Regierung rückt dem Übergewicht zu Leibe

BERLIN (ks). Das Bundeskabinett hat am 8. Mai Eckpunkte zur Prävention von Fehlernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht und zusammenhängenden Krankheiten beschlossen. Sie sollen die Grundlage für einen Nationalen Aktionsplan sein, dessen Ziel es ist, bis 2020 das Ernährungs- und Bewegungsverhalten zu verbessern, die Zunahme von Übergewicht bei Kindern zu stoppen und die Verbreitung von Übergewicht zu verringern.
Seehofer und Schmidt legen Eckpunktepapier zu gesunder Ernährung und Bewegung vor

Die Fakten sind alarmierend: In Deutschland sind rund 37 Millionen Erwachsene und zwei Millionen Kinder und Jugendliche übergewichtig oder adipös. Ein Viertel der Erwachsenen leidet unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen einschließlich Bluthochdruck. Rund vier Millionen sind Diabetiker. Jede fünfte Frau und jeder siebte Mann hat chronische Rückenschmerzen. Bei den unter 18-jährigen weist zudem jeder Fünfte Symptome einer Essstörung auf – bei den Mädchen sind es bereits 30 Prozent. Doch einseitige Ernährung und zu wenig Bewegung führen nicht nur zu persönlichem Leid der Betroffenen – sie bedingen auch einen beträchtlichen Anstieg der Gesundheitskosten und belasten die Volkswirtschaft und die Sozialkassen durch vermehrte Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung. Allein Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen hierzulande jährliche Behandlungskosten von 35 Milliarden Euro. Ernährungsmitbedingte Krankheiten machen schätzungsweise 30 Prozent aller Gesundheitskosten aus – sie schlagen mit mehr als 70 Milliarden Euro jährlich zu Buche.

Es gibt also gute Gründe für die Bundesregierung, Fehlernährung und Bewegungsmangel vorzubeugen. Das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Ernährung haben daher Eckpunkte für einen Nationalen Aktionsplan erarbeitet. In diesem wollen die Ministerien konkrete Schritte und Maßnahmen beschreiben, mit denen eine Trendwende erreicht werden kann. Der Plan soll mit den Ländern und Kommunen abgestimmt werden, um auch deren Aktivitäten einzubeziehen. Ernährungsminister Horst Seehofer (CSU) betonte, bei dem Aktionsplan gehe es "nicht um die Bevormundung der Bevölkerung, sondern um Hilfe". Die Regierung plane keine "Olympiade der Verbote", sondern wolle mit Aufklärung und Information eigenverantwortliches Handeln fördern.

Das Eckpunktepapier benennt fünf Handlungsfelder für den Aktionsplan: So soll die öffentliche Hand eine Vorbildfunktion einnehmen. Dazu sollen die Maßnahmen der Bundesregierung, der Länder und Kommunen zur Förderung eines gesunden Lebensstils besser zusammenspielen. Nur so könnten nachhaltige Veränderungen bewirkt werden. Zudem soll die Information über Ernährung und Bewegung intensiviert werden. Die Wissensvermittlung müsse möglichst früh ansetzen und lebenslang fortgesetzt werden. Eltern komme dabei eine besondere Vorbildfunktion zu. Aber auch in Kindergärten und Schulen, am Arbeitsplatz und in Universitäten, in Begegnungsstätten und Seniorenheimen sollen Präventions-Initiativen stattfinden. Das Eckpunktepapier benennt auch die Produktinformation als wichtige Informationsquelle. Die Kennzeichnung von Lebensmitteln müsse dem Informationsbedürfnis in klarer und verständlicher Form Rechnung tragen und vor Täuschung und Irreführung schützen, heißt es dort.

Forschungsimpulse

Ein weiteres Handlungsfeld ist die Förderung der Bewegung im Alltag. Dazu zählen gute Radwege ebenso wie abwechslungsreiche Spielplätze. Weiterhin will die Regierung für eine bessere Qualität der Außerhaus-Verpflegung sorgen. In Gemeinschaftseinrichtungen, aber auch in der Gastronomie könne noch vieles optimiert werden, heißt es in dem Papier. Nicht zuletzt sollen vermehrt Forschungsimpulse gesetzt werden. Zwar sei die Häufigkeit von Fehlernährung, Bewegungsarmut und Übergewicht in Deutschland bereits gut dokumentiert, über ihre Ursachen fehlten jedoch noch Erkenntnisse. Auch die Wirksamkeit der Präventionsansätze sei bislang unzureichend überprüft.

Opposition vermisst klare Aussagen

Die Opposition kritisierte das Eckpunktepapier. Der ernährungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Hans-Michael Goldmann sprach von einem "Zeugnis für die Handlungsunfähigkeit der schwarz-roten Regierung". Dem Papier mangele es an wirklich neuen Ansätzen. So fehlen klare Aussagen etwa zur Verzehrsampel, möglichen Werbeverboten, steuerpolitischen Lenkungsmaßnahmen und der Frage, wer die Pläne letztlich umsetzen soll. Ulrike Höfken, verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen, warf der Regierung vor, die Lage der Epidemie Übergewicht nicht ernst genug zu nehmen: "Statt konkreter Maßnahmen sind nur hehre Worte zu hören". Statt schnell zu handeln, setze die Große Koalition allein auf einen bildungsbedingten Wandel in 20 bis 30 Jahren. Damit riskiere sie, dass die Kosten für die Behandlung ernährungsbedingter Krankheiten explodieren, so Höfken. .

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