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Arzneimittel und Therapie
Multiple Sklerose: Interferon beta-1b für Frühstadien zugelassen
In den USA, Europa und Japan ist Betaferon® bisher für alle Formen der schubförmigen MS zugelassen. Es kann die Anzahl der MS-Schübe um ein Drittel vermindern, die Häufigkeit mittelschwerer bis schwerer Schübe sogar um 50%. Die Nachbeobachtung von Patienten, die inzwischen seit bis zu 16 Jahren mit Betaferon® behandelt werden, zeigen eine hohe Sicherheit und gute Verträglichkeit.
In den USA wurde die Indikationserweiterung für Interferon beta-1b, das in den USA unter dem Namen Betaseron® vermarktet wird, im Februar 2006 bei der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) von Berlex, der amerikanischen Tochtergesellschaft der Schering AG, eingereicht.
Schäden bereits im Frühstadium möglich Bei der multiplen Sklerose greift das Immunsystem die Myelinscheiden der Nervenzellen an, was zu vielfältigen neurologischen Ausfallerscheinungen führt. Dazu gehören Sehstörungen, Missempfindungen und unterschiedliche motorische Beeinträchtigungen. Bei der häufigsten Form, der schubförmig-remittierenden multiplen Sklerose, erfolgen die Angriffe schubweise. Zwischen den Schüben können Monate oder gar Jahre liegen, in denen die Krankheit scheinbar still steht.
Oft werden die ersten Schübe übersehen oder nicht diagnostiziert, da sie sich in der Regel fast folgenlos zurückbilden. Doch die Ruhe ist trügerisch. Nach einem klinisch und kernspintomografisch nachgewiesenen ersten Schub hat der Betroffene ein sehr hohes Risiko, weitere Schübe zu erleiden und damit eine "klinisch definierte MS" zu entwickeln.
Behandlung nach dem ersten Schub Die Zulassungserweiterung für Betaferon® bezieht sich auf die Behandlung von Patienten nach einem ersten Schub, der auf multiple Sklerose hindeutet, bei dem also Zeichen von Myelin–abbau durch einen aktiven Entzündungsprozess aufgetreten sind. Häufig sind dies klinisch isolierte Ereignisse, beispielsweise eine Sehnervenentzündung oder sensible Störungen. Voraussetzung für die Frühtherapie mit Interferon beta-1b ist, dass der Schub schwer genug war, um eine intravenöse Cortisontherapie zu benötigen. Außerdem müssen andere mögliche Diagnosen ausgeschlossen sein und die Patienten ein hohes Risiko tragen, eine klinisch gesicherte MS zu entwickeln.
Interferon beta-1b ist darüber hinaus zugelassen für die Behandlung von:
- Patienten mit schubförmiger MS, die zwei oder mehr Schübe in den letzten beiden Jahren hatten.
- Patienten mit sekundär progredienter MS, sofern die Krankheit noch aktiv ist (erkennbar durch das Auftreten von Schüben).
Einziges Arzneimittel zur Frühtherapie Interferon beta-1b ist mit der Zulassungserweiterung das einzige Arzneimittel, das zu einer so frühen Therapie der MS zugelassen ist. Bisher waren alle Beta-Interferone und Glatir–ameracetat (Copaxone®) erst bei einer klinisch manifesten multiplen Sklerose zugelassen, also wenn bereits mehrere Krankheitsschübe aufgetreten waren.
Patienten können mit Betaferon® jetzt bereits nach dem ersten Schub, der auf eine Erkrankung hindeutet, ihr Risiko für eine klinisch gesicherte multiple Sklerose reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.
Die Zulassungserweiterung basiert auf den Ergebnissen der Benefit-Studie (Betaferon®/–Betaseron® in Newly Emerging MS For Initial Treatment). Nach den Ergebnissen dieser Studie kann Interferon beta-1b den Verlauf einer multiplen Sklerose bei Patienten mit ersten Anzeichen der Krankheit erfolgreich verlangsamen.
Diese Ergebnisse zeigen, dass eine Behandlung mit 250 µg Betaferon® jeden zweiten Tag in der Frühphase der Erkrankung im Vergleich mit Placebo das Risiko, eine klinisch gesicherte multiple Sklerose zu entwickeln, um etwa 50% senken kann. Außerdem waren die Patienten in der Interferon beta-1b-Gruppe doppelt so gut da–gegen geschützt, eine MS nach den McDonald-Diagnosekriterien zu entwickeln, wie die Placebo-Patienten. 85% der Placebo-Patienten hatten innerhalb von zwei Jahren nach dem ersten Schub eine klinisch gesicherte MS.
Benefit-Studie: Entstehung einer klinisch sicheren MS verzögert Die Benefit-Studie ist eine randomisierte, doppelblind durchgeführte Multicenterstudie der klinischen Phase III. Sie wurde in 98 Zentren in 20 Ländern durchgeführt und schloss insgesamt 487 Patienten ein, die einen ersten auf eine multiple Sklerose hindeutenden Krankheitsschub erlitten hatten. Diese Patienten, bei denen ein Schub mit Myelinzerstörung zum ersten Mal aufgetreten war und die typischen MS- und Kern–spin(MRT-)-Befunde zeigten, erhielten jeden zweiten Tag entweder eine subkutane Injektion von acht Millionen Einheiten Betaferon® oder eine Placebo-Injektion. Die Behandlung wurde über 24 Monate fortgeführt, außer wenn die Patienten einen zweiten Schub erlitten und damit die Diagnose "klinisch gesicherte MS" gestellt wurde.
Die beiden parallel untersuchten Wirksamkeitskriterien waren
- die Zeit bis zur Diagnose einer klinisch gesicherten MS, definiert durch einen zweiten Schub mit Myelinzerstörung oder durch eine Verschlechterung auf der Behinderungsskala EDSS (Expanded Disability Status Scale) um mindestens 1,5 Punkte und
- die Zeit bis zur Diagnose einer multiplen Sklerose auf Basis der McDonald-Kriterien. Allen Studienteilnehmern, welche die doppelblinde Studie bis zum Ende durchgeführt hatten, wurde anschließend die Teilnahme an einer weiteren, offenen Studie mit Betaferon® angeboten. Hier soll über den Verlauf von fünf Jahren prospektiv die Wirkung einer solchen frühzeitigen Betaferon®-Behandlung auf den langfristigen Verlauf der Krankheit untersucht werden – einschließlich der Wirkung der Frühbehandlung auf die Bildung neuer MS-Herde im Gehirn, gemessen in der Magnetresonanztomographie (MRT).
In der Benefit-Studie wurden sowohl Patienten mit monofokalem als auch Patienten mit multifokalem Beginn der Erkrankung eingeschlossen. Der monofokale Beginn ist definiert als ein Ereignis, bei dem sich alle klinischen Symptome durch einen einzigen Krankheitsherd im Zentralnervensystem (ZNS) erklären lassen. Ein multifokaler Beginn liegt dann vor, wenn die klinischen Symptome auf mindestens zwei Erkrankungsherde im ZNS hindeuten. Der Einschluss beider Patientengruppen war deswegen wichtig, weil nur dies für die Patientenpopulation mit einem einzelnen klinischen Schub wirklich repräsentativ ist.
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