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Gesundheitsreform: Regierung will Apothekenketten ohne Beschränkungen
"Verkrustete Strukturen aufbrechen"
Ministerin Ulla Schmidt bestätigte, dass für die erste Lesung des GMG am 18. Juni eine Sondersitzung im Bundestag geplant ist. Bis dahin können sich SPD und Grüne auf Sonderparteitagen nochmals mit dem überarbeiteten Reformplan beschäftigen und auf einen gemeinsamen Fraktionsentwurf einigen. Dann soll es rasch weitergehen: Zwischen dem 23. Juni und dem 4. Juli sind "konzentrierte Beratungen und Anhörungen" geplant. Anfang Juli soll es zur zweiten und dritten Lesung im Parlament kommen. Am 11. Juli findet sich der Bundesrat zur letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause zusammen.
Schmidt ist von ihrer Formulierungshilfe überzeugt: Der Entwurf mache sich daran, verkrustete Verhältnisse und Strukturen zu überwinden und das Gesundheitssystem in einigen Punkten vom 19. ins 21. Jahrhundert zu bringen. Ihr Motto lautet: "Gesundheit geht vor".
Patienten stehen laut Schmidt im Mittelpunkt
Die Ministerin betonte, ihr sei besonders wichtig, dass auch künftig alle Versicherten die notwendige medizinische Versorgung erhalten und das System bezahlbar bleibe. Die Patienten stünden daher im Mittelpunkt ihrer Reform. Zudem müsse das Gesundheitswesen durchsichtiger werden: jeder, der einzahlt müsse wissen, wie man das System vernünftig und preisgünstig nutzt und wie man sich erforderlichenfalls erfolgreich zur Wehr setzen kann.
Neues im Arzneimittelbereich
Apotheker müssen sich auf gewaltige Neuerungen gefasst machen: Zu den bereits bekannten Planungen – insbesondere die Zulassung des Versandhandels, auf Einzelverträgen basierende Arzneimittelpreise, Festbeträge für patentgeschützte Analoga – kommt nun die Kettenapotheke auf sie zu. Bislang war angedacht, Ketten von höchstens fünf Apotheken zuzulassen. Eine Aufhebung des Fremdbesitzverbots war nicht ausdrücklich geplant. Doch einigen Bundestagsabgeordneten von SPD und Grünen ging diese Regelung nicht weit genug – dies sei "kein richtiger Wettbewerb" hieß es.
Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Vize Joschka Fischer vertreten diese Meinung. Und so kam das Modell des eingeschränkten Mehrbesitzes zu Fall. Der neue GMG-Entwurf sieht keine zahlenmäßige Beschränkung mehr vor.
Was die reguläre Preisbildung bei Arzneimitteln betrifft, griff die Regierung das Kombimodell der ABDA auf: Diese hatte vorgeschlagen, für verschreibungspflichtige Arzneimittel einen Festzuschlag von 8,55 Euro je Packung zuzüglich eines preisabhängigen Zuschlags von drei Prozent des Großhandelshöchstabgabepreises zu erheben. Schmidt plant nun, die Handelszuschläge auf einen Festzuschlag von 7,30 je Packung in Verbindung mit einem preisbezogenen Zuschlag von drei Prozent umzustellen.
Zuzahlungen und Praxisgebühren
Keine Neuerungen gegenüber dem letzten Entwurf sind etwa im Hin-blick auf die neuen Zuzahlungen und Befreiungsmöglichkeiten vorgesehen: Für Arzneimittel ist künftig eine Zuzahlung von 4, 6 bzw. 8 Euro pro Packung vorgesehen. Die Hälfte zahlen chronisch Erkrankte sowie Teilnehmer an Disease-Management-Programmen, Hausarztsystemen oder integrierten Versorgungsformen. In Härtefällen reduziert sich die Zuzahlung auf einen Euro. Auch die Praxisgebühr von 15 Euro für Facharztbesuche, denen kein Hausarztbesuch vorausging, bleiben bestehen. Ausnahmen gelten bei Frauen-, Kinder- und Augenärzten sowie bei Psychotherapeuten und in Notfällen.
Beitragssatz von 13 Prozent noch nicht greifbar
An ihrem Ziel, die Beitragssätze auf 13 Prozent zu senken hält Schmidt weiterhin fest – auch wenn immer mehr Kassenvertreter dessen Erreichbarkeit bezweifeln. "Wer sich nichts zutraut, bewegt auch nichts" sagte die Ministerin an die Adresse der Skeptiker gerichtet. Darauf, in welchem Zeitrahmen die erhoffte Beitragssenkung erfolgen kann, möchte sie sich allerdings nicht festlegen. Es zeichne sich ab, dass die GKV im ersten Quartal dieses Jahres wiederum massive Einnahmeverluste hinnehmen müsse, räumte sie ein. Genaue Zahlen liegen allerdings noch nicht vor.
"Gott sei Dank haben wir das Beitragssatzsicherungsgesetz gemacht", erklärte Schmidt – sonst sähe die Finanzlage der gesetzlichen Kassen noch düsterer aus. Auch wird die Entlastung für die Arbeitnehmer später spürbar werden als für die Arbeitgeber. Durch die Aufhebung der Parität beim Krankengeld müssen sich Arbeitnehmer zunächst mit einen gewissen Beitragsanstieg abfinden. "Es ist alles ein Prozess", betonte Schmidt. Entlastet würden letztlich beide Seiten – doch Priorität hat zunächst der Faktor Arbeit.
Schmidt signalisiert Opposition Gesprächsbereitschaft
Schmidt appellierte an die Union, schon auf der Ebene des Bundestags zu Verhandlungen über die Reform zu kommen. Ein solches Gesetz sei nicht geeignet, im Vermittlungsausschuss verhandelt zu werden, so die Ministerin. Besser wäre es, ein "Lahnstein II" zu erreichen – dabei sei die Opposition gut beraten "über den eigenen Schatten zu springen".
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