Arzneimittel und Therapie

Mit den Fingern auf der Suche nach Kropf und Knoten

Drei von vier sonographisch bestätigten Vergrößerungen der Schilddrüse lassen sich allein schon durch Palpation aufdecken. Deshalb eignet sich der Tastbefund hervorragend als Screening-Instrument in der ärztlichen Praxis. Auch Ärzte, die sich nicht gerade tagein, tagaus mit der Schilddrüse beschäftigen, können mit der einfachen und kostengünstigen Methode viel zur Aufdeckung der hohen Dunkelziffer an Schilddrüsenanomalien beitragen. Dazu brauchen sie nur ihre Hände und müssen nicht einmal die apparative Diagnostik vorhalten.

Einer Befragung zur Schilddrüsenwoche 2007 zufolge sehen das die meisten Teilnehmer genauso. Während nur etwas mehr als 40% aller Ärzte vor der Aufklärungsaktion die Palpation überhaupt in Erwägung zog, stieg die Akzeptanz der klassischen Diagnosemethode danach spürbar an. Mehr als 60% der Mediziner, die sich tatkräftig und handgreiflich an der Aktionswoche beteiligt hatten, nannten schließlich in der Befragung danach den Tastbefund als einen der ersten drei Diagnoseschritte. Nicht zuletzt dieser Erfolg ermunterte die Organisatoren zu einer Neuauflage der Schilddrüsenwoche in diesem Frühjahr. An der Schilddrüsenwoche 2008, die bundesweit vom 21. bis 28. April stattfindet, sind neben 5000 Arztpraxen erstmals auch 1000 Apotheken beteiligt.

Einem auffälligen Palpationsbefund sollte sich eine Sonographie zur weiteren Abklärung anschließen. Zuvor kann jedoch auch mit einer einfachen und sehr zuverlässigen Laboruntersuchung eine Fehlfunktion des Organs ausgeschlossen werden. Die Bestimmung des Thyroidea stimulierenden Hormons (TSH) zeigt dabei eine Unterfunktion an, wenn TSH-Werte über 4 mU/l gemessen werden. Liegen die Werte unter 0,4 mU/l, so verweist die verminderte Ausschüttung des regulatorischen Hormons aus der Hirnanhangdrüse auf eine Schilddrüsenüberfunktion. Ein TSH-Wert im mittleren Normbereich indes schließt eine Funktionsstörung zu 99% aus.

Warnung vor "Präparate-Hopping"

Eine Kontrolle der TSH-Werte kann neuerdings auch aus einem ganz anderen Grund notwendig werden. Mit der Einführung des GKV-Wettbewerbs-Stärkungsgesetzes müssen Apotheken nämlich rabattierte Arzneimittel abgeben, wenn die Krankenkasse des Patienten einen Rabattvertrag mit einem (Generika-)- Hersteller abgeschlossen hat. Das kann bei dem Schilddrüsenpräparat Levothyroxin zu Problemen führen. Denn die verschiedenen L-Thyroxin-Präparate unterscheiden sich nicht unerheblich hinsichtlich ihrer Bioverfügbarkeit. Das liegt insbesondere daran, dass es sich bei Levothyroxin um ein chemisch nicht sehr stabiles Hormon handelt. Die Stabilität hängt von Temperatur und Luft, Licht und Feuchtigkeit ab. Und die Resorption im Darm wird durch Zusatz- und Hilfsstoffe in den Präparaten beeinflusst.

L-Thyroxin: Aut idem ausschließen!

Da Schilddrüsenhormone auf der anderen Seite Medikamente mit geringer therapeutischer Breite sind, kann man bei verschiedenen L-Thyroxin-Präparaten keineswegs von ihrer Austauschbarkeit ausgehen. Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat deshalb schon vor zehn Jahren beschlossen, alle Levothyroxin-Zubereitungen wie völlig neue Medikamente einzustufen und dem kompletten Zulassungsprozess zu unterziehen. In Deutschland sind die Überprüfungen der Generika zwar nicht so streng. Das bedeutet aber auch eine geringere Sicherheit hinsichtlich der Bioäquivalenz der galenisch unterschiedlichen Zubereitungen. Da Variationen der Bioverfügbarkeit von 80 bis 125% erlaubt sind, können sich zwei Präparate in ihrer Wirksamkeit also um mehr als die Hälfte unterscheiden. Deshalb muss bei einem Präparatewechsel die Wirksamkeit der Therapie mit TSH-Kontrollen nachgewiesen werden. Dieser Aufwand konterkariert freilich die Einsparungen bei der Verwendung rabattierter Präparate, die sich ohnehin nur in der Größenordnung von insgesamt nicht einmal zwei Euro pro Jahr bewegen. Mediziner raten vor diesem Hintergrund dringend von einem "Präparate-Hopping" ab, zumal falsche Dosierungen von Levothyroxin zu gravierenden Nebenwirkungen auf Herz, Skelettsystem und Psyche führen können. Empfohlen wird vielmehr, die Option "Aut idem" auf dem Rezept deutlich mit einem Kreuz durchzustreichen, um einen Austausch von L-Thyroxin-Zubereitungen erst gar nicht zuzulassen.

Zum Weiterlesen

Austausch von wirkstoffgleichen Präparaten.

Levothyroxin: Präparate-Hopping mit Folgen.

DAZ 2007, Nr. 41, S. 42–47.

 

 

 

Quelle

Prof. Dr. Martin Grußendorf, Stuttgart; Prof. Dr. Christoph Reiners, Würzburg: Fachpressegespräch "Die Schilddrüsenwoche 2008: Kropf und Knoten im Blick – Operationen vermeiden", 1. Februar 2008, Königstein-Falkenstein, veranstaltet von der sanofi-aventis Deutschland GmbH, Berlin. 

 


Martin Wiehl, freier Medizinjournalist

 

 

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