Gesundheitspolitik

Schön geschönt

Dr. Klaus G. Brauer

"Apotheken beraten häufig schlecht" (Stern), "Apotheken viel schlechter als ihr Ruf" (Focus), "Apotheker fallen bei Beratungscheck durch" (Spiegel online) – so oder ähnlich reagierten die meisten Medien auf den jüngsten Apothekentest der Stiftung Warentest. Woran denkt der Leser, wenn er da von "Apotheken" liest? Er denkt an normale Apotheken, an die Apotheke um die Ecke. Der Irrtum wird – wenn überhaupt – in den meisten Medien nur am Rande aufgeklärt: Es waren ganz überwiegend die Arzneiversender ("Versandapotheken"), für die zutrifft, was die Überschriften suggerierten. Die Originalveröffentlichung in der Warentesterzeitschrift "test" stellt das durchaus differenziert dar. Daraus ist ableitbar, welchen ordnungspolitischen Murks die Politik 2004 angerichtet hat, als sie den Versandhandel mit Arzneimitteln zuließ.

Die Medienresonanz auf den jüngsten "Apothekentest" der Stiftung Warentest zeigt auch, wie vorurteilsbeladen viele Medien über Apotheken berichten. Nur "bad news" interessieren.

Schauen wir genauer hin. Getestet wurden 23 Versandapotheken und 27 Vor-Ort-Apotheken. Wir sollten das Ergebnis auch der Vor-Ort-Apotheken nicht schöner reden als es ist. Aber immerhin: Die überwiegende Mehrheit der Vor-Ort-Apotheken (23 von 27) wurde als gut (7) oder befriedigend (16) eingestuft, "nur" vier als ausreichend (1) oder mangelhaft. Bei den Versandapotheken zeigt sich ein ganz anderes Bild: Keine erhielt ein "gut", nur vier ein "befriedigend" – nur bei den Versendern wurde die überwiegende Mehrheit (19 von 23) als mangelhaft (8) oder nur ausreichend (11) bewertet. Die Überschriften in der Mehrzahl der Medien, die über den Test berichteten, sind also – so pauschal, wie sie daherkommen – aus der durchaus differenzierten Originalveröffentlichung von Stiftung Warentest nicht zu entnehmen. Dort spürt man das Bemühen, aussagekräftige Testfragestellungen auszusuchen. Nicht immer, aber meist ist das auch gelungen.

Dennoch verwundert an der Veröffentlichung einiges. Das Ergebnis der getesteten Versandapotheken (die über 90% des Arzneiversendermarktes repräsentieren) wäre im Vergleich zu den Vor-Ort-Apotheken noch schlechter ausgefallen, gäbe es da nicht einige verzerrende methodische Sonderlichkeiten. So fließt in das Gesamt-Qualitätsurteil bei Vor-Ort-Apotheken die fachliche Beratung mit 75% ein, bei den Versandapotheken hingegen wird dieses zentrale Kriterium nur zu 50% gewichtet.

Beim Kriterium "Service" wurde für die Versandapotheken der Anteil am Gesamturteil hochgewichtet (30% gegenüber 25% für Vor-Ort-Apotheken). Das begünstigt beim Vergleich erneut die Versender – insbesondere wenn man sich anschaut, nach welchen Kriterien "Service" beurteilt wurde. Versandapotheken können dort schon durch Vollständigkeit und Richtigkeit der Lieferung und erträgliche Lieferzeiten (die dort in Tagen (!) gerechnet werden) punkten. Bei Vor-Ort-Apotheken wurde all das offensichtlich als selbstverständlich vorausgesetzt – was auch die Wirklichkeit trifft. Dort ging es bei der Serviceeinschätzung z. B. um eine diskretionsermöglichende Offizingestaltung, um Sitzgelegenheiten in der Offizin und darum, dass die bedienende Person über ein Namensschild identifiziert werden kann. Bei Versandapotheken war die Frage, wer da beriet (wenn überhaupt beraten wurde), allem Anschein nach kein Thema – Apotheker, PTA, angelernte Kräfte? Erhellende Skurrilität am Rande, wörtlich nachzulesen in "test": "Bei Versendern stand zuweilen kein Experte zur Verfügung oder eine pharmazeutische Beratung wurde abgelehnt". Letzteres sei zweimal beim Versender "shop-apotheke" vorgekommen. Trotzdem rutschte dieser Versender im Gesamturteil unter die vier besten Versandapotheken – die vier, die als "befriedigend" eingestuft wurden.

Hubertus Primus, der Chefredakteur von "test", hat zum aktuellen Apothekentest in einem Interview bemerkenswerte Sätze verlauten lassen. Im Zusammenhang mit der von ihm beklagten "ausgesprochen schlechten Beratungsleistung" der Versender meinte er, es dürfe nicht zum Motto der Versender werden, sich auf lukrative Artikel zu beschränken und den Kollegen vor Ort die Beratung zu überlassen. Auch Versender müssten sich dem Beratungsauftrag stellen. Er habe aber "ein bisschen den Eindruck, dass die Versandapotheken sehr schlanke Strukturen haben und sich um diese Beratungsleistung herumdrücken".

Wie wahr! Verwunderlich ist das allerdings nicht. Es gehört zur Raison d‘être der Versender. Die schlanken Strukturen mit einer vergleichsweise minimalen Ausstattung an qualifiziertem pharmazeutischem Personal (besonders an Apothekern) ermöglichen den Versendern, mit (zumindest scheinbar) günstigen Preisen auf Kundenfang zu gehen.

Gesundheitspolitisch ist all das bedenklich. Und es ist ein Kampf mit ungleichen Spießen – nicht nur in puncto Beratung. Acht der Versender haben auch abgelehnt, Rezepturen anzufertigen. Das passt ins Bild. Dass Beratung stiefmütterlich von Versendern behandelt wird, ist in gewisser Hinsicht sogar verständlich, es ist systemimmanent. Denn Beratung wird den Versendern im Vergleich zu Vor-Ort-Apotheken kaum abgefordert. Bei Vor-Ort-Apotheken wird sie nicht nur auf Anfrage geleistet; sie wird auch aktiv angeboten. Aber zugegeben: Es gibt sicher noch Verbesserungsmöglichkeiten.


Klaus G. Brauer

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