- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 33/2004
- H. KrüßenAbschied von ...
Meinung
H. KrüßenAbschied von den Pharma-Hermaphroditen
Was gilt zukünftig als apothekenüblich?
Ausdrücklich nimmt das Arzneimittelgesetz (§ 52 a Abs. 7 AMG n.F.) die Apotheken weitgehend vom Erlaubnisvorbehalt für Arzneimittelgroßhandel aus, auch für die Abgabe "an andere Personen als Verbraucher, soweit dies im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs geschieht." Für die Belieferung eines Großhandels, so ebenfalls Glökler, Graefe Rechtsanwälte, München in DAZ 2004, Nr. 31, S. 45, "sollte" allerdings – abgesehen von Fällen "entgegenkommender Verwaltungspraxis" – eine Großhandelserlaubnis nach § 52 a AMG n.F. erforderlich sein. Zumindest fordere dies die Großhandelsbetriebsverordnung (§ 4 a Abs. 1 GHBetrV n.F.).
Die Überlegung, ob dies im geringen Umfang auch ohne Erlaubnis als apothekenüblich zu dulden sei, führt allerdings in die Irre. Eine Üblichkeit nach In-Kraft-Treten einer Gesetzesnovelle, die gerade diesbezüglich übliche Missstände beseitigen will, einfach fortzuschreiben, erscheint wenig sinnvoll. Schließlich ist wesentliche Intention des Erlaubnisvorbehaltes für den Großhandel mit Arzneimitteln eine Verbesserung der Arzneimittelsicherheit durch Zurückdrängung des Graumarktes, an dem in der Vergangenheit u. a. auch Apotheken beteiligt waren. Für eine solche Interpretation spricht auch die umfassende, mit Augenmaß und den Bedürfnissen der Apotheken entsprechende Aufzählung der apothekenüblichen Liefertätigkeiten in der Gesetzesbegründung.
Fazit: Einkaufsgemeinschaften bleiben apothekenüblich und damit ohne Großhandelserlaubnis möglich, Großhandelsbelieferung gilt zukünftig unabhängig vom Umfang als nicht apothekenüblich und bedarf einer gesonderten Erlaubnis.
Apothekengesetz und Apothekenbetriebsordnung
Ergänzend zu den Ausführungen von Glökler, die sich ja explizit an "die dem Arzneimittelgroßhandel zuliefernde Apotheke" wenden, sind allerdings noch die Bestimmungen des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebsordnung zu würdigen. Der öffentliche Auftrag der Apotheken (§ 1 Abs. 1 ApoG), die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, der letztlich die Legitimation für die zahlreichen Sonderbestimmungen darstellt, denen der Betrieb einer Apotheke unterworfen ist, ist zu berücksichtigen und vor allem die daraus abgeleiteten dezidierten Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung.
Die grundsätzliche Forderung (ApBetrO § 4 Abs. 5) nach eindeutiger Trennung der Apothekenbetriebsräume von anderweitig gewerblich genutzten Räumen ist durch Rechtsprechung und Kommentierung über Jahrzehnte erhärtet (siehe u. a. Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, Rdnr.128 – 134). "Das Erfordernis der räumlichen Trennung in § 4 Abs. 5 gilt im Hinblick auf alle anderweitig gewerblich oder freiberuflich genutzten Räume, ohne dass es auf die Art des Gewerbes, die Bezeichnung des Gewerbebetriebes oder darauf ankommt, wer Eigentümer dieser Räume ist (ebenda Rdnr. 130). Dass es sich gemessen am Versorgungsauftrag der Apotheke um eine "anderweitig gewerbliche Nutzung" handelt, wird durch die nun erforderliche Erlaubnis noch unterstrichen. Im Übrigen sind Konflikte durch konkurrierende Betriebsverordnungen (z. T. mit unterschiedlichen Überwachungsbehörden) vorprogrammiert.
Personalunion oder Betriebsunion
Von zentraler Bedeutung ist die Frage, ob der Erwerb einer Großhandelserlaubnis für eine Apotheke möglich ist. Hier muss sehr sorgfältig zwischen der Apotheke als Unternehmen und dem Apotheker als Unternehmer unterschieden werden. Sämtliche Erlaubnisse des Apothekengesetzes, angefangen von der Betriebserlaubnis für eine oder mehrere Apotheken (§ 2) bis hin zur Versanderlaubnis (§ 11 a), ebenso die Genehmigung zur Heimbelieferung (§ 12 a) bzw. zur Krankenhausbelieferung (§ 14 Abs. 5) durch eine krankenhausversorgende öffentliche Apotheke sind an natürliche Personen adressiert. (Einzige Ausnahme bildet der Träger eines Krankenhauses als juristische Person; auch in diesem Fall besteht allerdings keine Identität mit dem Unternehmen Krankenhausapotheke.)
