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Kind und Apotheke
Arzneiformen bei Kindern richtig anwenden
Die Auswahl der Arzneiform für ein Kind wird von einer Reihe von Faktoren beeinflusst, vor allem:
- vom Alter
- von der Kooperationsbereitschaft von Kind und Eltern
- von individuellen Vorlieben und Abneigungen
- von der Verfügbarkeit kindgerechter Arzneiformen.
Im Folgenden wird ein Überblick über die richtige Anwendung von Oralia, rektalen und nasalen Arzneimitteln, Augenarzneimitteln und Dermatika bei Kindern gegeben. Auf stärker erklärungsbedürftige Arzneiformen wie Inhalatoren oder Insulinpens soll hier wegen des begrenzten Umfangs nicht eingegangen werden, zumal eine Vielzahl von Systemen auf dem Markt ist. Für chronisch kranke Kinder haben sich zahlreiche Schulungsprogramme (siehe Kasten "Training für den Umgang mit Inhalatoren") etabliert, in denen der Umgang mit den entsprechenden Applikatoren trainiert wird.
Die Abgabe eines Arzneimittels für ein Kind sollte in sofort applizierbarer Form mit eindeutigen und vollständigen Hinweisen zur Dosierung, Art und Dauer der Anwendung erfolgen. Antibiotika-Säfte sollten nicht von den Eltern selbst, sondern vom Apothekenpersonal zubereitet werden. In der Praxis hat sich dieser Service noch nicht vollständig durchgesetzt. Zu bedenken ist aber, dass einige Eltern und vor allem viele ausländische Mitbürger mit den Angaben im Beipackzettel nicht zurecht kommen – Unter- oder Überdosierungen sind die Folge.
Lob nicht vergessen!
Kinder sollten immer ein Lob dafür erhalten, wie gut sie die Arznei einnehmen, aber nicht dafür, dass sie sie einnehmen. Orale Medikamente dürfen niemals schlafenden, schreienden oder sich wehrenden Kindern gegeben werden. Erbricht das Kind einige Zeit nach der Arzneimittelgabe, muss überlegt werden, ob und in welchem Umfang die "verlorengegangene" Teilmenge nachdosiert werden soll.
Oralia: Es müssen keine bitteren Pillen sein
Die orale Einnahme von Arzneimitteln bietet auch bei Kindern viele Vorteile: bequeme und schmerzfreie Applikation, Unabhängigkeit vom medizinischen Personal und eine Vielzahl von Darreichungsformen. Es gibt jedoch auch einige Nachteile zu berücksichtigen, wie:
- verminderte Compliance, wenn der Geschmack vom Kind nicht akzeptiert wird
- Reizung der Magenschleimhaut, ggf. Übelkeit oder Erbrechen
- relativ langer Zeitraum bis zur Resorption – Wechselwirkungen mit Nahrungsbestandteilen oder anderen Arzneimitteln sind möglich.
Um das Geschmacksproblem zu lösen, eignen sich für die meisten Oralia als "Träger" Sirup, Marmelade, Obstmus oder Nuss-Nougat-Creme. Honig dagegen ist für Kinder unter einem Jahr wegen des möglichen Gehalts von Clostridium-botulinum-Sporen nicht geeignet. Bei der Beratung müssen kulturelle Besonderheiten mit entsprechenden kulinarischen Vorlieben oder Abneigungen berücksichtigt werden. Arzneistoffe sollten nicht mit Grundnahrungsmitteln gemischt werden, da das Kind eine Abneigung dagegen entwickeln könnte.
Bei der Verdünnung flüssiger Oralia sollte die geringstmögliche Menge Flüssigkeit verwendet werden, damit das Kind die gesamte Dosis zu sich nimmt. Bei Säuglingen sollte daher das Arzneimittel nicht in die Flaschennahrung gegeben werden, da man sich dann nicht sicher sein kann, dass das Kind die gesamte Portion austrinkt.
Besonderheiten der verschiedenen Altersgruppen
Neugeborene und Säuglinge werden zur Gabe wie in der Abbildung dargestellt gehalten. So kann eine Aspiration oder ein Herausrinnen der Flüssigkeit aus dem Mund vermieden werden. Die Flüssigkeit soll in kleinen Mengen (0,5 bis 1 ml) auf die Wangeninnenfläche gegeben werden. Alternativ kann zur Applikation flüssiger Oralia eine Oralspritze (Bezugsquelle: www.baxa.com) zum Einsatz kommen.
