Arzneimittel und Therapie

Onkologie: Supportivmaßnahmen verbessern Therapieerfolg und Lebensqualität

Die Supportivtherapie hat sich in den letzten fünf bis zehn Jahren zu einer wichtigen Stütze der Onkologie entwickelt. Dank supportiver Maßnahmen können heute kurative Therapien durchgeführt werden, die noch vor einigen Jahren aufgrund schwerer Nebenwirkungen inakzeptabel waren. Aber auch auf dem Feld der palliativen Betreuung ist die Supportivtherapie unersetzbar.

Unter "Supportive Care in Cancer" versteht man alle symptomlindernden Schritte vor, während und nach einer Tumortherapie. Sie sind symptom- und tumororientiert ausgerichtet und umfassen neben medizinischen Maßnahmen auch die Pflege, Nachsorge und psycho-onkologische Betreuung des Patienten.

Ein Meilenstein in der Supportivtherapie war die Einführung von 5-HT3-Antagonisten, die auch hoch-emetogene Chemotherapien ermöglichen. Weitere wichtige Entwicklungen sind hämatopoetische Wachstumsfaktoren, Protektiva, die unerwünschte Wirkungen einer Therapie abschwächen können, und Bisphosphonate, die die Bildung von Metastasen hinauszögern oder verhindern können.

Schmerzspitzen effektiv bekämpfen

Auch bei einem gut eingestellten Schmerzpatienten können Durchbruchschmerzen auftreten; man schätzt, dass über 60% der Tumorschmerzpatienten unter diesen Schmerzattacken leiden. Die Schmerzspitzen treten sehr schnell und unvorhersehbar auf, sind von hoher Intensität und relativ kurzer Dauer (ca. 30 Minuten bis zwei Stunden). Sie können mit bestimmten Bewegungen oder Aktionen (Husten, Niesen etc.) assoziiert sein, aber auch ohne erkennbare Ursache auftreten.

Zur Therapie kann ein nicht retardiertes Morphinpräparat in einer Menge von 15 – 20% der täglichen Morphindosis als Bedarfsmedikation gegeben werden; ferner kommen Nicht-Opioidanalgetika und Tranquillanzien zum Einsatz. Doch auch nicht retardiertes Morphin braucht eine gewisse, für den Patienten sehr belastende Zeit, bis seine Wirkung einsetzt.

Seit gut einem Jahr steht eine oral-transmukosale Fentanyl-Formulierung (Actiq®Stick, Cephalon) zur Verfügung, mit der innerhalb von fünf Minuten die Schmerzspitzen abgefangen werden. Bei diesem Stick ist Fentanyl in eine Matrix eingebettet, die an einem Kunststoffapplikator angebracht ist. Durch Reiben dieses Sticks an der Mundschleimhaut löst sich die Matrix auf, und Fentanyl gelangt sehr rasch unter Umgehung des First-pass-Effekts an den Wirkort.

Dank Stärken von 200 bis 1600 µg Fentanyl kann für jeden Patienten eine individuelle Dosistitration erfolgen. Wie bei jedem Opioid können die morphintypischen Nebenwirkungen auftreten, wobei die Atemdepression wenig ausgeprägt ist.

Nierenprotektion bei Tumorlyse

Einige Tumoren mit einem hohen Zellumsatz können spontan oder nach einer Chemotherapie schlagartig zerfallen. Die dabei freigesetzten Nukleinsäuren werden im Organismus als Harnsäure ausgeschieden. Treten nun sehr hohe Harnsäuremengen auf, kann dies die Niere nicht mehr eliminieren und verstopft aufgrund abgelagerter Harnsäurekristalle.

In der Folge steigen Harnsäure-, Phosphat- und Kaliumspiegel an, und es kommt zu Übelkeit, Muskelschwäche, Parästhesien, kardialen Arrhythmien bis hin zum Herzstillstand. Die Hyperurikämie kann zu einem tödlichen Nierenversagen führen. Dieses Krankheitsbild wird als Tumorlysesyndrom bezeichnet. Es tritt vor allem in der Pädiatrie bei Leukämien und Lymphomen sowie bei onkologischen Erkrankungen mit einer hohen Tumormasse und einem guten Ansprechen auf die Chemotherapie auf.

Allgemeine Maßnahmen zur Senkung des Harnsäurespiegels (Gabe von Allopurinol, Hydrierung und Alkalisieren des Harns) greifen erst nach 12 bis 24 Stunden. Mithilfe einer gentechnologisch hergestellten Uratoxidase (Rasburicase; Fasturtec® von Sanofi) wird die Harnsäure innerhalb weniger Stunden zu Allantoin abbaut. Allantoin ist gut wasserlöslich und wird problemlos über den Harn ausgeschieden. Zur Therapie des Tumorlysesyndroms wird die Uratoxidase über mehrere Tage hinweg einmal täglich als Kurzinfusion verabreicht.

Management des Fatigue-Syndroms

Eine Begleiterscheinung vieler Tumorerkrankungen ist das Fatigue-Syndrom. Darunter versteht man eine Tagesmüdigkeit und/oder einen Erschöpfungszustand, der über mindestens sechs Monate andauert und auch bei ausreichender Nachtruhe und gesundem Lebenswandel nicht verschwindet. Die Ursachen der Fatigue sind nicht immer bekannt.