Unstreitig können andererseits Erlaubnisse auf Grundlage des Arzneimittelgesetzes (Herstellungserlaubnis § 13, Zulassung von Arzneimitteln § 21, Einfuhrerlaubnis § 72) juristischen Personen erteilt werden. Dies ist selbstverständlich auch bei der Erlaubnis für den Großhandel mit Arzneimitteln so. Erlaubnisse dieser Art werden durch einen Wechsel in der Geschäftsführung oder auch einen Wechsel in den Besitzverhältnissen nicht zwangsläufig tangiert (soweit ansonsten die gesetzlichen Voraussetzungen weiter bestehen).
Anders verhält es sich im Apothekenrecht, wo sowohl bei der Einzelfirma als auch bei der OHG als Personalgesellschaft alle Erlaubnisse personenbezogen sind. Demzufolge könnte eine Großhandelserlaubnis, obwohl AMG-basiert, apothekenrechtskonform lediglich dem Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke (in Personalunion als genehmigte Nebentätigkeit), nicht aber der Apotheke als Unternehmen (in Betriebsunion) erteilt werden. Das Unternehmen Apotheke kann seinen Aufgabenbereich – unabhängig von Erlaubnissen, die aufgrund anderer Gesetze möglich wären – nicht beliebig über seinen gesetzlichen Auftrag hinaus ausdehnen.
Intentionen der 12. AMG-Novelle
Neben der Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinien verfolgt die 12. AMG-Novelle auch Ziele einer verbesserten Marktüberwachung. Eine Erlaubniserteilung für Großhandel durch Apotheken würde die Intention der Novelle maßgeblich torpedieren, den Graumarkt einzudämmen, indem der Warenfluss transparenter (siehe Vorschriften zur Chargendokumentation) aber auch kürzer wird. (In der Vergangenheit konnten vereinzelt "Großhandelskaskaden" mit bis zu über 10 Stufen beobachtet werden.) Auf jeden Fall sollte ein nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu überwachender Rückfluss von Einzelhandelsware in den Großhandelskreislauf ("Grosso-Reflux") vermieden werden.
Tatsächlich ist ja bislang für einen großen Teil der in Rede stehenden Geschäfte Voraussetzung, dass der Erstabnehmer der Industrie öffentliche Apotheke (Verkaufsförderung) bzw. Krankenhaus- oder krankenhausversorgende Apotheke (Krankenhausware) ist. Tritt der Apotheker aber der Industrie gegenüber als Großhandel auf, der alleine nach Erteilung einer Erlaubnis nach § 52 a berechtigt wäre, die Ware an einen anderen Großhändler weiterzuveräußern, entfiele wie oben dargestellt für die Industrie die Geschäftsgrundlage. Nur wenn hier eine saubere Trennung zwischen Apotheke auf der einen und einem ggf. durch den gleichen Inhaber betriebenen Großhandel auf der anderen Seite eingehalten wird, kann dieses Marktsegment wirksam zurückgedrängt werden. Ein Switch von Einzelhandelsware zu Großhandelsware innerhalb eines Großhandel-Einzelhandel-Zwitterbetriebes Apotheke würde die 12. AMG-Novelle diesbezüglich ins Leere laufen lassen.
Gehört eine öffentliche Apotheke zur Klasse Großhandel, ist sie ausschließlich Einzelhandel oder ist sie vielleicht beides, also ein Zwitter (med.: Hermaphrodit)? Die 12. AMG-Novelle verlangt von Apotheken, die Großhandel betreiben, eine behördliche Erlaubnis. Der Ameisentransport vieler Apotheken als günstige Beschaffungsquelle namhafter Pharmagroßhandlungen einerseits, als Einfallstor für den Graumarkt andererseits dürfte damit der Vergangenheit angehören.
PHAGRO-Vorschlag abgelehnt
Obwohl der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels PHAGRO e.V. ebenfalls die Erhöhung der Markttransparenz der Vertriebswege für Arzneimittel begrüßt, hätte er doch gerne die günstige Bezugsquelle Apotheke erhalten. Sein Vorschlag in der Stellungnahme zur novellierten Pharma-Betriebs-verordnung: "Arzneimittel können auch aus Betrieben bezogen werden, die über eine Erlaubnis nach dem Gesetz über das Apothekenwesen verfügen, soweit dies im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs geschieht." Der Gesetzgeber ist diesem Vorschlag nicht gefolgt.