Gut lösliche Tabletten (z. B. Fluorid-Tabletten) können in einigen Tropfen Wasser gelöst und mit einem kleinen Löffel appliziert werden. Um das Schlucken zu erleichtern, kann die Außenseite des Halses sanft abwärts gestreichelt werden.
Kleinkindern können flüssige Arzneiformen aus einem Becher oder von einem Löffel gegeben werden. In dieser Altersgruppe helfen Rituale z. B. immer den Lieblingslöffel benutzen. Falls das Kind dazu in der Lage ist, kann die Einnahme auch schon selbstständig – unter Aufsicht – aus einem Becher erfolgen. Ein Arzneimittel darf niemals als "Süßigkeit" bezeichnet werden.
Vorschulkinder sind in der Regel kooperativer und Argumenten zugänglicher wie "die Medizin hilft dir schnell wieder gesund zu werden" oder "der schlechte Geschmack dauert nur eine Minute". Ein Schluck Wasser oder das Lieblingsgetränk danach helfen, den schlechten Geschmack wegzuspülen. Wenn das Kind dies selbst tun kann, hilft es ihm, die Kontrolle über die Situation zu behalten.
Schulkinder sind meist gut in der Lage, feste Arzneiformen einzunehmen. Bei Tabletten sollte das Kind zunächst den Mund mit etwas Wasser oder Lieblingsgetränk (keine Milch!) anfeuchten, dann die Tablette möglichst weit hinten auf die Zunge geben und mit einem weiteren Schluck Flüssigkeit schlucken.
Flüssige Oralia lassen sich einfacher schlucken
Bei der Auswahl flüssiger Oralia bei Kindern sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:
• Enthält die Arzneiform Alkohol? Ist eine langfristige oder Dauergabe eines alkoholhaltigen Präparats geplant, sollte die Verfügbarkeit alkoholfreier Alternativen geprüft werden.
• Wie hoch ist der Gehalt an Zucker oder Zuckeraustauschstoffen?
Präparate mit einem hohen Gehalt an Saccharose, Glucose oder Fructose sind kariogen. Die Einnahme von Zubereitungen mit hohem Sorbitolgehalt kann bei empfindlichen Patienten zu Bauchschmerzen und Durchfällen führen. Fructose und Sorbitol sind bei Patienten mit Fructose-Intoleranz kontraindiziert.
Einige flüssige Oralia (z. B. Multibionta® Tropfen, Moronal® Suspension) besitzen eine hohe Osmolarität und können deshalb besonders leicht gastrointestinale Beschwerden hervorrufen. Sie sollten vor der Gabe verdünnt werden.
Liegt dem Präparat eine Dosierhilfe bei, sollte auf diese bei der Abgabe verwiesen werden. Dosierhilfen dürfen nur für das Präparat eingesetzt werden, dem sie beigelegt sind. Herkömmliche Haushaltslöffel sind zum exakten Dosieren ungeeignet, da sie in den Volumina stark voneinander abweichen können. So wurden beispielsweise bei Untersuchungen mit verschiedenen Teelöffeln Volumina zwischen 2,5 und 9,7 ml gemessen.
Tropfen dürfen nicht in andere Behältnisse umgefüllt werden, da eine exakte Dosierung nur mit der vom Hersteller vorgesehenen Tropfvorrichtung möglich ist. Tropfflaschen können mit Rand-oder Zentraltropfer versehen sein, entsprechend unterschiedlich sind die Flaschen beim Dosieren zu halten, was bei der Abgabe erläutert werden sollte.
Auf Parenteralia ausweichen
Falls keine flüssige Darreichungsform auf dem Markt ist, können manchmal auch Parenteralia oral eingesetzt werden. Hierbei ist Folgendes zu beachten:
• Einige parenterale Zubereitungen eignen sich nicht für eine orale Gabe oder sind auf diesem Wege wirkungslos, (z. B. Unacid® , Antra® pro infusione).
• Manche Hilfsstoffe (z. B. Benzylalkohol) in Parenteralia reizen die Magen- und Darmschleimhaut oder sind zur Anwendung bei Kindern ungeeignet.
Feste Oralia
Feste Oralia bieten zwar für die Einnahme viele Vorteile, sind aber häufig nicht in kindgerechter Dosierung als Fertigarzneimittel auf dem Markt (siehe Fallbeispiel). Zwar können eine Reihe von Tabletten für den Einsatz bei Kindern geteilt werden; dies gilt jedoch nicht für die meisten Retardfomulierungen und magensaftresistente Arzneiformen. Auch nicht jede Tablette mit Bruchrille eignet sich zur Zerteilung.
Beim Auftreten von Problemen bieten sich – nach Rücksprache mit dem Arzt – folgende Auswege an:
- Auswahl einer anderen Darreichungsform, falls vorhanden.
