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Gesundheitspolitik
Barmer GEK stellt sich gegen Gesundheitsminister Rösler
Die Einführung einer Kopfpauschale gefährde die Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und sorge für erhebliche Verunsicherung bei Patienten und Leistungserbringern, erklärte Fischer am 6. Januar in Berlin: "Die Ankündigungen vernebeln statt Klarheit zu schaffen." Nach Berechnungen der Barmer GEK müsse eine Kopfpauschale 145 Euro je Mitglied kosten und erfordere einen Steuerzuschuss in Höhe von 35 Milliarden Euro pro Jahr aus dem Bundeshaushalt. Fischer: "Durch ein solches System wäre ein großer Teil der Versicherten auf einen Sozialzuschuss angewiesen. Die Menschen würden dadurch zu Bittstellern gemacht." Sie appellierte zudem an die Bundesregierung, sich nicht allein auf die Finanzierungsfrage zu fokussieren.
Neuer Hauptsitz in Berlin
Die mit 8,5 Millionen Versicherten größte gesetzliche Krankenkasse will sich nach den Worten von Fischer auch künftig lautstark in die gesundheitspolitische Diskussion einmischen. Zu diesem Zweck werden der Hauptsitz und die politische Führung der aus Barmer und Gmünder Ersatzkasse fusionierten Barmer GEK künftig in Berlin eingerichtet. "Damit wollen wir unsere politische Wahrnehmbarkeit und Gestaltungskraft stärken", unterstrich der Vorsitzende des Verwaltungsrates Holger Langkutsch die Ambitionen von Vorstandschefin Birgit Fischer. Die beiden anderen Standorte in Wuppertal und Schwäbisch Gmünd bleiben aber ebenfalls erhalten.
Ob die neue Barmer GEK in diesem Jahr Zusatzbeiträge von ihren Versicherten erheben muss, steht noch nicht fest. "Derzeit besteht kein akuter Handlungsbedarf", so Verwaltungsratschef Langkutsch. Der weitere Verlauf der Einnahmeentwicklung im Jahr 2010 müsse vor einer konkreten Entscheidung abgewartet werden. Mitte Februar wird sich der Verwaltungsrat mit dem Haushaltsplan beschäftigen.
Mehr Marktmacht und Gestaltungskraft
Laut Fischer sollen die Versicherten der Barmer GEK durch bessere Leistungen und größeren Service vom Zusammenschluss profitieren. Die über 1000 Geschäftsstellen böten den Mitgliedern mehr Kundennähe und bessere Erreichbarkeit. Der Kassenchefin zufolge verfügt die Barmer GEK über einen regional schwankenden Marktanteil von zehn bis 15 Prozent. Auch wenn Größe nicht alles sei – die gestiegene Marktmacht gebe Gestaltungskraft und mache die Kasse für andere Gesundheitspartner attraktiv, sagte Fischer. Diese will die Barmer GEK nutzen, um die Angebote zur Prävention und Vorsorge auszubauen sowie Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen zu verbessern. Besonderes Augenmerk will die Kasse auch auf die Versorgungsforschung legen. Hier soll eine gänzlich neue Abteilung eingerichtet werden, in der die bisherige Evaluationsforschung der Barmer mit den Datenauswertungen der GEK kombiniert werden. Die bislang von der GEK herausgegebenen Reporte – etwa zu Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln oder zur Pflege – will die neue Großkasse fortführen.
Rabattverträge über Sortimente und Wirkstoffe
Auch im Vertragsgeschehen will die Barmer GEK mithilfe ihr gewachsenen Macht kräftiger mitmischen. Und so sind nicht zuletzt Arzneimittel-Rabattverträge ein großes Thema: Bereits seit Jahresbeginn gelten die Sortimentsverträge, die beide Kassen zuvor für sich abgeschlossen hatten, für alle Versicherten. Sie umfassen die Vollsortimente von neun Herstellern – darunter etwa Hexal, Aliud, Stadapharm – sowie sechs Teilsortimente, z. B. von ratiopharm, Winthrop oder AbZ-Pharma. Hinzu kommen einige Rabattverträge über Originalpräparate. Zudem soll voraussichtlich Ende Januar die bereits angekündigte Ausschreibung von mehr als 300 Wirkstoffen in fünf Gebietslosen veröffentlicht werden. Die hier bezuschlagten Substanzen sollen sodann aus den Sortimentsverträgen herausfallen. Vom AOK-Modell will sich die Barmer GEK bei dieser Ausschreibung bewusst abheben – exklusive Zuschläge gibt es nicht. Nach den Worten des Vize-Vorstandsvorsitzenden der Barmer GEK, Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, sollen jeweils rund vier bis sieben Bieter einen Zuschlag erhalten können – Voraussetzung ist die Gewährung eines vorgegebenen Mindestrabatts. Allerdings müsse man auch erst einmal abwarten, welche Angebote gemacht werden. Mit der Beibehaltung der Anbietervielfalt will die Kasse Compliance-Probleme vermeiden und die Lieferfähigkeit sichern. Auch Probleme mit der Auslegung der für die Substitution relevanten Begriffe "gleicher Anwendungsbereich" und "identische Packungsgröße" will die Barmer GEK auf diese Weise umschiffen.
Zielpreisvereinbarungen sind vom Tisch
Es ist noch kein Jahr her, da fand der damalige GEK-Chef Schlenker durchaus Gefallen an dem von der Apothekerschaft favorisierten Zielpreismodell. Doch diese Tage sind nun gezählt. Schlenker ließ sich offenbar leicht von dem neuen Rabattvertragsmodell überzeugen: "In ihrem Effekt werden sich die beiden Modelle voraussichtlich nicht unterscheiden", erklärt er nun. Nur die Adressaten hätten sich geändert: Während bei den Zielpreisen der Apotheker als Entscheider gefragt gewesen wäre, liegt es nun an der Industrie, den Kassen zum Sparen zu verhelfen. Kassenchefin Fischer verspricht sich von den Rabattverträgen Einsparungen in "dreistelliger Millionenhöhe". Ob dieses Ziel erreicht werden kann, mag man angesichts der vielen Vertragspartner bezweifeln. Sofern es keine zugesicherten Absatzmengen gibt, werden die Hersteller, die nicht auf Exklusivität setzen können, bei ihren Rabattangeboten sicherlich nicht in die Vollen gehen.
Kein Nachfolger für Hausapothekenmodell in Sicht
Auch wenn sich die Barmer GEK als kooperationswilliger Gesundheitspartner für die Leistungserbringer präsentiert – das einstmals von der Barmer initiierte (Hausarzt- und) Hausapothekenmodell wird in der neuen Kasse offenbar nicht weiter verfolgt. Die nunmehr gesetzlich vorgesehenen Hausarztverträge haben Priorität – auch wenn es der neuen Kasse missfällt, dass hier die Freiwilligkeit zu kurz kommt. "Es macht uns tieftraurig, dass die Koalition die Hausarztverträge erst in drei Jahren überprüfen will", so Schlenker. Wie hier das Zusammenspiel mit den Apotheken aussehen kann, sei "eine gesonderte Diskussion", die erst noch stattfinden müsse, sagte Fischer.
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