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DAZ aktuell
Rabattverträge
Hier gilt das Vergaberecht
BONN (hb). Am 9. Mai 2007 hat die 1. Vergabekammer des Bundes (VK Bund) des Bundeskartellamts entschieden, dass gesetzliche Krankenkassen öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB sind und dass damit das Vergaberecht des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Anwendung findet. Da die Pharmaindustrie mit dieser Rechtsmaterie in der Regel wenig in Berührung kommt, lud der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) seine Mitglieder am 30. Mai 2007 nach Bonn zu einer Informationsveranstaltung ein.
Seit die Wirksamkeit der Rabattverträge durch die im GKV-WSG zum 1. April 2007 eingeführte zwingende "Vorfahrt" für rabattbegünstigte Arzneimittel im Rahmen der Aut-idem-Substitution "verbessert" worden ist (siehe auch nebenstehenden Kasten und DAZ 2007, Nr. 22, S. 48 ff.), haben diese einen intensiven Vertragswettbewerb ausgelöst. Besondere Regelungen für die Vertragsgestaltung gab es bislang nicht. Die Vergabe erfolgte für die Hersteller eher "undurchsichtig". Nachdem das Bundeskartellamt jedoch kürzlich entschieden hat, dass auf solche Verträge das GWB-Vergaberecht Anwendung findet, werden die Karten im Wettbewerb "neu gemischt".
Um diese spezielle Rechtsmaterie transparent zu machen, hat der BAH zusammen mit einer auf das Wettbewerbs- und Vergaberecht spezialisierten Anwaltskanzlei einen komprimierten Leitfaden über die rechtlichen Grundlagen und die faktischen Probleme bei der Teilnahme pharmazeutischer Unternehmen an den Verfahren zur Vergabe von Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V durch gesetzliche Krankenkassen erstellt. Einer der Mitautoren, Rechtsanwalt Arnold Boesen, Bonn, erläuterte bei der Veranstaltung die Grundzüge des Vergaberechts und diskutierte einzelne Fragestellungen mit der interessierten Industrie. So sind Verträge, die ohne Anwendung des Vergaberechts geschlossen werden, laut Boesen nichtig.
Aufteilung der Ausschreibung in Lose
Schon an die Ausschreibung sind spezielle Anforderungen zu stellen. So muss die Leistungsbeschreibung klar umrissen sein. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Leistung zum Schutz des Mittelstandes in Lose zu zerlegen. In Betracht kommt die Aufteilung nach Mengen (Teillose) oder in Fachlose. Sie muss dokumentiert begründet sein. Ist der Leistungsumfang zu groß für ein Unternehmen, so können mehrere Unternehmen als Bietergemeinschaften ein gemeinsames Angebot abgeben, oder es kann ein Subunternehmer beauftragt werden.
Wer bieten will, muss seine Eignung nachweisen. Bei der Angabe des Angebots müssen diverse Angaben gemacht und Erklärungen abgegeben werden. Zudem muss ein Eignungsnachweis erbracht werden. Hiermit soll der Auftraggeber, das heißt die Krankenkasse, überprüfen können, ob der Auftragnehmer die zur Ausführung der Leistung erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzt.
Verstöße und Schadensersatz
Sieht ein Unternehmen die Vorgaben des Vergaberechts verletzt, so geht der Rechtsweg über die Vergabekammern. Im Vergaberecht besteht ein Sonderrechtsschutz, der bereits vor Abschluss eines Vertrages angewendet wird. Wichtig ist, dass anfechtbare Vorgänge unverzüglich gerügt werden. Ob die Rüge berechtigt ist, wird im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens festgestellt. In dieser Zeit kann die Krankenkasse keinen Zuschlag erteilen.
Etwaige Schadensersatzansprüche kann ein Bieter entweder als Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Angebotserstellung oder die Teilnahme am Vergabeverfahren (sog. negatives Interesse) geltend machen, wenn er ohne den begangenen Fehler eine "echte Chance" gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten, die aber durch den Rechtsverstoß beeinträchtigt wurde, oder als Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns (sog. positives Interesse), wenn er ohne den Vergabefehler den Zuschlag hätte erhalten müssen und der Auftrag tatsächlich an einen Dritten vergeben worden ist.
Lawine losgetreten
Mit der Anwendung des Vergaberechts auf die Rabattvereinbarungen der GKV wird, so sehen es sowohl Boesen als auch der BAH-Vorsitzende Hans-Georg Hoffmann einmütig, eine neue Ära eingeläutet. "Hiermit wird eine Lawine losgetreten, von der nicht absehbar ist, wo sie zum Stehen kommt, vor allem, wenn es irgendwann zu europaweiten Ausschreibungen kommen sollte", sagte Boesen. Die pharmazeutische Industrie müsse eben lernen, so Hoffmann, dass damit allgemeine Marktmechanismen nun auch Einzug in den Arzneimittelmarkt halten. Ob Preisverhandlungen die bessere Alternative sind, ist aus der Sicht des BAH-Vorsitzenden fraglich. Boesen hält es allerdings auch nicht für ausgeschlossen, dass die Krankenkassen den § 130 Abs. 8 SGB V nunmehr weitgehend außer acht lassen, um dem komplexen Vergaberecht aus dem Weg zu gehen.
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