- rezepturmäßige Bearbeitung Geeignet sind hierfür Hartgelatine-Steckkapseln, die von den Eltern vor der Anwendung geöffnet werden.
- Einsatz eines anderen Wirkstoffs, der in geeigneter Darreichungsform verfügbar ist.
Rektale Arzneiformen
Ist die orale Gabe eines Arzneistoffes nicht möglich oder sehr schwierig, so werden in der Pädiatrie häufig rektale Arzneiformen eingesetzt. Die Anwendung kann jedoch auch problematisch sein, da Kinder die Gabe als "Angriff von hinten" empfinden und sich entsprechend wehren. Dem Kind sollte daher altersgerecht der Grund und die Art und Weise der Gabe erläutert werden. Gegebenenfalls kann es zur "Mithilfe" z. B. durch Stillhalten, richtiges Hinlegen oder Einatmen ermuntert werden.
Vorgehensweise:
- Kind auf die Seite legen lassen, das obere Bein anwinkeln, sodass der Rektalbereich gut sichtbar ist.
- Das Kind mit einer Decke zudecken.
- Das Zäpfchen mit Wasser oder einem wasserlöslichen Gel befeuchten.
- Den externen Analsphinkter vorsichtig dehnen, bei Kindern unter drei Jahren dazu den kleinen Finger, bei älteren Kindern den Zeigefinger benutzen.
- Das Kind tief einatmen lassen (entspannt zusätzlich den externen Sphinkter und gibt dem Kind das Gefühl, aktiv mitwirken zu können).
- Das Zäpfchen sanft hinter den inneren Sphinkter schieben. Die Pobacken solange zusammenhalten, bis das Bedürfnis des Kindes, das Zäpfchen wieder hinauszuschieben, verschwindet.
Arzneimittel zur Anwendung am Auge
Die Anwendung von Augentropfen oder -salben empfinden Kinder meist als sehr unangenehm. Sie sollten daher besonders liebevoll darauf vorbereitet werden. Damit können die Eltern auch die Verletzungsgefahr während der Applikation vermindern und ein Ausfließen des Arzneimittels durch Weinen vermeiden. Säuglinge und Kleinkinder sollten während der Applikation auf den Rücken gelegt werden. Es empfiehlt sich unter Zuhilfenahme eines Kissens den Nacken etwas zu überstrecken. Ältere Kinder können im Sitzen den Kopf in den Nacken legen. Das Unterlid wird dann vorsichtig heruntergezogen und der Tropfen in den Bindehautsack gegeben. Alternativ kann das Unterlid unterhalb der Wimpern vorsichtig ein wenig nach vorn gezogen werden, sodass eine Art "Tasche" entsteht, die den Tropfen aufnimmt. Während das Lid vorsichtig in die ursprüngliche Position gebracht wird, kann man das Kind animieren, nach hinten zu schauen. Danach sollte es die Augen sanft schließen, möglichst ohne dabei heftig zu blinzeln oder zu zwinkern, da dies den Abtransport des Arzneimittels über den Tränen-Nasen-Kanal beschleunigt. Sinnvoll ist es, das Auge unter dem geschlossenen Lid zur Verteilung des Arzneistoffs vorsichtig zu bewegen. Empfehlenswert ist es auch, sanft auf die Innenseite des Auges zu drücken, um ein sofortiges Abfließen über den Tränen-Nasen-Kanal zu verhindern und das Arzneimittel zu verteilen. Augensalben werden nach vorsichtigem Herunterziehen des Unterlids behutsam in den Unterlidsack gegeben. Danach sollte das Auge einige Minuten geschlossen bleiben.
In der Beratung bei der Abgabe von Augenarzneimitteln sind die Eltern besonders darauf hinzuweisen, dass die Tropferspitze bzw. bei Augensalben die Tüllenspitze nicht mit Augen oder Wimpern in Berührung kommen darf.
Nasentropfen und -sprays
Die Applikation von Nasentropfen ist für Kinder vor allem deswegen unangenehm, weil durch die Verbindung der Nase mit Mund- und Rachenraum ein unangenehmer Geschmack oder ein unangenehmes Kitzeln im Hals auftreten kann, auch Schwierigkeiten beim Atmen sind möglich. Nasentropfen werden überwiegend bei Säuglingen eingesetzt, Nasensprays bei älteren Kindern. Ölige Tropfen sollten bei Kleinkindern möglichst nicht angewendet werden, da hier die Gefahr einer Lipidpneumonie besteht.
