DPhG

Pflanzliche Zubereitungen: Rechtliche Zuordnung oft schwierig

Bei der DPhG-Jahrestagung fanden neben den Plenar- und Kurzvorträgen auch verschiedene Fachgruppensymposien statt. Die Fachgruppe Pharmazeutische Biologie befasste sich am 8. Oktober mit Pflanzenextrakten im Spannungsfeld zwischen rationaler Phytotherapie und Lebensmitteln bzw. Kosmetika.

Inhaltsverzeichnis: DPhG-Jahrestagung

Einen Überblick über den Markt der pflanzlichen Arzneimittel gab Priv.-Doz. Dr. Werner Knöss, Leiter der Abteilung Besondere Therapierichtungen im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn. Von den derzeit rund verkehrsfähigen 2300 pflanzlichen Arzneimitteln sind 1800 "normal" und 500 für die traditionelle Anwendung zugelassen. Daneben gibt es 40 registrierte traditionelle pflanzliche Arzneimittel, und ca. 100 weitere Anträge auf traditionelle Registrierung laufen. In den letzten Jahren hat einerseits eine Marktbereinigung stattgefunden, andererseits wird der Markt aber auch wieder neu bestückt, meinte Knöss.


Referenten beim Symposium der DPhG-Fachgruppe Pharmazeutische Biologie (v. li.): Florian Riedel, Dr. Christian Steffen, Dr. Eva-Maria Lohmüller, Dr. Rose Schraitle, Prof. Dr. Dr. Jürgen Stein, Priv.-Doz. Dr. Werner Knöss.
Foto: DAZ/hb

Klinische Prüfungen von Phytopharmaka

Dr. Christian Steffen, Bonn, beleuchtete den Stand der klinischen Forschung im Bereich Phytopharmaka. In der europäischen Datenbank EudraCT sind derzeit lediglich 337 pflanzliche Arzneimittel enthalten, davon 122 allein aus Deutschland (u. a. 9 Präparate mit Lavendel, 8 mit Ginkgo, 6 mit Johanniskraut, 5 mit Bromelain und jeweils 4 mit Grüntee/EGCG und Cannabis). Speziell an Phytopharmaka angepasste regulatorische Anforderungen gibt es relativ wenig, allerdings ist Steffen der Auffassung, dass es auch ohne diese keine unzumutbaren Hindernisse für die Durchführung klinischer Studien mit pflanzlichen Arzneimitteln gibt.

Klinische Prüfungen werden zwar auch mit Nahrungsergänzungsmitteln und Medizinprodukten durchgeführt, die pflanzliche Bestandteile enthalten, jedoch ist die Situation hier erheblich intransparenter. Steffen rät daher, vor allem Prüfungen von Nahrungsergänzungsmitteln immer genau auf ihre Aussagekraft zu prüfen. Im Übrigen kann es durchaus vorkommen, dass die klinische Prüfung eines Produktes im Grenzbereich unzulässig ist, weil dieses eigentlich als Arzneimittel einzustufen ist und demnach für die Prüfung eine vorherige Genehmigung erforderlich wäre. Als Beispiel für solche Präparate im Grenzbereich führte Steffen Cistus-Zubereitungen und das "Bio-Potenzmittel "Plantagrar" an. Das Produkt Cystus 052® Infektblocker wurde erst kürzlich vom Oberverwaltungsgericht NRW als Arzneimittel eingestuft.


Foto: DAZ/hb

Auswahl von Themen in Kurzvorträgen und Postern zu Arzneipflanzen bei der DPhG-Jahrestagung


- Bioengineering von Glucoraphanin aus Brokkoli

- Traditionelle chinesische Arzneipflanzen, die die Acteylcholinesterase hemmen

- Füllen der Lücke zwischen pharmakologischer Testung und In-vivo-Befunden am Beispiel Boswellia serrata

- Inhibierung der Prodrug-Aktivierung durch pflanzliche Extrakte und sekundäre Pflanzen-Metaboliten

- Chemische und biologische Untersuchungen von Manuka-Honig

- Sulphatierte Polysaccharide aus der Rotalge Delesseria sanguinea: "Der Prozess bestimmt das Produkt"

- Safran und trans-Crocetin inhibieren die ATP-induzierte Calcium-Mobilisation in Ratten-Neuroblastom-Zellen

Vorsicht beim "Switch" zum Lebensmittel

Auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Berlin, hat hier einen dringenden Handlungsbedarf erkannt, wie Florian Riedel vom BVL darlegte. Zum einen besteht ein zunehmendes Interesse der Verbraucher an exotischen Pflanzen zur gesundheitsfördernden Verwendung, wie Noni-Früchte, Chia-Samen oder Baobab-Früchte zeigen, zum anderen gibt es solche, die aus Sicherheitsgründen strikt abzulehnen sind, wie etwa Aristolochia oder Weißer Germer.

Manche pharmazeutische Hersteller versuchen wegen der hohen Hürden der Arzneimittelzulassung, Produkte wie Ginkgo zum Lebensmittel zu "switchen". Die Ergebnisse sind meist arzneimittelnahe Präsentationen, an denen sich, wie bei einem Ginkgo-Produkt geschehen, langwierige Rechtsstreitigkeiten entzünden können.

Kaum Vorgaben aus der EU

Auf europäischer Ebene gibt es gegenwärtig keine spezifischen Regelungen zur Verwendung anderer Stoffe als Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungen, das heißt, die Produkte unterliegen nationalstaatlichen Beschränkungen und Verboten. Diese können Positivlisten sein, wie in Spanien, Negativlisten wie in Belgien, oder auch Sicherheitsnachweise vor der Vermarktung wie in Deutschland und Frankreich. An Beispiellisten, auch aus weiteren Ländern machte Riedel deutlich, wie groß die Abweichungen in der Einstufung bestimmter Drogen derzeit noch sind.

