- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 39/2005
- Erheblicher ...
Arzneimittel und Therapie
Erheblicher Beratungsbedarf für Frauen mit Epilepsi
Frauen mit Epilepsie sind viel zu schlecht über die Konsequenzen ihrer Erkrankung für ihre Lebensplanung und Lebensqualität informiert. Das betrifft insbesondere frauenspezifische Fragen, wie den Einfluss von Epilepsie und deren Therapie auf Verhütung, Kinderwunsch, Schwangerschaft, Wechseljahre oder Osteoporose. Hier herrscht ein enormer Beratungsbedarf. Zu diesem Ergebnis kam die Zwischenauswertung einer Studie der Gesellschaft für Epilepsieforschung in Zusammenarbeit mit der Neurologischen Klinik und Poliklinik an der Charité in Berlin und dem Verein zur Erforschung der Epidemiologie der Epilepsien. Bislang gingen Daten von 177 Patientinnen zwischen 16,5 und 75 Jahren ein, die zwischen einem und 61 Jahren an Epilepsie erkrankt waren. Nahezu alle Patientinnen wurden mit Antiepileptika behandelt. 61% erhielten eine Monotherapie, 7% mehr als drei Antiepileptika. Etwa die Hälfte hatte unter der Therapie keine, ein Drittel nur wenige Anfälle. Auch die Nebenwirkungen waren gering und wurden meist gut toleriert.
Satte Fehleinschätzung über den Informiertheitsgrad
Interessanterweise schätzten die Frauen ihren eigenen Informiertheitsgrad höher ein als er eigentlich war. So fühlten sie sich gut informiert in Sachen Nebenwirkungen von Antiepileptika, Wechselwirkungen mit der Antibabypille sowie über den Komplex Schwangerschaft und Epilepsie sowie die Erblichkeit der neurologischen Erkrankung. Konkret nachgefragt wurden allerdings die wenigsten Fragen richtig beantwortet. Von 17 Wissensfragen waren im Mittel sieben korrekt, drei falsch und sieben Fragen mit "ich weiß nicht" beantwortet. Zwei Beispiele: Nur ein Viertel der Patientinnen wusste, dass die Aussage "Bei fast allen Epilepsiearten ist die Anlage zur Epilepsie erblich", falsch ist. Nur ein Drittel wusste, dass Kinder von Epileptikerinnen nur selten auch an Epilepsie erkranken. Tatsächlich schlecht informiert fühlten sich die Frauen bei den Themen "Wechseljahre" und "Osteoporose". Generell waren Frauen mit schlechter Schulbildung und höherem Alter schlechter informiert.
Das sollten Epileptikerinnen wissen
Junge Frauen in der Pubertät sollten intensiv über das Thema Verhütung aufgeklärt werden. Wechselwirkungen der "Pille" mit Antiepileptika können zu ungewollten Schwangerschaften führen, denn enzyminduzierende Antikonvulsiva bewirken in der Leber über Cytochrom-P450-Enzyme einen schnelleren Abbau von Östrogenen und Gestagenen. Möglicherweise ist der Wechsel auf ein anderes Antiepileptikum möglich. Gabapentin, Lamotrigin und Tiagabin scheinen beispielsweise nach heutigem Kenntnisstand die hormonelle Verhütung nicht zu beeinträchtigen. Auf die Minipille sollte bei Epileptikerinnen generell verzichtet werden.
Was viele nicht wissen: Der Wunsch nach Kindern muss Frauen mit Epilepsie keinesfalls verwehrt werden. Fehlbildungen sind nur unwesentlich häufiger als bei Gesunden. 92 bis 96% bringen ein gesundes Baby zur Welt, im Vergleich zu 98% in der Gesamtbevölkerung. Sind Kinder geplant, sollte die Beratung schon vor der Schwangerschaft einsetzen. Unabdingbar ist eine vorbeugende Folsäureeinnahme, insbesondere da Antiepileptika die Folsäurespiegel senken. Zudem wird generell empfohlen, Antiepileptika während der Schwangerschaft nicht abzusetzen. Zwar können sie das Risiko einer Fehlbildung möglicherweise erhöhen. Werden sie aber abgesetzt, können häufige Anfälle dem Ungeborenen größeren Schaden zufügen. Als ideal gilt eine möglichst niedrig dosierte Monotherapie; Kombinationstherapien sollten nach Möglichkeit gemieden werden. Besonders wichtig ist die exakte und regelmäßige Einnahme. Bei den meisten Epileptikerinnen ändert die Schwangerschaft am Schweregrad der Erkrankung wenig. 10% müssen mit einer Verschlechterung rechnen, etwa 5% profitieren dagegen von der Schwangerschaft.
