Kommentar

Arzneimittelversandhandel: Pharma-Großhandel hält an Versandhandelsverbot fest

Berlin (ks). Der Bundesverband des Pharmazeutischen Großhandels Phagro hat sich erneut gegen die Einführung eines Versandhandels für Arzneimittel ausgesprochen. Zur Vorbereitung des nächsten Treffens am "Runden Tisch" fand am 1. März eine Sitzung des Arbeitskreises Arzneimittel statt, das sich allein dem Thema Versandhandel widmete.

Apotheken als Kontrollinstanz

Der Phagro legte bei dieser Sitzung ein Thesenpapier vor, das die juristischen und ökonomischen Bedenken der pharmazeutischen Großhändler gegen den Arzneimittelversand zusammenfasst. In diesem Papier spricht sich der Verband für eine Nutzung des Internet als Plattform zur Information und Beratung in Arzneimittelfragen aus. Auch gegen die elektronische Vorbestellung von Medikamenten, die sodann in der Apotheke abgeholt werden können, hat der Phagro keine Einwände. Apotheken seien jedoch als letzte Kontrollinstanz vor der Aushändigung des Arzneimittels und als wohnortnahe Anlaufstelle für die individuelle Beratung unverzichtbar und könnten nicht durch das Internet ersetzt werden. Um eine sichere Arzneimittelversorgung zum Schutze der Verbraucher zu gewährleisten, müsse das Versandhandelsverbot bestehen bleiben.

Versandhandelsverbot verstößt nicht gegen EU-Recht

Das Versandhandelsverbot widerspricht nach Auffassung des Verbandes auch nicht gegen europäisches Recht: Das Gemeinschaftsrecht überlasse die Abgrenzung der Apothekenpflicht, die Regelung der Kontroll- und Beratungspflichten der Apotheken und die Festlegung der übrigen Anforderungen an den Apothekenbetrieb dem nationalen Gesetzgeber. Auch die Fernabsatzrichtlinie und die E-Commerce-Richtlinie ließen es im Interesse der Allgemeinheit zu, den Versandhandel mit Arzneimitteln auf nationaler Ebene zu verbieten. Diese Rechtslage rechtfertige es nicht, das deutsche Arzneimitteldistributionssystem über Bord zu werfen, heißt es im Thesenpapier. In jedem Fall müsse vor einem so einschneidenden Schritt wie der Zulassung des Versands die Entscheidung des laufenden Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof abgewartet werden. Auch eine regional oder national begrenzte Freigabe sei unter europarechtlichen Aspekten ausgeschlossen.

Sobald der Arzneimittelversand national erlaubt ist, dürfe es aufgrund des Diskriminierungsverbotes auch anderen EU-Staaten nicht verwehrt sein, in Deutschland Versandhandel zu betreiben. Bei Lieferungen aus dem EU-Ausland gelte dann jedoch im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit und den Verbraucherschutz das Recht des Herkunftslandes. Da eine gemeinschaftsweite Harmonisierung des Apotheken- und Sozialrechts nicht gegeben ist, würde dies laut Phagro zu einem "race to the bottom" hinsichtlich der Qualitätsstandards beim Arzneimittelvertrieb führen. Der grenzüberschreitende Versandhandel widerspricht nach Auffassung des Verbandes zudem dem strengen deutschen Zulassungssystem. Es bestehe die Gefahr, dass Patienten mit Arzneimitteln ohne deutsche Zulassung, Beschriftung und Beipackzettel versorgt werden, ohne dass eine Berufung auf die deutsche Gefährdungshaftung möglich sei. Auch die Arzneimittelüberwachung werde durch den Versand erheblich erschwert.

Gefahr für die Mischkalkulation

Der Arzneimittelversand sei darüber hinaus eine Gefahr für die Mischkalkulation des Großhandels und der Apotheken. Das vorrätig gehaltene Vollsortiment sei nur dann rentabel, wenn neben niedrigpreisigen Medikamenten auch hochpreisige abgegeben werden können. Wenn sich der Versand jedoch auf umsatzstarke Produkte konzentriere, brächen diese aus dem Großhandel und den Apotheken heraus und zerstörten somit die Mischkalkulation.

Zudem scheiden einige Arzneimittel von vornherein für den Versand aus, etwa solche die akut benötigt werden, diebstahlsgefährdet oder kühlkettenpflichtig sind. Diese Präparate müssten also weiterhin über den Großhandel und Apotheken vertrieben werden. Eine Trennung der Sortimente nach versandfähigen und nicht-versandfähigen Medikamenten würde eine völlig neue Preiskalkulation nötig machen, die letztlich für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) kostspieliger sein werde als bei der heutigen Arzneimitteldistribution: Um eine Versorgung mit nicht-versandfähigen Arzneimitteln garantieren zu können, müssten die Handelszuschläge angehoben werden. Bei Fortgeltung der Arzneimittelpreisverordnung wäre es weiterhin wirtschaftlich nicht mehr möglich, eine Vielzahl preiswerter Generika vorrätig zu halten. Werde der Generikawettbewerb auf diese Weise eingeschränkt, führe auch dies zu höheren Arzneimittelausgaben bei der GKV.

Letztlich zerstöre der Versandhandel auch die wohnortnahe Arzneimittelversorgung. Die zu erwartenden Umsatzeinbußen bei Großhandel und Apotheken würden zu Schließungen führen, wenn keine Kompensation geboten wird. Die Versicherten müssten in der Folge mehr Zeit und Kosten für ihre Arzneimittelversorgung aufwenden.

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