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Schänzer: Pharmaindustrie soll Anti-Doping-Agentur finanziell unterstützen
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Herr Professor Schänzer, Sie haben verschiedentlich verlauten lassen, dass Ihnen die USA, was die Einnahme unerlaubter Mittel im Sport anbelangt, ein besonderer Dorn im Auge ist. Sehen Sie Ihre schlimmsten Befürchtungen nach dem jüngsten Eklat nun bestätigt oder sind Sie doch überrascht?
Schänzer:
Die vor etwa zwei bis drei Jahren neu gegründete Anti-Doping Agentur der USA (USADA) scheint nun effektiv zu arbeiten und stellt unter Beweis, dass der Kampf gegen Doping in den USA eine neue Dimension eingenommen hat. Die Ergebnisse bestätigen mich insoweit, dass nur eine unabhängige Agentur in der Lage ist, Dopingmissbrauch zu bekämpfen.
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Was ist an diesem Doping-Fall so spektakulär? Mit anabolen Steroiden ist doch bereits seit Langem gedopt worden.
Schänzer:
Spektakulär an dem Fall ist, dass ein Unternehmen bzw. Experten mit chemischen Grundkenntnissen zur Steroidsynthese ein bereits verbotenes anaboles Steroid, Gestrinon, chemisch modifiziert haben, sodass eine Anwendung der Substanz von Sportlern zu Dopingzwecken mit dem augenblicklichen Kontrollprogramm nicht entdeckt werden konnte.
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Ist denn bekannt, ob THG wirklich leistungsfördernd wirkt?
Schänzer:
Natürlich gibt es keine Daten hierzu. Die Substanz ist in keinem Tierversuch bzw. im Rahmen einer klinischen Studie getestet worden. Es wird allgemein angenommen, dass ähnliche Wirkungen wie die klassischen Anabolika (Testosteron, Metandienon etc.) möglich sind, aber konkret sind diese Wirkungen für THG nicht zu belegen.
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Der Doping-Skandal hat sich in den USA abgespielt. Halten Sie es für möglich, dass auch deutsche Sportler involviert sind?
Schänzer:
Die Möglichkeit besteht grundsätzlich, dass auch deutsche Sportler Zugang zu dieser kalifornischen Firma hatten. Diese ist zurzeit aber noch spekulativ. Weitere Untersuchungen des gesamten Vorganges in den USA werden sicherlich in der Zukunft ein klareres Bild ergeben.
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Manche Entwicklungen im Bereich des Dopings scheinen doch sogar vorhersehbar zu sein. Wie steht es diesbezüglich mit dem Gen-Doping? Stichwort "Myostatin".
Schänzer:
Die Beeinflussung des Muskelwachstums durch das Myostatin-Gen wird zurzeit nicht unter dem Begriff Gen-Doping verstanden. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen zur Veränderung der Expression eines Gens. Zur Zeit stehen diese Maßnahmen noch nicht auf der Dopingliste. Eine Arbeitsgruppe an der Deutschen Sporthochschule Köln, die dem neu gegründeten Zentrum für Präventive Dopingforschung angehört, beschäftigt sich zurzeit mit dieser Thematik. Weitere Forschungen zum Myostatin-Gen sind dringend angebracht, um die Dopingrelevanz objektiver beurteilen zu können.
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Vielfach handelt es sich bei den missbräuchlich verwendeten Substanzen um regulär zugelassene und rechtmäßig in Verkehr befindliche Arzneimittel. Sehen Sie vor diesem Hintergrund auch bei der pharmazeutischen Industrie und bei Ärzten und Apothekern eine Mitverantwortung für die Eindämmung des Dopings?
Schänzer:
Ich glaube, dass besonders die pharmazeutische Industrie hier eine Verantwortung hat. Es wäre wünschenswert, wenn die nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) in Deutschland, die doch große Schwierigkeiten hat, Sponsoren zu bekommen, durch die Pharmakonzerne finanziell unterstützt würde.
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Nach solchen spektakulären Fällen wird der Ruf nach einem nationalen Anti-Doping-Gesetz wieder lauter. Wie stehen Sie dazu?
Schänzer:
Die jetzt in Amerika bekannt gewordenen kriminellen Handlungen (Herstellung und Weitergabe einer nicht zugelassenen Substanz zur Anwendung bei Menschen) können durch die bereits bestehenden Gesetze bestens sanktioniert werden. Ich glaube nicht, dass eine weitere Verschärfung der Gesetzgebung den Anti-Doping-Kampf verbessern wird.
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Vielen Dank für das Gespräch.
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