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Management
Kunden vor dem Absprung
Entscheidend ist, dass das Apothekenteam so früh wie möglich erkennt, ob ein Stammkunde daran denkt, die Apotheke zu wechseln. Darum sollte es auf Anzeichen achten, die signalisieren, dass der Kunde einen Wechsel zumindest erwogen hat – je frühzeitiger dies bemerkt wird, desto größer ist die Chance, rechtzeitig zu intervenieren und gegenzusteuern, und konsequent eine emotional gefärbte Beziehung aufzubauen.
Auf "Absprung"-Signale achten
Wenn der Stammkunde, mit dem im Frei- und Sichtwahlbereich bisher immer ein sachliches Gespräch geführt werden konnte, plötzlich einen Einwand nach dem anderen erhebt, könnte es durchaus sein, dass er mit den Leistungen der Apotheke nicht mehr so zufrieden ist, wie dies vorher der Fall war. Und wenn er im Gespräch mit dem Apotheker gar keine Einwände mehr erhebt, droht die Gefahr der "inneren Kündigung".
Noch schlimmer steht es um die Kundenbeziehung, wenn der Stammkunde nicht mehr – wie sonst üblich – über Privates redet und im Umgang mit dem Apotheker kühler wirkt. Er lehnt den Small Talk ab und möchte schnell zur Sache kommen. Nun muss das Team vor allem auf die Körpersprache des Kunden achten, um festzustellen, ob er sich in der Apotheke nicht mehr so richtig wohlfühlt und wirklich unzufrieden ist.
Weitere Signale sind:
Er redet recht häufig über Produkte oder Angebote, von denen er in den Medien gehört hat, gibt mithin deutlich zu verstehen, dass er sich mit Konkurrenzangeboten beschäftigt hat. Es ist offensichtlich, dass er besser darüber Bescheid weiß als früher.
Er entscheidet sich nicht mehr so schnell wie früher, beschwert sich jedoch bei unwichtigen Kleinigkeiten, über die er früher kein Wort verloren hat.
Er stellt deutlich mehr kritische Fragen.
Spätestens jetzt sollte der Apotheker darüber nachdenken, welche Kundenbindungsstrategien ihm helfen, den Kunden doch noch zu halten. Zunächst einmal sollte er sich im Gespräch mit dem Stammkunden vergewissern, ob er mit seinen Beobachtungen richtig liegt. Um Missverständnisse auszuschließen, kann er den Kunden darauf ansprechen: "Mein Team und ich haben das Gefühl, dass Sie nicht mehr so zufrieden mit uns sind. Liegen wir mit unserer Vermutung richtig? Und was können wir tun, damit Sie sich bei uns wieder wohlfühlen?"
Im Idealfall erhält der Apotheker sehr konkrete Hinweise, welche Veränderungen er auf der Inhalts- und der Beziehungsebene vornehmen muss, um den Kunden zu halten. Dann kann sich die Missstimmung sogar als Glücksfall erweisen, denn indem der Apotheker zum Beispiel die Produktpalette den Vorlieben des Kunden anpasst oder mit dem Mitarbeiter spricht, mit dessen Verhalten der Kunde unzufrieden ist, lässt sich die Kundenbeziehung auf noch sicherere Füße stellen.
Reklamationsmanagement aufbauen
Auch ein professionelles Reklamationsmanagement hilft, Kundenunzufriedenheit früh zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Zu empfehlen ist die folgende Vorgehensweise: Zuerst nimmt der Apotheker die Beschwerde an und hört genau zu. Er schweigt zunächst einmal, unterbricht den Kunden nicht und gibt ihm Gelegenheit, "Dampf abzulassen".
Danach versucht er, die Beschwerde abzufedern, Verständnis zu zeigen und dem Gespräch die Schärfe zu nehmen: "Ich kann gut verstehen, dass Sie verärgert sind." Eine kundenorientierte Formulierung hilft, den psychologischen Nebel, in dem der Kunde steht, zu vertreiben. Dieser öffnet sich nun wahrscheinlich für ein sachliches Gespräch, bei dem der Apotheker durch Fragetechnik und aktives Zuhören das Problem einkreist, um im Dialog eine Lösung herbeizuführen. Der Apotheker fasst die Fakten zusammen, gibt das Problem in eigenen Worten wieder und kontrolliert, ob er die Beschwerde richtig verstanden hat. Dann fragt er: "Was können wir für Sie tun, um Sie als zufriedenen Kunden zu überzeugen?"
Nun steht die Problemlösung an: Der Apotheker trifft mit dem Kunden eine Vereinbarung und bedankt sich für die Beschwerde: "Vielen Dank, dass Sie uns mit Ihrer Beschwerde auf einen Missstand hingewiesen haben. So helfen Sie uns, Sie und auch andere Kunden zufriedenzustellen."
Sinn dieser Vorgehensweise ist zum einen, den aktuellen Reklamationsgrund aufzuspüren und zu beseitigen. Noch wichtiger ist, auf diese Weise die emotionale Beziehung zum Kunden zu stärken und das folgende Signal auszusenden: "Du bist mir wichtig, lieber Kunde, ich will dich als Kunden behalten und bin bereit, mich dafür in deine Vorstellungswelt zu begeben." Die Stärkung der emotionalen Bindung entscheidet darüber, ob der Kunde der Apotheke weiterhin vertrauen kann.
Erfahrungsvertrauen: Emotionale Beziehung zum Kunden aufbauen
Erfahrungsvertrauen entsteht aufgrund der persönlichen Erfahrungen, die der Kunde mit der Apotheke macht – und vor allem aufgrund der Erfahrungen, die er mit den Menschen macht, die für die Apotheke arbeiten. Allerdings: Der Apotheker sollte nicht allein auf die Vertrauenskarte setzen. Selbst für den beziehungsorientierten Kunden, für den der Small Talk fast wichtiger ist als der Produktkauf, zählt am Ende des Tages (auch) das Ergebnis: Er will ein Produkt kaufen, das er braucht und für ihn einen Nutzen hat. Darum sind und bleiben das Fachwissen des Apothekers und sein ergebnisorientiertes Vorgehen ein wichtiger Baustein in seinem Kundenbeziehungsmanagement. Aber es spricht nichts dagegen, parallel dazu am Vertrauensaufbau durch Emotionalisierung zu arbeiten und dem Kunden zu beweisen, dass er in der Apotheke wertgeschätzt wird.
Kundentypus beachten
Gerade bei den Stammkunden ist entscheidend, sie nicht "über einen Kamm zu scheren". Jeder Kunde ist ein einzigartiges Individuum, und daher gibt es das allein selig machende Patentrezept des emotionalen Vertrauensaufbaus nicht. Ziel sollte aber sein, die Verkaufsargumente stets auf den Kundentypus abzustimmen. Bei Stammkunden, die dem Apothekenteam in aller Regel gut bekannt sind, sollte dies gelingen.
Trotzdem ist es sinnvoll, für einen Stammkunden eine "Kunden-Karte" anzulegen, die ständig aktualisiert wird. Dort wird eingetragen, wie sich der Kunde in bestimmten Situationen verhält, etwa in Konfliktsituationen oder im Reklamationsfall. Auf der Kunden-Karte können überdies Angaben zu den Hobbys und den privaten Angelegenheiten des Kunden notiert werden. So kann der Apotheker in der Small Talk-Phase, aber auch im Beratungsgespräch Themen ansprechen, von denen er weiß, dass sie beim Kunden positive Gefühle auslösen.
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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