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Sonnenschutz
Innovative Trägersysteme für UV-Filter
Lichtschutzmittel dienen als Schutzschild zwischen Sonne und Haut. Sie sollen die körpereigenen Schutzmechanismen entlasten und durch Verhinderung akuter und chronischer Lichtschäden eine Verlängerung der Expositionszeit ermöglichen. Grundsätzlich lassen sich die sonnenschutzaktiven Substanzen in physikalische und chemische Substanzen unterteilen.
Auch mineralischer Schutz birgt Probleme
Vom physikalischen Sonnenschutz spricht man bei Präparaten, die größere Mengen organischer oder anorganischer Pulver enthalten. Die klassischen Mikropigmente, wie Titandioxid und Zinkoxid, schützen im gesamten UV-A- und UV-B-Bereich und können daher als Breitbandfilter bezeichnet werden. In diesen Suspensionszubereitungen werden die auftreffenden ultravioletten Strahlen im Wesentlichen an der Oberfläche der Partikel gestreut bzw. reflektiert. Die Intensität der Abschwächung der ultravioletten Strahlen ist von der Partikelgröße und vom Feststoffanteil des Produktes abhängig. Durch Verkleinerung der Teilchen auf 20 bis 50 nm wird sichtbares Licht nicht mehr gestreut, sodass die Teilchen auf der Haut nicht mehr weiß, sondern unsichtbar erscheinen. Aufgrund dieser Entwicklung sowie vieler weiterer positiver Eigenschaften (Kombination mit chemischen UV-Filtern möglich, keine Energieübertragung auf die Haut, gute Hautverträglichkeit) stieg die Popularität der physikalischen Lichtschutzsubstanzen in den letzten Jahren stark an. Partikuläre Filter haben jedoch auch Nachteile. So ist ihre Dispergierbarkeit und physikalische Stabilität aufgrund ihrer Neigung zu Agglomeration und Aerophilie schlecht. Weiterhin wurde auch eine photochemische Aktivität von Titan- und Zinkoxid nachgewiesen. Beide Substanzen können an der Entstehung reaktiver Sauerstoffradikale als Photokatalysator beteiligt sein. Allerdings wurden bisher in praxi keine Kontaktallergien oder Photoreaktionen beobachtet, sodass bei Kinderhaut oder bei Neigung zu photoallergischen Reaktionen auf chemische UV-Filter weiterhin bevorzugt mineralischer Sonnenschutz eingesetzt wird.
Eine Übersicht zu den Vor- und Nachteilen verschiedener Sonnenschutzprinzipien finden Sie hier.
Penetrationsverhalten noch unklar
Aufgrund der geringen Partikelgröße wird bei Nanopartikeln ein Eindringen in tiefere Hautschichten kontrovers diskutiert. Die diesbezüglichen Forschungsergebnisse sind widersprüchlich: In-vitro-Permeationsstudien zeigten, dass sowohl bei Human- als auch bei Maushaut keine perkutane Absorption erfolgt. Bei weitergehenden Untersuchungen beschränkte sich das transepidermale Eindringvermögen des partikulären Feststoffs auf das Stratum corneum. Allerdings haben das Dispersionsmittel und zugesetzte Hilfsstoffe auch hier entscheidenden Einfluss. Beispielsweise können die feinen Partikel aus einem liposomalen System tiefer in die oberen Hautschichten penetrieren als aus einer öligen Dispersion. Einige Forscher begründeten bei Penetrationstests gefundenes Titandioxid mit der Einlagerung in tiefe Hautfurchen. Andere Untersuchungen zeigten hingegen, dass selbst Partikel mit Größen im Mikrometerbereich in die Haut penetrieren können. Ebenfalls wurde das Vorhandensein von mikrofeinem Titan- und Zinkoxid nach topischer Applikation in der Haut festgestellt. Die Penetration von UV-Filtern ist generell unerwünscht, da sie einerseits zum Wirkverlust führt und andererseits infolge von In-vivo-Photoaktivität zu Zellschädigungen führen kann. Aufgrund der noch nicht ausdiskutierten wissenschaftlichen Kontroverse hinsichtlich der Eindringtiefe und photochemischen Aktivität erscheint es aus Sicht mancher Forscher sinnvoll, mineralische Nanopartikel in feste Trägerpartikel zu inkorporieren, um eine Penetration in die Haut zu verringern und den Lichtschutz der Formulierung zu erhöhen.
