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Arzneimittel und Therapie
Metabolisches Syndrom: Prävention verhindert Typ-2-Diabetes
Ein gestörter Glucosestoffwechsel kommt selten allein, meistens sind auch Blutdruck und Blutfettwerte erhöht. Dieses so genannte metabolische Syndrom verkürzt die Lebenserwartung um zehn bis 15 Jahre. Das liegt vor allem an den Konsequenzen des langjährig gestörten Stoffwechsels: Augen, Nieren und Nerven werden geschädigt, vor allem aber das Herz-Kreislauf-System.
August der Starke war krank Der Barockfürst August der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von Polen, ist ein klassischer Vertreter des metabolischen Syndroms. Er wog 110 kg bei einer Körpergröße von 1,78 m. Als Hinweis auf den Typ-2-Diabetes ist sein großer Durst überliefert – er trank täglich 2,5 Liter Wein. Sein rotes Gesicht, das auf historischen Gemälden zu erkennen ist, zeugt von einem Bluthochdruck. August der Starke starb im Alter von 63 Jahren an den Folgen seines Diabetes.
Fettgewebe, die tickende Zeitbombe Das Problem beginnt lange bevor man etwas merkt. Nimmt ein Mensch über viele Jahre hinweg kontinuierlich zu, verändert sich auch sein Stoffwechsel. Unter anderem sendet das Fettgewebe zahlreiche Botenstoffe aus, die den Metabolismus beeinflussen. Dazu gehören Entzündungsmediatoren, die im Organismus eine ständige leichte subklinische Entzündung verursachen. Dieses schwelende Feuer treibt zahlreiche Alterungsvorgänge an. Besonders gefährlich ist das Fettgewebe im Bauchbereich und die Verfettung von inneren Organen.
Allmählich sinkt die Empfindlichkeit der Zellen von Fettgewebe und Muskulatur für Insulin, die so genannte Insulinresistenz entwickelt sich. Um den Blutzucker normal zu halten, muss der Körper jetzt vermehrt Insulin ausschütten. So wird der Zucker ohne sichtbare Folgen verarbeitet, und der Stoffwechsel ist scheinbar in Ordnung. Wenn die Betazellen aber jahrelang zuviel Insulin produzieren müssen, ermüden sie frühzeitig. Jetzt lässt ihre Insulinausschüttung nach und der Blutzucker steigt. Das ist der Zeitpunkt, zu dem ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert wird. Die chronische Erkrankung ist akut geworden, und jetzt ist die Sterblichkeit mit der von Krebserkrankungen vergleichbar.
Prävention durch Änderungen des Lebensstils Die medizinisch sinnvollste Strategie zur Behandlung des metabolischen Syndroms besteht in einer Veränderung des Lebensstils. Zunächst einmal sollten die Betroffenen nicht rauchen und ihr Gewicht verringern, die körperliche Aktivität muss erhöht werden.
Empfohlen werden 30 Minuten körperliche Aktivität an fünf Tagen pro Woche. Mit solchen Änderungen des Lebensstils kann bei 50 bis 70% der Risikopersonen ein Ausbruch des Diabetes verhindert werden.
Medikamentöse Vorbeugung: die DREAM-Studie Auch Arzneimittel können bei der Vorbeugung helfen. In der DREAM-Studie (Diabetes Reduction Assessment with Ramipril and Rosiglitazone Medication) mit 5269 Teilnehmern konnte gezeigt werden, dass sowohl der ACE-Hemmer Ramipril (15 mg täglich) als auch der Insulinsensitizer Rosi–glitazon (8 mg täglich) das Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes senken können. Die Studienteilnehmer hatten noch keinen manifesten Typ-2-Diabetes, aber einen erhöhten Nüchternblutzucker sowie eine gestörte Glucosetoleranz.