Frauenspezifische Nebenwirkungen
Auch frauenspezifische Nebenwirkungen sind erst spät in den Blickpunkt der Epidemiologie geraten. Aufschlussreich ist hier eine Anwendungsbeobachtung die sich zum Ziel gesetzt hatte, Wirksamkeit und Verträglichkeit einer sechsmonatigen Therapie mit Lamotrigin (Lamictal®) auch unter frauenspezifischen Gesichtspunkten zu überprüfen. Von 832 Epileptikerinnen erhielten 392 initial oder sekundär eine Monotherapie, 370 Patientinnen eine Kombinationstherapie.
57 Frauen wechselten von einer Kombi- zu einer Lamotrigin-Monotherapie. Die Ursache der Epilepsie war bei der Hälfte der Fälle idiopathisch, bei einem Drittel Folge einer Hirnschädigung. Erreicht wurde ähnlich den bisherigen klinischen Erfahrungen eine hohe Wirksamkeit: Bei 94% der Patientinnen kam es unter Lamotrigin zu einer 50-prozentigen Anfallsreduktion. Der Blick auf die Nebenwirkungen zeigte, dass insbesondere frauenspezifische Begleiterscheinungen wie Gewichtszunahme, vermehrter Haarwuchs, Seborrhö, Akne und Menstruationsstörungen unter Lamotrigin seltener waren. So ging beispielsweise beim Wechsel von einer Kombinationstherapie zur Lamotrigin-Monotherapie das Körpergewicht um 2,3 Kilogramm zurück. Der Prozentsatz der Frauen, die über Hirsutismus, Haarausfall oder Bartwuchs klagten, ging unter Lamotrigin von 17% auf 7% zurück. Auch die kognitiven Fähigkeiten besserten sich: Mehr als 50% fühlten sich "wacher", bei den "Switchern" waren es 68%.
Apothekerin Dr. Beate Fessler
Infos für Epileptikerinnen
Im Rahmen der globalen Informationskampagne "Guide your journey", die von GlaxoSmithKline unterstützt wird, wurde die Broschüre "Selbstbewusst durchs Leben" entwickelt. Ziel ist es, Frauen mit Epilepsie auf ihrem Lebensweg zu begleiten und Ihnen zu helfen, für jede Lebensphase die optimale Behandlung zu finden. Die Broschüre kann über das Service-Team von GlaxoSmithKline angefordert werden: service.info@gsk.de Umfassende Information zu allen Bereichen der Epilepsie finden Sie auf den Internetseiten des Epilepsie-Netzwerks: www.epilepsie-online.de.
Ein Fall für die Familie
Der 9. Oktober ist Tag der Epilepsie Viele Vorurteile und diffuse Vorstellungen: Mit dem Krankheitsbild der Epilepsie können viele Menschen noch immer nichts anfangen. Die Betroffenen verschweigen es so weit wie möglich und nehmen dafür einige Anstrengungen in Kauf - Gründe für die Deutsche Epilepsievereinigung, auch in diesem Jahr zu einem Tag der Epilepsie unter dem Motto "Ein Fall für die Familie" einzuladen. Mit einem Mix aus Vorträgen, Diskussionsrunden, Informationen und begleitenden Aktionen wird auf diese Erkrankung aufmerksam gemacht und darüber aufgeklärt. Weitere Informationen zum Tag der Epilepsie, über die Programme der Landesverbände sowie die Arbeit der Deutschen Epilepsievereinigung gibt es unter www.epilepsie.sh oder Telefon (0 30) 3 42 44 14.
"Stillen führt zur natürlichen Entwöhnung von Antiepileptika. Wird nicht gestillt, können Entzugserscheinungen auftreten."
Priv.-Doz. Dr. Theodor May,
Bielefeld
"Grundsätzlich können alle Frauen mit Epilepsie
Kinder bekommen, aber es gibt einige Besonderheiten zu beachten, die der betreuende Arzt kennen muss."
Priv.-Doz. Dr. Bettina Schmitz,
Charité, Berlin
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.