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Arzneimittelreport 2006: GEK-Chef Hebel setzt weiter auf AVWG und Versandapothek
Zum sechsten Mal haben Prof. Gerd Glaeske und seine Co-Autorin Katrin Jahnsen von der Universität Bremen die Verordnungsdaten der GEK analysiert - die Erkenntnisse bleiben stets dieselben: Jahr für Jahr beklagt Glaeske vor allem die Steigerungsraten bei Analogpräparaten. Sie konnten 2005 einen Umsatzzuwachs von fast 20 Prozent aufweisen. Für den Pharmaexperten ist dies schlicht "eine vorsätzliche Verschwendung von Versichertengeldern". Er betonte, dass nur jeder Euro einmal ausgegeben werden könne – und dieses Geld will er besser angelegt wissen. Das derzeit "größte sinnvolle Einsparpotenzial" sieht er in der Substitution von Analogpräparaten durch preisgünstige Alternativen mit bewährten Wirkstoffen, die zumeist schon als Generika angeboten werden.
Aber auch im Generikabereich selbst sieht Glaeske den Preiswettbewerb noch nicht optimal genutzt. So könnten etwa bei den Wirkstoffen Amlodipin, Budesonid, Enalapril oder Omeprazol noch erhebliche finanzielle Reserven gehoben werden, um im Gegenzug wirkliche Innovationen bezahlbar zu halten. Nicht zuletzt spürten die Autoren des Arzneimittel-Reports auch 2005 Sparpotenziale im Bereich der umstrittenen Arzneimittel auf. Obwohl in diesem Bereich seit einiger Zeit rückläufige Ausgaben zu verzeichnen sind - insbesondere aufgrund des GKV-Erstattungsausschlusses für OTC-Präparate - flossen im vergangenen Jahr noch knapp fünf Prozent (16,8 Mio. Euro) der GEK-Arzneimittelausgaben in diese Produktgruppe. Würde man das Sparpotenzial in diesen drei Verordnungssegmenten konsequent nutzen, so könnte die GEK Glaeske zufolge fast 53 Mio. Euro sparen und ihren Beitragssatz um 0,3 Prozentpunkte senken. Hochgerechnet auf die gesamte GKV läge die mögliche Einsparsumme bei drei Mrd. Euro.
Regionale Abweichungen, Fehlversorgung bei Frauen Dass die Auswüchse im Verordnungsverhalten kein Muss sind, zeigen die Ausgabenunterschiede bei den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen. Während im KV-Bezirk Hamburg auf 100 GEK-Versicherte verordnete Arzneimittel im Wert von rund 28.500 Euro kommen, sind es in Brandenburg nur knapp 17.900 Euro. Auch in Nordrhein, Berlin, Niedersachsen und Bremen verschreiben die Ärzte äußerst großzügig. In allen neuen Bundesländern bleiben die Ausgaben hingegen unter dem Durchschnitt von 23.000 Euro pro 100 Versicherte.
Eine weitere Erkenntnis des GEK-Reportes ist, dass Frauen in den Wechseljahren noch immer zu viele Hormone verordnet bekommen. Auch Antidepressiva, Schlaf- und Beruhigungsmittel bekommen sie zwei bis drei Mal häufiger verordnet als Männer. Beunruhigend sei es zudem, dass ältere Menschen häufig zu viele und zu hochdosierte Arzneimittel verordnet bekommen, erläuterte Glaeske. So erhalte jeder fünfte Patient zwischen 85 und 90 Jahren Verordnungen über 13 und mehr Wirkstoffe gleichzeitig – und das obwohl maximal vier Wirkstoffe nebeneinander die Grenze der Verträglichkeit bildeten. Hinzu komme, dass in 20 Prozent aller Fälle Wirkstoffe verordnet wurden, die nach einer Auflistung von Beers ungeeignet für ältere Menschen sind – beispielsweise Amiodaron, Amitriptylin, Reserpin, Doxepin oder schnell wirkendes Nifedipin.