Das Hauptresultat: Der Insulinsensitizer Rosiglitazon verminderte das Risiko für die Entstehung eines Typ-2-Diabetes hochsignifikant um 62%. Die Studienteilnehmer, die Ramipril erhielten, hatten bessere Blutzuckerwerte als die Placebo-Teilnehmer, wenn auch der Effekt nicht so stark ausgeprägt war wie unter der Therapie mit dem Glitazon.
Risikopersonen identifizieren und schulen Das Problem beim metabolischen Syndrom: Da es sich über viele Jahre unbemerkt entwickelt, ist der Wille der Patienten zu Veränderungen gering. Wenn der Typ-2-Diabetes sich jedoch manifestiert hat, kann die Krankheit mit den gängigen Therapiemethoden nur noch etwas aufgehalten werden. Oberstes Ziel bei der Diabetes-Prävention sollte daher sein, das Bewusstsein in der gesamten Bevölkerung über ernährungs- und verhaltensbedingte Gesundheitsrisiken zu schärfen und Lebensbedingungen zu schaffen, die ein gesundheitsförderndes Verhalten erleichtern.
Eine mögliche Strategie, um die Personen zu identifizieren, die besonders gefährdet sind, ein metabolisches Syndrom zu entwickeln, ist ein einfacher Fragebogen, in dem die wichtigsten Risikofaktoren abgefragt werden. Dieser Fragebogen sollte im Rahmen von Diabetes-Präventionsprogrammen einem großen Teil der Bevölkerung zugänglich gemacht werden. In einem zweiten Schritt sollen die Risikopatienten intensiv zeitlich begrenzt geschult werden. Im dritten Schritt erfolgt eine kontinuierliche Intervention und Qualitätskontrolle.
Um die Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu einer eigenständigen Versorgung auszubauen, sind viele Partner notwendig. Auch Apotheker können hier eine Rolle spielen. Im Moment werden in Deutschland verschiedene Interventionsprogramme evaluiert und mit mehreren großen Krankenkassen landesweite Pilotprojekte erprobt. Die Anfang dieses Jahres gegründete Stiftung "Rufzeichen Gesundheit" verfolgt den Gedanken, das Bewusstsein der Menschen für die Gefahren des metabolischen Syndroms zu sensibilisieren. Im Mittelpunkt steht dabei der präventive Gedanke.
S. M. Grundy, 2005
"Unter dem metabolischen Syndrom verstehen wir das gemeinsame Vorkommen von Fettsucht, Hyper- und Dyslipoproteinämie, Typ-2-Diabetes, Gicht und Hypertonie verbunden mit einer erhöhten Inzidenz von arteriosklerotischen Gefäßerkrankungen, Fettleber und Cholelithiasis, das bei Überernährung und Bewegungsmangel auf dem Boden einer genetischen Disposition auftritt."
M. Hanefeld, 1981
Ist August der Starke schuld?
Die Sachsen weisen innerhalb Deutschlands den höchsten Body-Mass-Index (BMI) auf – das ergab ein statistischer Vergleich zwischen der Bevölkerung aller Bundesländer.
Dementsprechend leiden die Sachsen auch häufiger am metabolischen Syndrom und am Diabetes mellitus Typ 2 als die anderen Deutschen. Für die regionalen Unterschiede des BMI dürften wohl weniger eventuelle Unterschiede im Lebensstil als unterschiedliche genetische Dispositionen verantwortlich sein. In Sachsen ist möglicherweise eine einzige Person für die schlechten Durchschnittswerte verantwortlich: der stark übergewichtige Kurfürst August der Starke (1670–1733). August hatte zwar nur einen legitimen Sohn, er soll jedoch 267 Kinder gezeugt und im Raum Dresden etwa 50 Familienlinien begründet haben. Laut einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) kann spekuliert werden, dass August der Starke "der Disposition für das metabolische Syndrom in dieser Region spezielle genetische Impulse gab". cae
Quelle: Pressetext DGK 10/2005
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