Regierungsbildung in Berlin: Auf der Suche nach dem "dritten" Weg

BERLIN (ks). Auch in der dritten Woche nach der Bundestagswahl wurde in Berlin viel diskutiert und spekuliert. Eine große Koalition gilt zwar als sicher - doch die K-Frage überschattete weiterhin die Sondierungsgespräche. Fast beiläufig wirkte es dagegen, dass sich Union und SPD inhaltlich näher kamen - auch in der Gesundheitspolitik. Keiner konnte sich davor verschließen, dass in einer großen Koalition weder eine reine Kopfpauschale noch eine reine Bürgerversicherung durchgesetzt werden kann. CSU-Chef Edmund Stoiber sprach sich daher bereits am 4. Oktober für einen "dritten Weg" aus.

Die Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten kamen für viele überraschend. So mancher Unions-Politiker hätte eine solche Frage lieber erst in den Koalitionsverhandlungen behandelt. Dennoch hielten sich die Widersprüche aus den eigenen Reihen in Grenzen. Man ist sich bewusst, dass in einer Koalition mit der SPD das Prämienmodell der Union nicht umsetzbar wäre. Missmutig äußerte man sich allerdings in der bayerischen jungen Union und im Wirtschaftsflügel der CDU über Stoibers Vorstoß.

Auch für Angela Merkel dürfte er ein Schlag gewesen sein - nicht zuletzt mit der Gesundheitsprämie hatte sich die CDU-Chefin als Reformerin profilieren wollen. Für manch einen CSU-Politiker mag es hingegen eine Erleichterung sein, sich nun auf diese Weise von dem Kompromiss zu distanzieren, den CDU und CSU vor einem guten Jahr nach langem Zerren ausgehandelt hatten.

Der CSU-Vize Horst Seehofer lehnte den Kompromiss damals wie heute ab - und gab dafür sein Amt als Fraktionsvize auf. Das unerwartete Wahlergebnis könnte für den Ex-Bundesgesundheitsminister jedoch ein Comeback bedeuten. Vor allem in der CSU ist man nach der Wahl bemüht, das Soziale wieder stärker in den Vordergrund zu rücken - und dabei denken viele zuerst an Seehofer.

Unterstützung erhält er beispielsweise von der bayerischen Sozialministerin Christa Stewens (CSU). Sie erklärte, die Gesundheitsprämie sei "ein Modell für Schwarz-Gelb und taugt nicht für eine Große Koalition". Es gehe jetzt nicht um eine groß angelegte Strukturreform, sondern eine Fortentwicklung des Gesundheitswesens "im Geiste der Reformen von Ulla Schmidt und Horst Seehofer". Auch der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Michael Glos, brachte Seehofer als möglichen Ministerkandidaten für die CSU ins Gespräch.

Abgespeckte Bürgerversicherung?

Egal, wer künftig das Gesundheitsministerium leiten wird: Wie ein "dritter Weg" zwischen Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie aussehen könnte, ist noch unklar. Vorschläge werden allerdings schon geäußert. Seehofer könnte sich vorstellen, den Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung einzufrieren. Dies würde die Gesundheitskosten zwar nicht von den Arbeitskosten entkoppeln, wie es Merkel mit der Pauschale beabsichtigt hat. Doch immerhin würde es die Arbeitgeber vor Beitragssatzerhöhungen schützen. Ein solches Vorgehen trifft in beiden großen Parteien sowohl auf Unterstützung als auch auf Ablehnung.

Beim für die SPD neu in den Bundestag eingezogenen Gesundheitsexperten Karl Lauterbach kommt der Vorschlag beispielsweise gar nicht gut an. Er kam der Union in der vergangenen Woche jedoch in einem anderen Punkt entgegen: Lauterbach brachte eine "abgespeckte" Bürgerversicherung ins Gespräch, die den Plan der Union aufgreift, mehr Steuergelder ins Gesundheitssystem fließen zu lassen. Die beitragsfreie Mitversicherung für Kinder, so Lauterbach, könne über höhere Steuern für Topverdiener oder auf Zinserträge finanziert werden.

Bürger für Seehofer

Sofern man politischen Meinungsumfragen nach der vergangenen Wahl noch Glauben schenkt, so sähen die Bundesbürger künftig lieber Horst Seehofer als Ullas Schmidt auf einem Ministersessel. In der Deutschland-Trend Umfrage der ARD vom 6. Oktober nannten die Befragten Seehofer als einen der drei besonders qualifizierten Unions-Politiker: 63 Prozent sind der Meinung, dass er gute Arbeit im Bundeskabinett leisten würde. Nur Friedrich Merz und Christian Wulf erhielten mit 68 bzw. 65 Prozent noch höhere Werte. Die amtierende Ministerin würden die Bürger hingegen lieber nicht mehr auf der Regierungsbank sitzen sehen: 57 Prozent bezweifeln ihre Eignung für eine weitere Amtszeit. Lediglich 33 Prozent sind der Auffassung, sie sollte Bundesgesundheitsministerin bleiben. Der niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) trauen immerhin 35 Prozent einen guten Job als Ministerin zu - offen blieb bei der Umfrage allerdings, in welchem Ressort.

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