Vorgehensweise:
- Vor der Anwendung die Nase sanft von Sekret befreien.
- Kleine Kinder in Rückenlage auf einen Arm legen, wobei der Kopf etwas zurückfallen sollte.
- Die Arme des Kindes werden mit einer Hand sanft festgehalten, mit der anderen Hand werden die Tropfen verabreicht.
- Ältere Kinder sollten im Sitzen den Kopf in den Nacken legen. Ein Nasenloch wird zugehalten; in dem Moment, indem das Spray in das andere Nasenloch gesprüht wird, soll durch die Nase eingeatmet werden. Dies kann dadurch unterstützt werden, dass man gemeinsam bis 3 zählt.
- Auch bei Nasentropfen sollte die Tropferspitze Nase oder Nasenschleimhaut möglichst nicht berühren.
- Kindern im Schulalter kann bereits vermittelt werden, dass längerfristiger Gebrauch von (abschwellenden) Nasensprays zur Gewöhnung führt.
Werden Nasentropfen verabreicht, so ist das in der Regel ein sauberer, aber bei Weitem kein aseptischer Vorgang. Daher sollten auch nasale Arzneimittel aus hygienischen Gründen nur für einen Patienten benutzt werden. Die Eltern können darauf hingewiesen werden, dass sie bei der Anwendung möglichst nicht mit der Spitze des Tropfers oder des Sprays die Nasenschleimhaut berühren sollten. Gegebenenfalls im Tropfer verbliebene Reste des Medikaments sollten verworfen und der Tropfer gesäubert werden, bevor er in den Arzneibehälter zurückgegeben wird.
Ohrenarzneimittel
Ohrentropfen oder -spüllösungen werden heute nur noch selten empfohlen. Bei Kleinkindern sollte von einer Anwendung im Rahmen der Selbstmedikation (siehe Kasten Fallbeispiel) abgeraten und stattdessen ein schnellstmöglicher Arztbesuch empfohlen werden.
Falls Ohrentropfen verabreicht werden müssen, erleichtern folgende Maßnahmen die Applikation:
- zur Vorbeugung von Übelkeit und Schwindel die Tropfflasche (z. B. in der geschlossenen Hand) auf Körpertemperatur erwärmen;
- das Kind in Seitenlage (mit dem betroffenen Ohr nach oben) legen;
- falls nötig, den äußeren Bereich des Ohres reinigen;
- Bei Kindern unter drei Jahren ist der Gehörgang knorpelig und gerade: Zur Anwendung der Tropfen das Ohrläppchen gleichzeitig nach unten und hinten ziehen.
- Kinder über drei Jahre besitzen einen eher verwinkelten und ossifizierten Gehörgang. Bei ihnen sollte das Ohr vor der Applikation nach oben und hinten gezogen werden.
- Nachdem die Tropfen in Richtig des Ohrkanals verabreicht wurden, sollte das Kind noch einige Minuten auf der Seite liegen, damit die Flüssigkeit zum Trommelfell vordringen kann. Anschließend kann ein sanft in das äußere Ohr eingeführtes Wattebällchen das Herauslaufen des Arzneimittels verhindern.
Dermatika: Vorsicht bei vorgeschädigter Haut
Dermatika stehen in zahlreichen Darreichungsformen zur Verfügung, die es ermöglichen, Wirkstoffe lokal auf Haut oder Schleimhäute aufzubringen. Es empfiehlt sich, Lotionen oder Flüssigkeiten möglichst auf Watte oder einen Baumwoll-Tupfer zu geben und die betroffene Stelle damit vorsichtig zu betupfen. Salben, Gele und Cremes können mit den Fingerspitzen oder einem Applikator vorsichtig aufgestrichen werden. Um eine Follikulitis zu vermeiden, sollte dies in Richtung des Haarwuchses erfolgen. Arzneimittel aus Tuben sollten nicht direkt auf die Haut gegeben, sondern auf einen Applikator oder Tupfer gedrückt und dann auf die Haut aufgetragen werden, Arzneimittel aus Kruken werden am besten mit einem Applikator entnommen. Kinder mit verletzter oder geschädigter Haut können vor weiterer Schädigung bewahrt werden, indem die Finger- und Zehennägel kurz gehalten werden. Um unbewusstes Kratzen zu vermeiden, können zum Schlafen weiche Schutzhandschuhe übergezogen oder bei Babys die Ärmel des Stramplers zugenäht werden.
QuelleBruhn, C.; Frey, O.; Wagner, R.: Das Kind in der Apotheke. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart (2006).Anschrift der Verfasserin:Dr. Claudia BruhnAhornstr. 8 12163 Berlin
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