Umhüllung soll Allergien reduzieren
Chemischer Sonnenschutz basiert auf UV-Filtern, die die Energie ultravioletter Strahlen aufnehmen und in unschädliche Strahlung anderer Frequenzen, wie sichtbares Licht oder Wärmestrahlung, umwandeln. Je nachdem, welcher Wellenbereich aus den Sonnenstrahlen absorbiert wird, lassen sich diese Filtersubstanzen in UV-A-, UV-B- und Breitband (UV-A- + UV-B)-Filter unterteilen. UV-B-Filter schützen vor Sonnenbrand. UV-A-Filter schützen vor Hautschäden wie Sonnen-Unverträglichkeitsreaktionen, vorzeitiger Hautalterung und langfristigen Hautveränderungen. Um einen breiten UV-Schutz zu gewährleisten, werden in Sonnenschutzformulierungen oft Kombinationen verschiedener chemischer Lichtschutzfilter verwendet. Die Löslichkeit der Filtersubstanz bestimmt dabei die maximal einsetzbare Konzentration in der vorgesehenen Formulierung und beeinflusst die Penetration in die Haut. Bei chemischen Filtersubstanzen kann die absorbierte Strahlung zum photochemischen Abbau des Moleküls führen, was zum Verlust der Schutzwirkung und zu hautsensibilisierenden bzw. toxischen Effekten durch Abbauprodukte führen kann. Durch entsprechende Formulierungen (Dispersionsmittel, Einschluss in Liposomen oder Cyclodextrine) kann versucht werden, die chemischen Filter zu stabilisieren. Neuere Entwicklungen, die jedoch noch nicht auf dem Markt sind, verwenden feste Lipidnanopartikel. Durch die Umhüllung der chemischen Substanzen mit Lipiden soll, neben dem photochemischen Abbau, auch ein Hautkontakt mit den daraus resultierenden möglichen allergischen Reaktionen verhindert werden. Das Penetrationsvermögen von Filtersubstanzen hängt von den Eigenschaften der Substanz und der Art der verwendeten Grundlage ab. Ein ausgeprägtes Penetrationsvermögen erhöht das toxikologische und allergische Risiko. Der Wirkort von Lichtschutzfiltern ist die Haut bzw. die obersten Schichten des Stratum corneum. Penetration in tiefere Hautschichten führt somit zu Wirkverlust und zu potentiellen unerwünschten Wirkungen, wenn die Substanz die systemische Zirkulation erreicht. Problematisch im Zusammenhang mit chemischen Filtersubstanzen sind photodynamische Reaktionen, denn die von der Filtersubstanz aufgenommene Energie wird nicht immer nur in harmlose Wärme umgewandelt, sondern kann durch photochemische Sekundärreaktionen das Molekül so verändern, dass neue Verbindungen mit allergenem Potenzial entstehen (Photoallergie) oder die absorbierte Energie wird direkt auf die Hautzellen übertragen (Phototoxizität).
