen des Facharztes befragt. Unabhängig von der Frage, ob ein Überweisungsschein vorhanden war oder nicht, wurden die Patienten gefragt, ob sie wegen der aktuellen Symptome bereits vorher Kontakt zu ihrem Hausarzt hatten.
Fast 72 % der Patienten suchten direkt den Facharzt auf (67,7 % hatten wegen der aktuellen Beschwerden vorher auch nicht den Hausarzt aufgesucht). 21 % kamen mit einer Überweisung des Hausarztes. Weitere 3 % wurden vom Hausarzt geschickt, aber ohne Überweisung, 4 % kamen mit Überweisung vom Facharzt. Personen zwischen 31 und 40 Jahren gingen am häufigsten direkt zum Facharzt, je älter die Patienten, desto häufiger gingen sie zuvor zum Hausarzt. Frauen gingen häufiger ohne Überweisung zum Facharzt. 20 % derjenigen, die vorher beim Hausarzt waren, aber keine Überweisung erhielten, gingen trotzdem zum Facharzt.
Es gibt erwartungsgemäß erhebliche Unterschiede zwischen den Fachgruppen. Gynäkologische Patientinnen kamen fast immer ohne Überweisungsschein (übrigens wird der Gynäkologe von vielen Frauen auch als Hausarzt angesehen). Schwerpunktinternisten wurden nur von 30 % der Patienten direkt aufgesucht. Auffällig war die relativ hohe Zahl der Besuche bei Nervenärzten, die der Hausarzt anrät, ohne eine Überweisung mitzugeben. Eine nicht unerhebliche Zahl von Patienten holte sich eine Überweisung ohne direkten Kontakt zum Hausarzt, also an der Anmeldung.
Aussagekraft der Überweisungsscheine
Ca. 16 % der Patienten mit Überweisungsschein hatten einen leeren Überweisungsschein, gut 83 % enthielten eine Verdachtsdiagnose, die zu fast der Hälfte richtig, bei weiteren 41 % sinnvoll war. Ca. 7 % der Überweisungsscheine enthielten falsche Verdachtsdiagnosen, knappe 5 % unsinnige Angaben. Platz für ausführliche Mitteilungen ist auf dem Überweisungsschein nicht vorhanden.
Fazit
Die Notwendigkeit der hausärztlichen Versorgung wird mit der vorliegenden Studie überhaupt nicht infragegestellt, für die Betreuung der großen Volkskrankheiten sind sie unverzichtbar, natürlich auch für die gegebenenfalls notwendige Weiterleitung an Fachärzte. Es gibt aber eine Diskrepanz zwischen den aktuellen politischen Forderungen und dem tatsächlichen Patientenverhalten. Die so genannte Lotsenfunktion wird von den Hausärzten derzeit nicht wahrgenommen bzw. von den Patienten gar nicht gefordert und möglicherweise durch geringere Kassenbeiträge auch nicht gefördert - die Angst um die eigene Gesundheit gibt eher den Ausschlag. Und wie so oft bei wissenschaftlichen Studien führt die Beantwortung zu neuen Fragen, die in künftigen Studien, hoffentlich gemeinsam mit den Hausärzten, geklärt werden können.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.