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"Wir sehen uns gestärkt, weiter für die Freiberuflichkeit zu kämpfen"

(ks). Am 16. Dezember hat der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Yves Bot, im Verfahren zum deutschen Fremdbesitzverbot für Apotheken seine Schlussanträge gestellt. Darin kommt er zu dem Ergebnis, dass die bestehenden nationalen Vorschriften aus Gründen des Gesundheitsschutzes mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Die DAZ sprach wenige Tage später mit dem gesundheitspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Bahr, über dieses Votum. Bahr verteidigte im Interview zudem erneut die Pläne der FDP, zwar Pick-up-Stellen für Arzneimittel unterbinden zu wollen, nicht aber den Versandhandel mit nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

DAZ Sind Sie überrascht über das klare Votum des EuGH-Generalanwaltes?

Bahr: Nach der Berichterstattung in den zurückliegenden Monaten hatte man den Eindruck, die vermeintlichen Insider seien sich sehr sicher, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot gekippt wird. Der Generalanwalt hat aber erfreulicherweise sehr deutlich und klar dargestellt, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot in Deutschland gerechtfertigt bleibt. Diese Klarheit haben selbst wir als Befürworter des Fremd- und Mehrbesitzverbots nicht erwartet. Ich freue mich über das Votum. Es hat eine gute Begründung und ist ein wichtiger Schritt für den Erhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbots. Nun müssen wir schauen, wie das Gericht sich entscheidet. Der Erfahrung nach entscheidet es aber nur in rund 20 Prozent der Fälle anders als der Generalanwalt empfiehlt.

DAZ Halten Sie das Votum für richtig?

Bahr: Die FDP hat immer gesagt, dass es gute Gründe für das Fremd- und Mehrbesitzverbot gibt. Der Apotheker ist für uns Kaufmann und Heilberufler zugleich. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot ist aus der heilberuflichen Tätigkeit gerechtfertigt. Denn der Apotheker hat Pflichten zu erfüllen, die im Gemeinwohlinteresse sind: Die Nacht- und Wochenenddienste, die qualifizierte Beratung, die unabhängige Abgabe von Arzneimitteln und vieles andere mehr. Der Generalanwalt hat dies aufgegriffen und die unabhängig geführte Apotheke als Qualitätsmerkmal erkannt. Das sehen auch wir so, insofern halte ich die Einschätzung für richtig. Zudem begrüßen wir als FDP, dass durch die Schlussanträge die Freiberuflichkeit und Unabhängigkeit der Gesundheitsberufe insgesamt gestärkt worden ist. Das wird uns auch in den kommenden Auseinandersetzungen über die Richtung der Gesundheitspolitik stärken. In den vergangenen Jahren gab es leider immer wieder Angriffe gegen die Freiberuflichkeit im Gesundheitswesen. Wir sehen uns gestärkt, weiter für die Freiberuflichkeit zu kämpfen.

DAZ Die EU-Kommission führt wegen des Fremd- und Mehrbesitzverbotes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik und hat das Ersuchen der Bundesregierung, das Verfahren ruhen zu lassen bis der EuGH zum Fremdbesitzverbot entschieden hat, bereits zwei Mal zurückgewiesen. Wie wird sich die Kommission ihrer Meinung nach nun verhalten?

Bahr: Die Kommission wird vom Votum des Generalanwalts sicher überrascht sein. Sie war sich ihrer Sache ja sehr sicher, sonst hätte sie die Maßnahmen im Vertragsverletzungsverfahren nicht ergriffen. Ich bin überzeugt, dass es bei der Kommission nun ein großes Nachdenken geben wird über das weitere Vorgehen. Ich erwarte, dass sie der Bundesregierung nun doch noch Aufschub geben muss, bis der EuGH sein Urteil gesprochen hat.

DAZ Glauben Sie, die Apothekerinnen und Apotheker können nun optimistisch ins neue Jahr blicken?

Bahr: Wäre das Votum des Generalanwalts andersrum ausgefallen, wäre 2009 ein sehr unruhiges Jahr für die Apotheker geworden. Sicherlich hätten viele Großunternehmen und ausländische Großinvestoren versucht, sich vorzubereiten und massiv in den deutschen Markt zu kommen. Da können die Apotheker jetzt erst einmal beruhigt sein. Es spricht einiges dafür, dass sich das Gericht der Meinung des Generalanwaltes anschließt. Einen Rest Unabwägbarkeit gibt es natürlich noch. Darüber hinaus wird 2009 für die Apotheker wichtig sein, welche gesundheitspolitischen Entscheidungen im Rahmen der AMG-Novelle getroffen und welche unter dem Einfluss der anstehenden Bundestagswahl fallen werden. Zudem gibt es das große Thema Pick-up und Versandhandel. Diskussionen um Änderungen an der Apothekenbetriebsordnung werden nach dem Votum des Generalanwalts sicherlich ruhiger werden.