Sonnenschutzmittel im TestÖko-Test empfiehlt Bio-Produkte
Auch Öko-Test hat sich mit dem Thema Sonnenschutz befasst und hat 25 Sonnenschutzmittel in Drogeriemärkten, Supermärkten, Naturwarenläden und Apotheken eingekauft und die Rezepturbestandteile überprüfen lassen. Das Fazit: Sonnenschutzmittel sind Pflicht. Und Öko-Test rät zu Produkten mit rein mineralischen UV-Filtern. Zwei Sonnenschutzmittel, beides Bio-Produkte, kann Öko-Test ohne Einschränkungen empfehlen. Zwei weitere Bio-Marken erhalten noch die Note "gut" – der Inhalt sei zwar "sehr gut", Öko-Test kritisiert aber den Umkarton und Mängel bei den Anwendungshinweisen. Auch zehn konventionelle Produkte schneiden mit "gut" ab. Drei Produkte bewertet Öko-Test mit "befriedigend", sechs Produkte werden allerdings mit "mangelhaft" und "ungenügend" bewertet, denn sie enthalten Rezepturbestandteile, die Öko-Test als problematisch oder umstritten einschätzt. Zwanzig der getesteten Produkte – darunter auch die untersuchten Produkte aus der Apotheke enthalten chemische UV-Filter wie Ethylhexyl und Octocrylene, die Öko-Test kritisiert. Ebenso führten PEG bzw. PEG-Derivate, Parfüm- und Duftstoffe zu einer Abwertung.
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Feste Lipidnanopartikel
Die Herstellung und Entwicklung moderner Sonnenschutzprodukte wird in erster Linie von den eingesetzten Filtersubstanzen und ihren individuellen physiko-chemischen Eigenschaften bestimmt. Neben dem Absorptionsbereich und der Lage der Absorptionsmaxima unterscheiden sich die UV-Filter auch in ihrer Löslichkeit, der Photostabilität, dem Penetrationsvermögens und der Verträglichkeit. Sonnenschutzmittel werden in verschiedenen Formulierungen angeboten. Am häufigsten wird als Grundlage eine Emulsion verwendet. Außerdem findet man Lösungen, Hydrogele, Lipogele, Pasten, Wachsstifte, Dispersionsgele und liposomale Systeme auf dem Markt. In jüngster Zeit stehen zunehmend feste Lipidnanopartikel (engl. Solid Lipid Nanoparticles, SLN) im Fokus des Interesses. Das Matrixmaterial der SLN besteht aus einer bei Raumtemperatur festen Lipidphase. Diese wird zunächst aufgeschmolzen und der Arzneistoff darin gelöst. Die erwärmte arzneistoffhaltige Lipidphase wird in einer auf gleicher Temperatur befindlichen Tensidlösung dispergiert und die so erhaltene "Präemulsion” anschließend im noch heißen Zustand mit einem Kolben-Spalt-Homogenisator homogenisiert. Dabei entsteht die eigentliche Emulsion, deren Lipidphase beim Erkalten zu festen Lipidnanopartikeln rekristallisiert. Die Partikelgröße beträgt, je nach Herstellungsmethode und Zusammensetzung der Lipid- bzw. wässrigen Phase, ca. 50 bis 1000 nm. Für den Einsatz in Dermatika können SLN-Dispersionen durch Erhöhung der Lipidphase direkt in halbfester Form hergestellt oder in Cremes bzw. Gele eingearbeitet werden. Trotz zahlreicher Vorteile weisen SLN-Dispersionen auch einige Nachteile auf, die hauptsächlich in der kristallinen und häufig auch polymorphen Struktur der eingesetzten Lipide begründet sind. Hochkristalline Partikel mit einem nahezu perfekten Matrixaufbau erschweren die langfristige UV-Filter-Inkorporation. Zudem treten bei der Auskristallisation der Lipidmatrix morphologische Veränderungen auf, die zur physikalischen Destabilisierung der Systeme, wie Aggregation und Gelbildung, führen können. Die Gesamtbeladungskapazität sowie die Langzeitstabilität einiger SLN-Dispersionen sind dementsprechend limitiert.