Auszug aus der amtlichen Begründung
Zu Nummer 36 (§ 52 a neu) Mit der Einführung der Erlaubnispflicht für den Großhandel auch im Bereich der Human-Arzneimittel wird ein Beitrag zur Erhöhung der Arzneimittelsicherheit erbracht. Betriebe und Einrichtungen, die Großhandel mit Humanarzneimitteln betreiben wollen, benötigen nunmehr vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit eine Erlaubnis, die erst nach einer Abnahmeinspektion durch die zuständige Behörde erteilt werden kann.
Die Einführung der Erlaubnispflicht erweitert die reale Kontrollmöglichkeit durch die zuständige Behörde und ermöglicht auch eine Ahndung bei Verstößen. Die Erlaubnispflicht für den Großhandel trägt auch den in Artikel 77 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG verankerten Grundsätzen Rechnung, die die Mitgliedstaaten verpflichten, die Aufnahme der Großhandelstätigkeit mit Arzneimitteln vom Besitz einer Genehmigung zur Ausübung dieser Tätigkeit abhängig zu machen und auf Anfrage der Kommission oder eines anderen Mitgliedstaates der EU Auskünfte über die Einzelgenehmigungen zu geben.
Mit der Einführung der Erlaubnispflicht wird den Forderungen der beteiligten Kreise und Überwachungsbehörden Rechnung getragen. Für die beteiligten Kreise wird darüber hinaus ein möglicher Standortnachteil in Deutschland gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten vermieden. Mit der Einführung der Erlaubnispflicht wird die Forderung der Betriebsverordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe verbunden, dass Großhändler Arzneimittel nur von Betrieben und Einrichtungen Arzneimittel beziehen und nur an solche liefern dürfen, die über eine Erlaubnis verfügen. Dadurch wird ein weiterer Beitrag zur Erhöhung der Arzneimittelsicherheit, auch vor dem Hintergrund von Arzneimittelfälschungen erbracht.
Von der Erlaubnispflicht ausgenommen wird der Großhandel mit den in § 51 Abs. 1 zweiter Halbsatz genannten für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegebenen Fertigarzneimittel, z. B. Heilwässer und Presssäfte aus frischen Pflanzen und Pflanzenteilen.
Apotheken werden im erforderlichen Maße von der Erlaubnispflicht ausgenommen. Zum üblichen Apothekenbetrieb gehören insbesondere auch alle Tätigkeiten, die nach diesem Gesetz, dem Apothekengesetz, dem SGB V und der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung) erlaubt sind. Auch soweit Apotheken im Rahmen neuer Versorgungsformen nach dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) tätig werden, sind sie von der Erlaubnispflicht für einen Großhandel ausgenommen. Apotheken können somit auf der Basis der Erlaubnis nach dem Apothekengesetz Arzneimittel an Verbraucher wie z. B. auch an Ärzte oder Krankenhäuser, abgeben, Retouren tätigen oder Arzneimittel im Rahmen von Einkaufsgemeinschaften weitergeben.
Die in Absatz 2 Nr. 3 enthaltene Pflicht, einen Verantwortlichen zu benennen, der die zur Ausübung der Tätigkeit erforderliche Sachkenntnis besitzt, beruht auf Artikel 78 der Richtlinie 2001/83/EG. Diese Qualifikation kann durch berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung gewonnen werden. Die in Absatz 2 Nr. 4 genannten Regelungen zum Großhandelsbetrieb ergeben sich aus Artikel 80 in Verbindung mit Artikel 84 der Richtlinie 2001/83/EG; insbesondere sollen die Leitlinien für die gute Vertriebspraxis der Kommission eingehalten werden.
Fazit
Ende des Ameisentransportes – Kein Großhandel durch Apotheken Die Belieferung von Großhandlungen durch Apotheken gilt spätestens nach Inkrafttreten der 12. AMG-Novelle am 6. August 2004 nicht mehr als apothekenüblich, sondern als erlaubnispflichtig.
Die geforderte Erlaubnis bleibt Apotheken allerdings versagt, da aufgrund der apothekenrechtlichen Restriktionen (Raumeinheit, Abtrennung, Versorgungsauftrag) Apothekenräume nicht als "geeignete Räumlichkeiten" für Großhandel i.S.v. § 52 a Abs. 2 Nr. 2 AMG n.F. anzusehen sind.
Der Ameisentransport zahlreicher Apotheken als günstige Beschaffungsquelle namhafter Pharmagroßhandlungen einerseits, als Einfallstor für den Graumarkt mit Arzneimitteln andererseits dürfte damit der Vergangenheit angehören.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.