DAZ Erwarten Sie, dass es 2009 ein Thema sein wird, die Apothekenpflicht für rezeptfreie Arzneimittel aufzuweichen?

Bahr: Sofern sich das Gericht dem Generalanwalt anschließen wird, wird dies insgesamt eine Stärkung der bestehenden Schutzmechanismen sein. Ich rechne nicht damit, dass die Apothekenpflicht verloren geht – im Gegenteil: Der Generalanwalt hat zu Recht betont, dass Medikamente ein besonderes Gut sind und einer fachkundigen Abgabe bedürfen. Insofern glaube ich nicht, dass jetzt die in der Offensive sind, die die Apothekenpflicht aufweichen wollen.

DAZ Kommen wir noch einmal zum Thema Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel. Am 19. Dezember stand die bayerisch-sächsische Gesetzesinitiative auf der Tagesordnung des Bundesrates und wurde kurzfristig abgesetzt. Was glauben Sie, wird nun geschehen?

Bahr: Der Tagesordnungspunkt wurde bereits zum zweiten Mal abgesetzt. Wie ich hörte, war keine Mehrheit für den Antrag zu gewinnen. Nun besteht die Möglichkeit, dass die Antragsteller ihre Initiative erneut auf die Tagesordnung setzen. Ich kann allerdings nicht abschätzen, wann das wäre. In der FDP halten wir den Weg, den Sachsen und Bayern eingeschlagen haben, ohnehin nicht für zielführend. Aus unserer Sicht muss es darum gehen, das Problem der Pick-up-Stellen zu lösen. Wir haben daher unseren Antrag zum Verbot von Pick-ups im Verfahren. Hierzu haben wir eine Anhörung beantragt, die am 17. Dezember vom Gesundheitsausschuss des Bundestages beschlossen wurde. Der Termin steht zwar noch nicht fest, es besteht aber eine Chance, dass die Anhörung noch im Februar durchgeführt werden kann. Wir haben schon lange diskutiert und es wäre gut, jetzt rasch voranzukommen. Denn entscheidend ist nicht der Bundesrat – da hat man ohnehin viel zu lange gewartet –, sondern dass im Bundestag etwas passiert. Die Bundesregierung muss sich bewegen; bis heute sieht sie keine Notwendigkeit etwas zu tun. Dies wurde bei der Ausschusssitzung am 17. Dezember erneut deutlich. Die Anhörung wird uns sicherlich helfen. Ich wünsche mir, dass die Debatte über die unterschiedlichen Lösungswege – Verbot des Versandhandels oder das Verbot von Pick-up-Stellen – von allen sachlich geführt wird. Wichtig ist, dass wir am Ende ein Ergebnis haben, das sich des Problems annimmt. Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren. Mein Ziel ist, das Thema im Zuge der nun anstehenden AMG-Novelle mit auf die Tagesordnung zu bringen.

DAZ Gibt es einen konkreteren Formulierungsvorschlag der FDP für ein Pick-up-Verbot, der über den bisher in den Bundestag eingebrachten Antrag hinaus geht?

Bahr: Wir hätten einen in petto. Er wurde bereits im Herbst 2007 formuliert und der Apothekerschaft schon vor Monaten vorgelegt. Man müsste ihn sicherlich noch einmal überarbeiten. Dabei könnten neuere Erkenntnisse – etwa aus dem Votum des Generalanwalts oder auch aus den Erfahrungen mit Pick-ups – eingebaut werden. Grundsätzlich sehen wir mit unserem nun eingebrachten Antrag aber größere Chancen den Diskussionsprozess in Gang zu bringen. Meines Erachtens hat auch die Apothekerschaft ein Interesse daran, dass die Diskussion über Pick-up geführt wird. Daher sollten alle Ansätze diskutiert werden und nicht im Vorfeld abgelehnt werden. Es gibt viele Ansätze und Ideen, wie man Pick-ups verbieten kann. Die Hauptsache ist, dass man diese überhaupt diskutiert und nicht über einzelne Nuancen, die in einem Gesetzentwurf möglicherweise nicht gefallen. Die Formulierung eines konkreten Gesetzentwurfs ist meines Erachtens auch nicht so schwer. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem dm-Urteil gesagt, die Pick-up-Stellen müssten zugelassen werden, weil der Versandhandel vom Gesetzgeber nicht konkret gefasst wurde. Es hat also einen sehr weiten Versandhandelsbegriff verwendet. Im Umkehrschluss kann man diesen Begriff enger fassen – das ist die Chance, die wir sehen.

