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Barmer-Vertrag: Hausapotheke – eine Zwischenbilanz

STUTTGART (ri). Nach Angaben der Barmer sind derzeit über 700.000 Versicherte, ca. 33.000 Hausärzte und rund 16.000 Apotheken in den bundesweiten Hausarzt-/Hausapothekervertrag eingeschrieben. Auch wenn der Vertrag von offizieller Seite wohlwollend betrachtet wird (siehe unser Interview mit ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf), gibt es trotz der hohen Zahl der Einschreibungen seitens der Apotheker doch etliche kritische Stimmen (siehe unsere Umfrage), die sich aus Konkurrenzgründen mehr oder weniger gezwungen sehen, mitzumachen. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Wir erinnern uns: Oberstes Ziel des Hausapothekenmodells ist die sektorenübergreifende Patientenversorgung. Im Rahmen eines jeweils auf lokaler Ebene ausgehandelten Integrierten Versorgungsvertrages sollen Hausärzte und Hausapotheker eng verzahnt miteinander zusammenarbeiten. Bei dieser Zusammenarbeit spielt insbesondere die Medikationsliste eine Rolle, die der Apotheker mit der Einwilligung des Patienten anlegt, so dass er anhand dieser Liste mögliche Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten erkennen und den Arzt darüber informieren kann. Ein weiterer Vorteil auf Seiten des Versicherten besteht darin, dass er bei einer Einschreibung die Praxisgebühr weitestgehend erlassen bekommt: In der Regel muss er die Praxisgebühr nur einmal pro Jahr entrichten. In den meisten Fällen kommt noch ein Bonussystem in Form einer Gutschrift hinzu, mit der ihm drei Prozent auf alle apothekenüblichen Waren erlassen wird. Ein weiterer Anreiz: Die diversen Gesundheitschecks können gegen eine geringe Gebühr (zwischen ein und drei Euro) in Anspruch genommen werden. Noch ein Pluspunkt für die Kunden: Im Notfall wird der Patient im Rahmen des so genannten Home Service mit den Medikamenten bis ans Krankenbett beliefert. Und was die pharmazeutische Betreuung angeht, so werden bestimmte Patientengruppen ganz praktisch unterstützt. So trainieren die Pharmazeuten der Hausapotheken beispielsweise mit Asthmatikern die richtige Anwendung des Inhalators.

Vor- und Nachteile für den Apotheker

Befürworter der Hausapotheke argumentieren gerne mit der zukunftsweisenden Perspektive, die speziell das Berufsbild des Apothekers aufwertet: Der Hausapotheker signalisiert gegenüber seinen Kunden im Rahmen der erweiterten pharmazeutischen Betreuung, dass sein Berufsstand im Hinblick auf fachliche Kompetenz unersetzlich ist. Auch der Servicecharakter des Berufes wird durch die Erweiterung der Dienstleistungspalette betont. Und schließlich hat der Pharmazeut mit der Einschreibung in einen Hausapothekenvertrag auch ein ideales Instrument zur Kundenbindung in der Hand.

Als Nachteile werden von den Kritikern der zeitliche Aufwand und die geringe Entlohnung ins Feld geführt: Wer sich zum Hausapotheker qualifizieren will, muss als erste Voraussetzung entsprechende Fortbildungen (in der Regel einen sechsstündigen Grundlagenkurs und einen einstündigen EDV-Kurs) absolvieren. In der alltäglichen Praxis erscheint vielen Pharmazeuten - insbesondere denjenigen, die in einer kleinen Apotheke arbeiten - der Aufwand zu groß, bzw. wird von ihnen als nicht durchführbar abgelehnt. Dabei wird in erster Linie die Erstellung der Medikationsliste als zu aufwändig kritisiert.

Die Entlohnung ist ebenfalls Gegenstand der Kritik. So werden beispielsweise die Apotheker, die beim baden-württembergischen Barmer-Hausapothekenvertrag eingeschrieben sind, nach folgenden Regeln entlohnt: Die Teilnehmer erhalten pro eingeschriebenem Versicherten acht Euro im Quartal. Diese Summe wird jedoch auf maximal zehn Prozent der eingeschriebenen Versicherten begrenzt (werden beispielsweise 100 Prozent abgerechnet, so entfallen auf jeden einzelnen 80 Cent). Überschreitet der Apotheker die Zehn-Prozentgrenze, so hat er die Möglichkeit, die nicht abgerechnete Summe in das nächste Quartal vorzutragen. Etliche Gegner der Hausapotheke hätten sich außerdem eine einheitliche Vertragsgestaltung gewünscht.