In vielen Fällen geht die Fatigue mit einer Anämie einher, die krankheits- oder therapiebedingt sein kann. Bei Vorliegen einer Blutarmut ist der Einsatz hämatopoetischer Wachstumsfaktoren (Erythropoietin, z. B. Epoetin beta in NeoRecormon®, Roche) sinnvoll. Erythopoietin führt nicht nur zu einem Anstieg des Hämoglobinwertes, sondern verbessert auch die Lebensqualität des Patienten.

Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Anämie auch einen Einfluss auf die Prognose verschiedener solider und hämatologischer Krebserkrankungen hat. So konnte in einer aktuellen Studie gezeigt werden, dass bei Patientinnen mit strahlen- und chemotherapiertem Zervixkarzinom die prophylaktische Gabe von Erythropoietin im Vergleich zu Erythrozytenkonzentraten eine Verringerung der Rezidivrate bewirkt.

Beim Management des Fatigue-Syndroms spielen neben der medikamentösen Behandlung oder Prophylaxe der Anämie auch psychoonkologische Maßnahmen eine wichtige Rolle. Zu nennen sind hier unter anderem eine Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung, ein individuelles Sportprogramm sowie körperliches Training.

Prävention von Knochenmetastasen

Bisphosphonate haben in der Onkologie einen festen Platz bei der Therapie der Tumorhyperkalzämie und Tumorosteolyse, bei Knochenschmerzen, zur Vorbeugung pathologischer Frakturen sowie zur Verbesserung der Lebensqualität. Neuere Studien zeigen, dass Bisphosphonate auch die Bildung von Knochenmetastasen verhindern können.

Die Entstehung von Knochenmetastasen hängt mit der tumorinduzierten osteoklastären Knochenresorption zusammen, die durch Bisphosphonate gehemmt werden kann. Ferner unterdrücken Bisphosphonate im Stadium der Mikrometastasierung die Tumorzelladhäsion an der Knochenmatrix. Durch die Hemmung der Osteolyse wird auch die Freisetzung von Wachstumsfaktoren aus der Knochenmatrix unterbunden. Dies ist von Bedeutung, da diese Wachstumsfaktoren auch das Wachstum von Tumorzellen fördern.

In einer im vergangenen Jahr publizierten Studie mit mehr als 1000 Brustkrebs-Patientinnen (Powles-Studie) konnte gezeigt werden, dass adjuvant verabreichtes Clodronat (Bonefos®, Medac) die Inzidenz von Knochenmetastasen signifikant senkt. Neben der geringeren Häufigkeit von Knochenmetastasen konnte durch die tägliche Einnahme von 1600 mg Clodronat auch die Mortalität signifikant reduziert werden. In weiteren Untersuchungen sollen nun die optimale Therapiedauer sowie das Screening potenzieller Hochrisiko-Gruppen erfasst werden.

Quelle

Nach Vorträgen von Prof. Dr. Petra Feyer, Berlin; Prof. Dr. Richard Gralla, New York; Dr. Jalid Sehouli, Berlin; Dr. Andreas Jakob, Offenburg; Dr. Peter Hügler, Bottrop; und Dr. Eugene McCloskey, Sheffield: Pressekonferenz und Fachpresse-Workshop "Supportivtherapie in der Onkologie", 19. Juni 2003, Berlin, anlässlich des 15. Internationalen Symposiums der Multinational Association of Supportive Care in Cancer (MASCC).

Supportive Care – neue Entwicklungen
  • Antiemese (5-HT3-Antagonisten, Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonisten)
  • Hämatopoetische Wachstumsfaktoren
  • Protektion toxischer Effekte einer Tumortherapie (Amifostin, Gabapentin, Dexrazozane)
  • Bisphosphonate

Supportivmaßnahmen

  • kurativer Ansatz – verbesserte Toleranz der Therapie – Dosiseskalation – Verbesserung der Lebensqualität
  • palliativer Ansatz – Linderung krankheitsbedingter Symptome – Verbesserung der Lebensqualität

MASCC

Die seit 1990 bestehende MASCC (Multinational Association of Supportive Care in Cancer) ist eine internationale, multidisziplinäre Organisation, die sich mit allen Aspekten der Supportivtherapie bei Krebserkrankungen beschäftigt. Die Mitglieder gehören verschiedenen Fachdisziplinen an (Onkologie, Pharmazie, Gynäkologie, Strahlentherapie, Chirurgie, Psychologie, Zahnheilkunde, Pflege, Sozialarbeit, Ernährungswissenschaft) und arbeiten in unterschiedlichen Studiengruppen mit dem Ziel, das Fachwissen und die Weiterbildung auf dem Gebiet der onkologischen Supportivtherapie zu verbessern.

Primäre Zielsetzung ist dabei eine Verbesserung der Lebensqualität vor, während und nach der onkologischen Therapie. Bei der diesjährigen Tagung in Berlin war auch erstmals ein eigenes Forum für onkologisch tätige Pharmazeuten vorgesehen.

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