DAZ Haben sich die Wogen zwischen FDP und Apothekerschaft mittlerweile geglättet?

Bahr: Wir haben immer guten Kontakt gehabt und pflegen diesen auch weiter. Aber natürlich habe ich mich über die eine oder andere öffentliche Äußerung zu unserem Antrag – mit dem wir ja etwas für die Apotheker tun wollen! – geärgert. Doch nun sind wir weitergekommen und werden in der anstehenden Anhörung sicherlich ein gemeinsames Ziel verfolgen. Dass man über die Wege immer mal wieder streitet, ist keine Frage – aber man muss ein gemeinsames Ziel haben. Besonders geärgert habe ich mich auch darüber, dass ausgerechnet ein Apothekenfunktionär, mit dem ich einige persönliche Gespräche zum Versandhandel und den Problemen der Pick-ups geführt habe, plötzlich selbst eine Pick-up-Stelle aufmacht. Über dieses Vorgehen des ehemaligen Vorsitzenden des Bayerischen Apothekerverbandes, Gerhard Reichert, bin ich sehr enttäuscht. Das darf einem Funktionär nicht passieren. So etwas erschwert es uns, wenn wir uns gegen die Pick-ups einsetzen. Die Häme war groß, als mir dieses Beispiel vorgeführt wurde.

DAZ Können Sie noch einmal kurz erläutern, warum gerade die FDP, die sich seinerzeit als einzige Partei dagegen ausgesprochen hat, den Versandhandel mit Arzneimitteln zuzulassen, nun kein erneutes Verbot des Versandes rezeptpflichtiger Arzneien fordert?

Bahr: Die Situation ist heute eine andere als 2003. Wir haben nun bald sechs Jahre Erfahrung mit dem Versandhandel. Es gibt Apotheker, die in diese Vertriebsform investiert haben. Deswegen muss es sehr gute Gründe geben, sie wieder zu verbieten. Zumal die betroffenen Apotheken bereits angekündigt haben, gegen ein solches Verbot zu klagen. Die Gründe, die Befürworter anführen und die wir geprüft haben, reichen nach unserer Einschätzung nicht aus, um den Versandhandel wieder zu verbieten. Arzneimittelfälschungen sind zwar ein großes Problem, aber leider werden sie selbst bei einem Verbot des Versandhandels ein Problem bleiben. Denn die Hauptquellen für gefälschte Arzneien sind illegale Internetseiten und Sportstudios. Darüber hinaus wären mit einem Versandverbot die Pick-up-Stellen noch immer nicht unterbunden, sie könnten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel fortbestehen. Deswegen sind wir der Ansicht, dass das Hauptproblem für die Apotheke vor Ort die Pick-ups sind. Sie führen zu Verzerrungen, da sich Drogerien den Anschein einer Apotheke geben, ohne deren Pflichten zu übernehmen. Das ist eine ganz andere Konkurrenzsituation als beim Versandhandel, der heute etwa ein bis drei Prozent des Marktes ausmacht. Auch politisch sehe ich nur für das Pick-up-Verbot eine realistische Chance. Ich glaube, dass die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und Grünen, die seinerzeit den Versandhandel erlaubt haben, sich im Bundestag bei einem Versandverbot nicht bewegen werden.

DAZ Was geben Sie den Apothekerinnen und Apothekern für 2009 mit auf den Weg?

Bahr: Erste Bürger- und Apothekenpflicht sollte es sein, Ruhe zu bewahren. Es gab eine große Unruhe im Markt durch die befürchteten Entscheidungen aus Luxemburg. Auch Presseberichte über mangelnde Beratung in Apotheken, setzte den Apothekern zu. Nun muss es das wichtigste Ziel sein, dass die Apotheker ihre Stärken weiter ausbauen. Das ist vor allem die Beratungsqualität und der persönliche Kundenkontakt. Aber auch Preiswettbewerb bei rezeptfreien Präparaten ist gefordert, ebenso eine bessere Zusammenarbeit mit Ärzten und Krankenhäusern. All diese Möglichkeiten sollten die Apotheker nutzen. Sie sind ihre Zukunftschance.

DAZ Herr Bahr, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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