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DAZ aktuell
Nach dem Urteil offensiv positioniert
Ströh: Das Urteil gibt uns Rechtssicherheit, aber keine Planungssicherheit. Ich teile die Auffassung der ABDA, dass unsere Zukunft pharmazeutisch entschieden wird. Doch dazu gehören marktrealistische Angebote. Bei dem Urteil hat uns die qualitative Hürde der pharmazeutischen Kernkompetenz gerettet, aber wir müssen aufpassen, dass wir jetzt nicht nur pharmazeutische Sprechblasen produzieren. Wo Apotheke draufsteht, muss auch ein echter Apotheker dahinter stehen.
Simons: Die ABDA hat sich im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit sehr professionell verhalten. Das größte Problem wird in Zukunft die betriebswirtschaftliche Seite, denn der Großhandelsrabatt könnte nach der AMG-Novelle gekappt werden. Ich kann aber keine Qualität erzeugen ohne positives Betriebsergebnis.
DAZ: Welche Entwicklungen für die Apotheken erwarten Sie?Ströh: Ich vermute, dass der Rx-Versand und die Pick-up-Stellen bleiben werden. Die AOK-Rabattverträge und weitere Anforderungen im Rahmen der neuen Apothekenbetriebsordnung werden die Handlungskosten erhöhen. Beim Großhandelsrabatt erwarte ich eher einen variablen Anteil von zwei Prozent als drei Prozent. Das alles schafft ein hohes Veränderungspotenzial und es wird wirtschaftlich durchschlagen. Die Treuhand erwartet Einbußen von 20.000 Euro pro Jahr für die Durchschnittsapotheke. Das fürchte ich auch. Durch die Rabattverträge ist aus der Apotheke eine VAA geworden, eine Vertragsarzneimittelabgabestelle. Den neuen Vertrag mit der AOK Bayern zur Honorierung für die Abgabe von Rabattarzneimitteln finde ich bemerkenswert.
Simons: Celesio hat angekündigt, dass seine DocMorris-Apotheken im Marketing an erster Stelle stehen wollen. DocMorris wird sehr aktiv werden. Davor habe ich Respekt. Wenn wir die Milliarden von Celesio ausgleichen wollen, müssen wir uns einiges einfallen lassen, um mit unserem inhabergeführten Kooperationsmodell erfolgreich zu sein. Und Sie können sicher sein, das werden wir.
DAZ: Auch bei Linda gibt es Neuigkeiten. Sie gründen eine AG. Welchen Vorteil soll dies gegenüber dem bisherigen Konzept bieten?Ströh: Die Linda AG ist die zeitgemäße und konsequente Weiterentwicklung des MVDA. Im Vergleich zum Verein werden die Entscheidungswege kürzer, wir können schneller und marktgerechter agieren.
Simons: Die AG muss das Ohr am Markt haben und schnell Entscheidungen treffen und handeln können. Das ist der Vorteil eines selbstständigen Unternehmens. Dann erhalten alle Mitglieder ein Angebot, dass sie annehmen können oder nicht. Dabei sollte Leistung belohnt werden. Ich kann mir ein Punktesystem vorstellen, bei dem die Apotheken für die Umsetzung gemeinsamer Maßnahmen Punkte erhalten. Für diese Punkte könnte die AG Beitragsreduzierungen bis auf null gewähren, um einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen.
DAZ: Die Gratwanderung zwischen Verbindlichkeit und Eigenständigkeit ist ein Problem für viele Kooperationen. Könnte die höhere Geschwindigkeit der AG zu einem Nachteil werden?Ströh: Wir sind den gelassenen mühsamen Weg der Überzeugung gegangen. Bei der Delegiertenversammlung hat keiner der Anwesenden gegen die Gründung der AG gestimmt. Wir haben und brauchen einen langen Atem. Die Linda AG wird auch im gesundheitspolitischen Bereich wahrnehmbarer sein.
Simons: Alle Mitglieder können nicht immer gleicher Meinung sein. Doch wir haben Mentoren und Workshops. Dort erhalten wir immer wieder das Feedback der Mitglieder. Auch in der AG wird der MVDA weiter die Richtlinien vorgeben, und der MVDA hält alle Aktien der AG.
DAZ: Welchen Zweck sollen die geplanten Genussrechte erfüllen?Simons: Nur Mitglieder des MVDA können Genussrechte erwerben. Die Verzinsung liegt noch nicht fest. Die Genussrechte sollen den Apothekern eine zusätzliche Rendite einbringen und die emotionale Bindung an den MVDA stärken.
DAZ: Gibt es eine bestimmte Maßnahme, die Sie mit der AG schnell verwirklichen wollen? Wie stehen Sie zu Eigenmarken und zu Franchise?Ströh: Es gab kein Auslösungsgen für solche Maßnahmen.
Simons: Wir hatten einen Entwurf für eine Eigenmarke, haben dies aber zurückgestellt. So einfach sollte man nicht gegen seine eigenen Marketingpartner aus der Industrie operieren. Und Franchise wollen wir nicht. Franchise ist eine Tretmühle. Franchisenehmer sind nicht mehr Herr ihrer Offizin.
DAZ: Der EuGH hat das Konzept der inhabergeführten Apotheke deutlich gestärkt. Welche Vorteile kann Linda und ganz allgemein eine Kooperation mit einer Dachmarke jetzt noch bieten?Simons: Linda bietet alles, was eine Apotheke braucht, um am Markt bestehen zu können – und dies zu günstigsten Preisen. Der Apotheker allein entscheidet, ob und in welcher Intensität er mitmacht. Beispielsweise das Diabetes-Konzept nutzen alle Mitglieder irgendwie, aber nicht alle auf der höchsten Stufe. Oder Payback: Das ist ein besseres Kundenbindungsinstrument als irgendwelche Taler. Und die Dachmarke soll vom Kunden gesehen werden. Wenn wir als Individualapotheken bestehen wollen, geht das nur mit einer für die Kunden erlebbaren Qualität in der Apotheke.