Ministerium: Report bestätigt AVWG Im Bundesgesundheitsministerium hat man für den GEK-Report immer offene Ohren. Für Staatssekretärin Marion Casper-Merk ist er nicht zuletzt auch eine Bestätigung, dass das AVWG auf den Weg gebracht werden musste. Schon lange klagt man im Ministerium, dass im Generikamarkt zu wenig Preisbewegung stattfindet. "Dass hier noch Musik drin ist, zeigen die letzten Wochen", sagte Caspers-Merk. Alle großen Generikahersteller haben massive Preissenkungen zum 1. Juli angesagt, damit sie für die Versicherten künftig zuzahlungsfrei erhältlich sind.
GEK-Chef setzt weiter auf Versandapotheken Auch GEK-Chef Dieter Hebel setzt auf die neuen Möglichkeiten des AVWG. Nun könnten die Versicherten noch besser schon beim Arzt auf die Verordnung des preiswürdigsten Medikaments drängen, nicht zuletzt um sich die Zuzahlung zu ersparen. "Damit nehmen aktive und mündige Versicherte Einfluss auf Therapiekos–ten und werden zu einem wichtigen Faktor der Ausgabensteuerung".
Den Beweis, dass die Versicherten die Notwendigkeit wirtschaftlichen Handelns erkennen und nutzen, sieht Hebel im vermehrten Zuspruch für Versandapotheken. Die GEK versteht sich hier als Vorreiterin: Während bei der gesamten GKV bislang nicht einmal ein Prozent des Arzneimittelumsatzes auf Versandapotheken entfällt, hat sich dieser Anteil bei der GEK im Jahr 2005 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt und beträgt nun acht Prozent.
Hebel ist überzeugt: "Die Höhe und Steigerungsrate des Versandbezuges machen die GEK zu einem interessanten Verhandlungspartner für die pharmazeutische Industrie". Derzeit verhandle man mit kleinen und mittelständischen Generikaherstellern über Rabattverträge zur Direktbelieferung von Apotheken. Dass die GEK in diesem Feld etwas bewege, zeigten auch die Reaktionen aus der Apothekerschaft, so Hebel. "Die Apotheker wollen uns die Mündigkeit absprechen, unsere Versicherten über günstige Einkaufsmöglichkeiten zu informieren", beschwerte sich Hebel mit Blick auf die Klage des Apothekerverbands Baden-Württemberg gegen seine Kasse.
Industrie reagiert gepalten Beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) und dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) traf der Report auf Unverständnis. "Wer Glauben machen will, Wohl und Wehe des Gesundheitssystems hingen an der Senkung der Arzneimittelkosten, will nur von politischem Stillstand ablenken," sagte VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer. Die Kritik an Analogpräparaten wies sie zurück: Sie seien ein wichtiger Teil einer hochwertigen Arzneimittelversorgung, da sie eine zielgenaue und patientenindividuelle Therapie ermöglichten.
Auch BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp forderte, endlich nachhaltige Strukturreformen auf den Weg zu bringen, statt mit Pauschalvorwürfen gegen die Pharmabranche und Ärzteschaft zu jonglieren. Den aktuellen Preiskampf auf dem Generikamarkt sieht er als "enormen Verdrängungswettbewerb". Die Folge werde eine "politisch provozierte Marktkonzentration zu Lasten der kleineren und mittelständischen Unternehmen" sein, die nur kurzfristig zu Preissenkungen führen wird. "Langfristig wird es in einem nahezu monopolistischen Markt zu Preiserhöhungen kommen", prognostiziert Fahrenkamp.
Beim Verband Pro Generika sieht man dies weniger dramatisch. Vielmehr fühlt man sich durch den GEK-Report bestätigt. Er sei "Jahr für Jahr ein eindrucksvoller Beleg dafür, wie durch den Einsatz von Generika Kosten gespart und Ausgaben reduziert werden können", erklärte Pro Generika-Geschäftsführer Hermann Hofmann. Er verwies darauf, dass die Generikapreise in Deutschland nach den letzten Preissenkungen einen historischen Tiefstand erreicht hätten. Der Preiswettbewerb unter den Generikaherstellern funktioniere nicht nur, er sei auch "härter ist als jemals zuvor."
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