Nanostrukturierte Lipidcarrier
Eine Weiterentwicklung dieser SLNs sind die so genannten nanostrukturierten Lipidcarrier (NLC). Der Hauptunterschied zu festen Lipidnanopartikel besteht in der Kristallinität der Lipidmatrix. Durch Zugabe eines flüssigen Lipids zu der bei Raumtemperatur festen Komponente wird die kristalline Ordnung gestört, wobei die grundsätzlich feste Partikelstruktur allerdings erhalten bleibt. Ziele dieser Entwicklung sind eine gesteigerte Beladungskapazität und die langfristige Inkorporation. Dabei wird ausgenutzt, dass lipophile Substanzen in Ölen häufig eine höhere Löslichkeit zeigen als in festen Lipiden. Voraussetzung für die Bildung von nanostrukturierten Lipidcarriern ist eine bei Herstellungstemperaturen vollständige Mischbarkeit der geschmolzenen festen und flüssigen Lipidphase. Erhöht man bei NLC die Konzentration der Ölkomponente (z. B. UV-Filter), kommt es bei der Abkühlung der geschmolzenen Lipidphase zu einer Übersättigung der festen Lipidkomponente mit der gelösten Ölkomponente und zu einer dadurch bedingten Phasenseparation. In welcher Form sich die flüssige Komponente abscheidet, wird in der Literatur kontrovers diskutiert. So wird ein Vorliegen von Öl-Clustern im Inneren der festen Lipidmatrix (multiple nanostrukturierte Lipidcarrier) beschrieben, andere Arbeiten weisen jedoch eher auf eine Lokalisation der Ölfraktion in der Grenzfläche der durchgehend festen Lipidphase zum Dispersionsmedium Wasser hin (oil coated particles).
Zum WeiterlesenBeratungsthema Sonnenschutz: Hilfe bei der Auswahl des richtigen Sonneschutzes.
www.deutsche-apotheker-zeitung.de
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Gleicher Schutz bei weniger UV-Blocker
Erste Untersuchungen von Sonnenschutzmitteln auf Basis kolloidaler Lipiddispersionen brachten vielversprechende Ergebnisse. So konnte gezeigt werden, dass feste Lipidnanopartikel eingestrahltes Licht effektiver streuen und reflektieren als Nanoemulsionen vergleichbarer Partikelgröße. SLN-Dispersionen erwiesen sich dabei genauso als geeignet wie NLC-Dispersionen. Das Ausmaß der Streuung war von der Art des verwendeten festen Lipids abhängig. Aufgrund ihres kristallinen partikulären Charakters boten NLC einen größeren physikalischen Lichtschutz als vergleichbare O/W-Emulsionen. Somit könnte bei nanostrukturierten Lipidcarriern im Vergleich zu konventionellen Formulierungen die Konzentration an UV-Blockern bei gleicher Schutzwirkung gesenkt und damit das Allergierisiko reduziert werden. Zwar wurde in vitro festgestellt, dass der zusätzlich UV-blockierende Schutz durch die festen Lipidpartikel umso weniger zum Tragen kommt, je höher die Konzentration der inkorporierten UV-Filter und damit der Lichtschutzfaktor ist, dennoch erscheinen die SLN- sowie die NLC-Technologie aufgrund zahlreicher systemimmanenter Vorteile für die Verarbeitung in Sonnenschutzprodukten eine interessante Zukunftsoption zu sein.
Quelle Saupe A.: Pharmazeutisch-kosmetische Anwendungen Nanostrukturierter Lipidcarrier (NLC): Lichtschutz und Pflege, Berlin (2004). Ziegler A.: Nanopartikel - pharmazeutische "Zwerge" mit Know-how. Med. Mo. Pharm. 12 , 455-466 (2008). Pardeike, J., et al.: Lipid nanoparticles (SLN, NLC) in cosmetic and pharmaceutical dermal products. Intern. J. Pharm. 1-2, 170-184 (2008).
Autor
Apotheker Dr. Andreas Ziegler
Flurstr. 2,
90613 Großhabersdorf
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