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GEK-Arzneimittelreport 2003: Schelte für Ärzte und Pharmaindustrie
Schmidt begrüßte die neue Studie ausdrücklich. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung kam gerade recht: Vermeldete das Bundesgesundheitsministerium doch einen Tag zuvor, dass die Defizite der GKV im ersten Quartal wiederum gewachsen sind – und mit ihnen die Ausgaben für Arzneimittel. Der GEK-Arzneimittel-Report unterstütze die Ziele der Bundesregierung, die Arzneimittelversorgung "entscheidend zu verbessern", erklärte die Ministerin. Denn im Wesentlichen gebe es keine medizinischen Gründe für die ansteigenden Arzneimittelausgaben in der GKV. "Grund ist vielmehr, dass zu oft Arzneimittel verordnet werden, deren hoher Preis nicht durch einen entsprechenden Nutzen gerechtfertigt ist und von kostengünstigen Alternativen zu wenig Gebrauch gemacht wird", so Schmidt.
Abhilfe sollen bald die Positivliste und die Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln durch das Zentrum für Qualität in der Medizin schaffen. Die Positivliste werde Ärzten ein Instrument an die Hand geben, qualitätsgesichert Arzneimittel zu verschreiben. Zudem helfe sie, einen Überblick über das unübersehbare Angebot von rund 40.000 Medikamenten auf dem Markt zu verschaffen, so die Ministerin. Dass sie sich auch von der Kosten-Nutzen-Bewertung viel verspricht, ist bekannt: Wäre die "Vierte Hürde" bereits im Jahr 2002 eingeführt worden, so hätten die gesetzlichen Kassen dem Wissenschaftliche Institut der AOK (WidO) zufolge bereits 1,48 Mrd. Euro einsparen können.
Hebel: Klagen der Apotheker nicht ernst zu nehmen
Hebel präsentierte die für seine 1,3 Mio. Mitglieder starke Kasse wesentlichen Ergebnisse der Studie: 67 Millionen Euro habe die GEK im vergangen Jahr für so genannte Scheininnovationen ausgegeben – Geld, das an anderer Stelle fehle. Auch in diesem Jahr zeichne sich ab, dass der Trend zu steigenden Arzneimittelausgaben anhalte, so Hebel. Die Analyse der GEK-Daten für die ersten vier Monate des laufenden Jahres zeigten, dass das zu Beginn des Jahres eingeführte Beitragssatzsicherungsgesetz zwar greife, "aber durch die nach wie vor unkontrollierte Verschreibungspraxis vieler niedergelassener Ärzte untergraben wird". Die Brutto-Ausgaben der GEK für Medikamente seien von Januar bis April dieses Jahres zwischen 4,6 Prozent (Januar) und 16 Prozent (März) gestiegen. Zieht man Rabatte und Zuzahlungen ab, verändere sich dieses Bild nur unwesentlich, so der GEK-Chef. Danach sanken die Ausgaben im Januar zwar um 1,6 Prozent – doch dann ging es wieder bergauf: um 2,3 Prozent im Februar, um 7,2 Prozent im März und um 3 Prozent im April. Angesichts dieser Zahlen könne man die Klagen der Apotheker, Großhändler und der Pharmaindustrie auf hohem Niveau über Gewinneinbrüche "nicht besonders ernst nehmen", so Hebel.
Sparen mit Generika und bewährten Arzneimitteln
Glaeske erläuterte anhand von Beispielen, wo es in der Arzneimittelversorgung an Qualität und Effizienz hapere. So gehörten etwa Präparate gegen Bluthochdruck, Magen-Darm-Mittel und Arzneimittel zur Diabetes-Behandlung zu den zehn Indikationsgruppen mit den größten Steigerungsraten. Diese zehn Gruppen machten bei der GEK allein 54 Prozent der Arzneimittelausgaben aus. Doch eine evidenzbasierte Therapie sei damit nicht versprochen. Bei Verordnungen des Beta-Blockers Metoprolol verschrieben Ärzte nahezu in der Hälfte der Fälle kein Generikum, sondern zweifelhafte Innovationen, so Glaeske.
Im Bereich der Protonenpumpenhemmer könnten 1,4 Mio. Euro gespart werden – würden konsequent Omeprazol-Generika angewendet. Stetig stiegen zudem die Kosten für Analog-Insuline, ohne dass bislang eine Studie vorliege, die den besonderen Nutzen dieser Kunst-Insuline gegenüber den Human-Insulinen belege.
Glaeske: OTCs raus aus dem GKV-Leistungskatalog
Glaeske warf den Ärzten, die über zu geringe Arzneimittelbudgets klagen, zudem vor, noch immer zu viele unnötige Medikamente zu verordnen. Fast 6 Prozent der GEK-Arzneimittelausgaben entfielen auf Arzneimittel, die therapeutisch nicht erforderlich seien. Die meisten dieser Präparate seien nicht verschreibungspflichtig und es gebe für sie auch keinen teuren Ersatz. Daher sprach sich der Bremer Pharmakologe auch für den Plan der Ministerin aus, rezeptfreie Arzneimittel künftig aus der GKV-Erstattungspflicht herauszunehmen. Damit würde ein "beruhigendes Umsatzpolster für die Industrie" schwinden – die Versicherten hätten jedoch angesichts der vorgesehenen Ausnahmen für Kinder und bei therapeutisch notwendigen Fällen (z.B. ASS bei Gefäßverschluss) nichts zu befürchten.
Für eine Industrie-unabhängige Beratung der Ärzte
Den Vorwurf, die GKV sei innovationsfeindlich, will Glaeske nicht gelten lassen: Immerhin 26 Prozent der Arzneimittelausgaben entfielen schon heute auf therapeutisch wichtige neue Mittel. Der finanzielle Spielraum – auch zugunsten bestehender Unterversorgung – könne deutlich erhöht werden, wenn sich Ärzte nicht mehr den Marketingphrasen der Pharmaindustrie erliegen würden. Für Glaeske wäre vor allem eines wünschenswert: Dass sich Ärzte von der pharmazeutischen Industrie unabhängig beraten lassen, bevor sie zum Rezeptblock greifen. Dazu könne auch das geplante Zentrum für Qualität in der Medizin einen wichtigen Beitrag leisten, so der Arzneimittelexperte. Die Ärzte müssten erkennen: "Das Angebot allein erzwingt noch nicht die Anwendung eines Arzneimittels".
Der GEK-Arzneimittelreport 2003 ist im Internet unter www.gek.de abrufbar.
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