Eine gewisse Hilfestellung könnte vielleicht das Kompendium der ESCO-Arbeitsgruppe der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zu pflanzlichen Stoffen geben. Hier sind zumindesten diejenigen Pflanzen aufgeführt sind, gegen deren Anwendung Sicherheitsbedenken bestehen.


Tagungspräsidentin Prof. Dr. Christel C. Müller-Goymann (2. von links) im Kreise des Organisationsteams der DPhG-Jahrestagung in Braunschweig.
Foto: DAZ/cb

Die deutsche Stoffliste

In Deutschland wird der Versuch einer klareren Abgrenzung mit der Stoffliste zu Pflanzen und Pflanzenteilen vorgenommen. Die Liste ist zwischen dem Bund und den Ländern abgestimmt und soll den Behörden, der Lebensmittelindustrie und den Verbrauchern eine Grundlage für die Einstufung einzelner Produkte liefern. Die sehr aufschlussreiche Stoffliste besteht aus drei Einzellisten mit Stoffen,

  • für die eine Verwendung in Lebensmitteln nicht empfohlen wird (Liste A),
  • für die eine Beschränkung der Verwendung in Lebensmitteln empfohlen wird (Liste B),
  • die mangels Daten noch nicht abschließend beurteilt werden können (Liste C).

Riedel betonte, dass die Liste nicht rechtsverbindlich ist. Da nicht in jedem Fall gültige Aussagen für einzelne Zubereitungen oder Extrakte getroffen werden können, führt an der individuellen Beurteilung eines Produktes unter Berücksichtung aller relevanten Merkmale nach wie vor kein Weg vorbei.

Die Liste liegt derzeit im Entwurf vor, und die erste Kommentierungsphase ist bereits abgeschlossen, sodass die Veröffentlichung in absehbarer Zeit ansteht. Sie ist im Internet auf der Webseite des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit abrufbar:

www.bvl.bund.de, suche "Stoffliste".

Phytopharmaka: Zulassung schwierig

Den steinigen Weg zu einer arzneimittelrechtlichen Verkehrsgenehmigung für pflanzliche Produkte skizzierte Dr. Rose Schraitle vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Bonn. Auch in dem vermeintlich einfachen Registrierungsverfahren für die traditionellen Präparate gibt es laut Schraitle durchaus Probleme, zum einen wegen des Traditionsbelegs, zum anderen aber auch wegen der Anforderungen zum Beleg der Qualität. Viele Hersteller suchen daher nach Auswegen über eine andere rechtliche Einstufung ihrer Produkte. Als "schillerndste Gruppe" unter diesen Alternativen führte Schraitle die ergänzenden bilanzierten Diäten an, deren unscharfe rechtliche Abgrenzung viel Spielraum lässt. Eine weitere Alternative sind Nahrungsergänzungsmittel. Aber auch hier sind noch viele Fragen, vor allem hinsichtlich zulässiger gesundheitsbezogener Aussagen, ungeklärt. Die Erfolgsquote entsprechender Anträge bei der EFSA ist laut Schraitle bislang sehr niedrig – ein Grund mehr, wie sie meint, die Präparate im Arzneimittelbereich zu belassen, wo sie aus ihrer Sicht "optimal angesiedelt" sind.

Die Nutraceuticals kommen

Nichtsdestotrotz glaubt Prof. Dr. Dr. Jürgen Stein vom Frankfurter Universitätsklinikum, dass demnächst eine Welle sogenannter "Nutraceuticals" auf den deutschen Markt zukommt. Ein erhebliches Potenzial macht Stein hierfür im Bereich der sekundären Pflanzeninhaltsstoffe aus und nannte die Carotinoide, Phytosterole, Polyphenole und Terpene als deren Hauptvertreter. Hinweise auf die Wirkungen dieser Stoffgruppen beruhen allerdings seiner Einschätzung nach bisher im Großen und Ganzen auf epidemiologischen Beobachtungen. Spezielle Hoffnungen ruhen auf einer möglichen chemopräventiven Wirkung von Resveratrol oder Quercetin, die synergistisch mit klassischen Chemotherapeutika als "Chemo (Radio)Sensitizer” wirken sollen.

Da viele Pflanzeninhaltsstoffe keineswegs harmlos und zudem ihre Wirkorte und Nebenwirkungen vielfach ungeklärt sind, warnte Stein abschließend vor einem übertriebenen Hype um diese Gruppe.

Weniger Probleme bei Kosmetika

Den Grenzbereich der Phytopharmaka zu den Kosmetika beleuchtete Dr. Eva-Maria Lohmüller, Schwäbisch Gmünd. Auch hier gibt es zwar Überschneidungen, wie etwa bei pflanzlichen Auszügen aus Arnika oder Kamille, oder auch fragwürdige Auslobungen, aber unter dem Strich scheint hier das Konfliktpotenzial bei Weitem nicht so groß zu sein wie im Grenzbereich zu den Lebensmitteln.

hb


DPhG-Bericht 1. Teil


Den ersten Teil des Tagungsberichtes finden Sie in DAZ Nr. 41 auf Seite 104, auf Seite 106 sowie auf Seite 145 (Auszeichnungen).


Der Deutsche Apotheker Verlag war bei der DPhG-Jahrestagung mit neuen Fachbüchern und aktuellen Zeitschriften vertreten.
Foto: DAZ/hb

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.