Anlässlich des deutschen Apothekertages 2005 wollten wir von ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf wissen, wie er eine der wichtigsten Profilierungsmaßnahmen im deutschen Apothekenmarkt, die Einführung der Hausapotheke, aktuell bewertet.

DAZ:

Herr Wolf, wie viele Vertragspartner gibt es derzeit?

Wolf:

Die Vertragspartner sind die Barmer Ersatzkasse, der Hausärzteverband, der Bund der Allgemeinärzte (BDA) und der Deutsche Apothekerverband (DAV).

DAZ:

Wie gut ist die Zusammenarbeit mit den Medizinern? Befürworten alle Ärzteverbände unisono die Hausapotheke?

Wolf:

Die Zusammenarbeit mit den Ärzten klappt hervorragend. Zum ersten Mal wurde die Schnittstelle zwischen Ärzten und Apothekern institutionalisiert. Wir haben aus Zeitgründen noch nicht zu allen Ärztegruppen Kontakt aufgenommen, aber die Fachärzte werden auf jeden Fall nachfolgen. Die Zusammenarbeit mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) ist ebenfalls ausgezeichnet - problematisch daran ist nur, dass der Gesetzgeber eine Beteiligung der KVen im Rahmen der Integrierten Versorgung nicht vorgesehen hat.

DAZ:

Ist die Akzeptanz in allen Bundesländern gleich?

Wolf:

Ja, das kann man so sagen.

DAZ:

Kritiker bemängeln ein Ungleichgewicht zwischen Aufwand und Entlohnung. Wie entgegen Sie diesem Vorwurf?

Wolf:

Wir müssen den Vertrag zuerst einmal eine Zeit lang leben - erst danach kann man ihn evaluieren. Wichtig ist aber, dass erstmalig pharmazeutische Leistungen vertraglich festgelegt sind und honoriert werden. Die Kritiker sollten bedenken, dass jeder Vertrag ein Kompromiss darstellt und wir inhaltlich nur über das verhandeln können, was auch darstellbar ist.

DAZ:

Wird mit der Einführung der Hausapotheken nicht eine zweigeteilte Apothekenlandschaft forciert? Kleine Apotheken sagen, dass sie den Aufwand - Stichwort Medikationsliste - selbst wenn sie wollten, nicht leisten können und fühlen sich benachteiligt. Viele Apotheken haben sich nur aus Konkurrenzgründen eingeschrieben und sind deshalb der Meinung, dass sie mehr oder weniger erpresst wurden.

Wolf:

Einen Unterschied zwischen kleinen und großen Apotheken zu propagieren, ist in diesem Zusammenhang nicht richtig. Eine kleine Apotheke ist genauso zur Betreuung chronisch kranker Patienten in der Lage, wie eine große Apotheke. Es ist eine Entscheidung des Apothekenleiters, auf welche Tätigkeiten er seinen Fokus legt. Ansonsten sollten sich die Kollegen überlegen, ob sie sich lediglich als Arzneimittel-Kaufleute sehen wollen, oder ob sie sich als Apotheker mit einem umfassenden Versorgungsauftrag begreifen. Nur derjenige Apotheker, der zu einer umfassenden pharmazeutischen Betreuung bereit ist, wird in Zukunft im Gesundheitssystem einen Platz haben.

DAZ:

Ist die Hausapotheke ein Versuch sich gegenüber Kooperationen zu positionieren?

Wolf:

Die Idee der Hausapotheke ist älter als die Idee der Kooperationen und ist insofern keine Reaktion auf diese. Die Installierung der Hausapotheke ist die logische Weiterentwicklung des Apothekerberufes.

DAZ:

Welche weiteren Maßnahmen sind geplant, um das Image der Individualapotheke weiterhin zu stärken?

Wolf:

Auch diese Frage diskutieren wir ausführlich auf dem Apothekertag. Es geht um die Freiberuflichkeit, den Nutzen, den der Apotheker seinen Kunden bietet, es geht ferner um Qualitätssicherung, um Dienstleistungen der Apotheke und um die pharmazeutische Betreuung.

DAZ:

Herr Wolf, vielen Dank für das Gespräch!

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