Ströh: Unser Angebot ist wie ein Buffet, bei dem jeder auswählt, zum Beispiel Flyer, SpaRezept, Diabetes-Flyer und das zentrale elektronische QMS. Dort können Neuerungen leicht eingepflegt und am Computer kontrolliert werden. Und die Zertifizierung durch die BAGSO, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen. Das ist ein schlafender Riese mit 14 Millionen Mitgliedern. Jedes Jahr kommt ein Pseudo Customer der BAGSO in meine Apotheke und prüft, ob sie auf die Bedürfnisse der Generation 65plus eingestellt ist. Dafür gibt es eine Note wie in der Schule. Das hat auch mir schon ein wichtiges Feedback gegeben.
DAZ: Vorgaben zum Qualitätsmanagement und zu Pseudo-Customer-Besuchen werden vielfach kritisch gesehen.Simons: Wir streben nach gleichförmiger Qualität. Hundertprozentige Erfüllung kann es nie geben, aber durch das Streben steigt die Gesamtqualität.
DAZ: Welche Beziehung besteht zwischen dem Großhändler Phoenix einerseits und dem MVDA und Linda andererseits? Welchen Einfluss könnte ein Verkauf von Phoenix haben? Wem gehört die Marke Linda?Ströh: Phoenix ist unser Logistikpartner. Ein potenzieller Käufer von Phoenix könnte eine andere Vorstellung haben, aber er wird nicht die erfolgreiche Zusammenarbeit mit über 3000 Apotheken zur Disposition stellen.
Simons: Entscheidend ist: Es gibt keine finanziellen Anteile von Phoenix am MVDA. Auch die Marke Linda gehört zu 100 Prozent dem MVDA.
DAZ: Wir sprechen bisher über die Innensicht der Apotheker. Wie soll die Marke beim Kunden ankommen? Wie bekannt ist Linda?Ströh: Die Linda-Apotheke wird professionell inszeniert und die Qualität ist erlebbar. Wir wollen Kompetenz mit strahlenden Augen rüberbringen. Dazu gehört ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Meine Mitarbeiter melden sich am Telefon mit "Linda-Apotheke Belvedere". Unsere Kundenzeitung hat inzwischen eine Auflage von monatlich über einer Million.
Simons: Linda ist mit weitem Abstand die bekannteste Dachmarke inhabergeführter Apotheken und wird vom Kunden sehr gut angenommen. Das sehen wir in allen Marktuntersuchungen und an den Reaktionen der Kunden.
DAZ: Was soll ein Mitarbeiter sagen, wenn ein Kunde fragt, was Linda für ihn bedeutet?Ströh: Wir sind ein bekennendes Mitglied der Linda-Apothekengruppe, das bedeutet für uns ein Gütesiegel und eine serviceorientierte Organisation. Als Vorteile für die Kunden bieten wir viele fachliche Leistungen, erlebbare Qualität und Service. Linda ist ein Kümmerer auf jeder Ebene, emotional, fachlich und durch preiswürdiges Auftreten.
Simons: Es gibt nicht den einen Punkt, denn es gibt auch nicht den einen Kunden. Entscheidend ist der gesamte Marktauftritt. Es geht um die komplette Versorgung und Betreuung der Patienten. Einen einzigen Punkt gibt es nur bei denen, die einfach nur billig sein wollen.
DAZ: Mit diesen Argumenten stehen Sie nicht alleine. Das wollen auch andere Kooperationen und viele unabhängige Apotheker ohne Kooperation.Simons: Wir sind nicht gegen irgendjemanden, sondern für unsere Apotheken. Wir haben auch nie gegen die offizielle Standespolitik gehandelt. Es ist noch Platz für andere da, die werden sich auch entwickeln. Wir sind auch in Gesprächen mit anderen Kooperationen. Einige haben die gleiche Philosophie wie wir. In einem wettbewerbsintensiven Umfeld hat eine große und starke Gemeinschaft aber größere Chancen als ein Einzelkämpfer.
Ströh: Das ist Vielfalt statt Einfalt. Wir haben Wettbewerb.
DAZ: Für den Beitritt zu einer Kooperation ist das Argument der Versicherung gegen ein plötzliches Kettenszenario durch das Urteil entfallen. Erwarten Sie daraufhin ein vermindertes Interesse an Kooperationen?Simons: Bei uns gab es nach dem Urteil keine Austritte, und die Herausforderungen des Marktes werden weiter wachsen. Der entscheidende Maßstab für unseren Erfolg sind die Zahlen. Wir sind ein Langstreckenplayer und haben 47 Marketingpartner aus der Industrie. Die würden nicht langfristig bei uns bleiben, wenn es nicht erfolgreich wäre. Das gilt auch für die Mitglieder, denn bei uns kann man mit vier Wochen Kündigungsfrist austreten. Linda-Apotheken sind im Durchschnitt erfolgreicher als MVDA-Mitglieder und die sind erfolgreicher als der Durchschnitt aller Apotheken.
DAZ: Was ist Ihre Vision für Linda in drei Jahren?Ströh: Das Urteil hat uns Durchschlagskraft gegeben. Wir haben die Chance, den Heilberuf Apotheker für Kunden und Politiker erlebbarer zu machen. Unser Ziel ist, die inhabergeführte Apotheke zukunftsfähig zu halten.
Simons: Wir sind jetzt und in drei Jahren ein fester Bestandteil der Apothekenlandschaft in Deutschland.
DAZ: Herr Simons, Herr Ströh, vielen Dank für das Gespräch.
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