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DPhG
Gemeinsam über Fachgrenzen hinaus
Zahlreiche Vorträge waren dem Motto der Tagung "Personalisierte Therapeutika – Traum oder Wirklichkeit?" gewidmet. Die übrigen Präsentationen spannten thematisch einen weiten Bogen von den Infektionskrankheiten über neue Therapieansätze bei Diabetes mellitus und Krebs bis hin zu modernsten Technologien wie z. B. Polymeren im Mikro- und Nanomaßstab für Arzneistoff-freisetzende Carrier, hob Tagungspräsidentin Prof. Dr. Christel C. Müller-Goymann in ihrer Eröffnungsansprache hervor. Sie verwies außerdem darauf, dass 2010 ein besonderes Jahr für die Braunschweiger Pharmazie sei, denn vor 175 Jahren wurde sie am damaligen Collegium Carolinum, dem Vorläufer der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina, als Studienfach eingeführt.
Doch der einzige Hochschulstandort der Pharmazie in Niedersachsen präsentiert sich alles andere als "altehrwürdig". Eine "Aufbruchstimmung" sei zu spüren, hob Prof. Dr. Thomas S. Spengler, Vizepräsident für Forschung und Technologietransfer der TU Braunschweig, in seinem Grußwort hervor. In den letzten Jahren wurden insgesamt sechs Professuren an der Braunschweiger Pharmazie neu besetzt und damit erfolgreich ein Generationswechsel vollzogen.
Besonderheiten der Braunschweiger Pharmazie
Heute lernen rund 700 Studierende, darunter knapp 80 im ersten Semester, an den vier pharmazeutischen Instituten. Zu den Besonderheiten der Braunschweiger Pharmazie zählen nach Spenglers Worten die an der Schnittstelle von Natur- und Geisteswissenschaften angesiedelte Abteilung für Geschichte der Naturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Pharmaziegeschichte sowie der Sondersammelschwerpunkt Pharmazie der Deutschen Forschungsgemeinschaft in der Universitätsbibliothek, die umfangreichste Sammlung pharmazeutischer Bücher und Zeitschriften in Mitteleuropa.
Spengler verwies auch auf zukunftsweisende Entwicklungen im 2007 vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zur "Stadt der Wissenschaft" gekürten Braunschweig. Eines von vielen Beispielen sei TRAIN, eine von der Europäischen Union geförderte Translationsallianz, die die Forschungsschwerpunkte in der Region Braunschweig-Hannover vereinigt. Ziel sei es, neue Therapiekonzepte von der Grundlagenforschung bis in die therapeutische Anwendung hinein rasch voranzubringen (siehe Kasten).
Auch BRICS, das Braunschweiger Integrierte Centrum für Systembiologie, eine Kooperation zwischen der Technischen Universität Braunschweig und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, sei ein Beispiel dafür, wie Wissenschaftler verschiedener Fachdisziplinen ihre Forschungsaktivitäten bündeln und zukunftsfähig machten.
Forschung in BraunschweigHelmholtz-Zentrum für Infektionsforschung: TRAIN: interdisziplinärer Verbund, in dem Infrastruktur und Know-how aus Mathematik, Biologie, Chemie, Pharmazie, Medizin, Tiermedizin und Informatik eng miteinander verzahnt sind. Ziel ist die konsequente Weiterentwicklung neuer Wirkstoffkandidaten und Impfstoffe aus der Grundlagenforschung in die präklinische und klinische Entwicklung: |
Menschen sind keine Standardprodukte
Als Vertreterin des öffentlichen Gesundheitswesens überbrachte Dr. Sabine Pfingsten-Würzburg, Leitende Medizinaldirektorin der Stadt Braunschweig, ein Grußwort. Sie würdigte vor allem das umfangreiche Programm der Jahrestagung. "Wir wissen, dass Menschen keine Standardprodukte sind und dass ihnen Standardmedikationen nur unzureichend gerecht werden. Wir benötigen maßgeschneiderte Therapien und Arzneimittel", kommentierte sie das Tagungsmotto. Pfingsten-Würzburg äußerte die Hoffnung, dass die personalisierte Medizin bzw. personalisierte Therapeutika eines Tages auch dazu beitragen könnten, der Resistenzentwicklung bei Infektionserregern vorzubeugen. Denn multiresistente Keime stellen zunehmend ein Problem dar, auch in Braunschweig, wo jedes Jahr einige multiresistente Tuberkulose-Erkrankungen auftreten.
Pfingsten-Würzburg verwies außerdem auf das eng geknüpfte Netz an Kooperationsbeziehungen zwischen der TU, dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und dem Städtischen Klinikum. Sie zeugen davon, dass in Braunschweig Wissenschaft und Praxis den Kontakt nicht verloren haben, sodass Forschungsergebnisse schnell in die Praxis überführt werden können. Beispielhaft erwähnte sie, dass Kollegen des Städtischen Klinikums im Fach Klinische Pharmazie regelmäßig Gastvorlesungen halten.
Brücken schlagen zwischen den Disziplinen
Prof. Dr. h.c. Joachim Klein, Präsident der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft, verwies in seinem Grußwort darauf, dass diese Gesellschaft als eine Akademie der Wissenschaften die führenden wissenschaftlichen Köpfe der Hochschulen Braunschweig, Hannover und Clausthal vereint. In den Mittelpunkt ihrer Arbeit stelle sie den wissenschaftlichen Gedankenaustausch.
Ziel sei es, die Geistes-, Natur-, Ingenieur- und Lebenswissenschaften so miteinander zu vernetzen, dass dieser Gedankenaustausch neue Ideen und Konzepte hervorbringen kann. Die Öffentlichkeit werde in zahlreichen Veranstaltungen wie z. B. Symposien darüber informiert und zur Diskussion angeregt.
Klein erwähnte, dass sich Braunschweig nicht nur mit dem Titel "Stadt der Wissenschaft 2007" schmücken darf, sondern – gestützt durch eine Statistik der Europäischen Union aus dem Jahre 2005 und einer Analyse der Deutschen Bank Research – auch den Titel "heißeste Forschungsregion Europas" trägt.
Das Programm der DPhG-Jahrestagung ist nach Kleins Worten ein gutes Abbild einer Entwicklung, bei der neue Konzepte und Ideen vor allem dadurch entstehen können, dass die traditionellen Grenzen zwischen den einzelnen Wissenschaftszweigen überschritten werden.
Zum Weiterlesen175 Jahre jung geblieben – die Pharmazie an der TU Braunschweig DAZ 2010, Nr. 24, S. 56 www.deutsche-apotheker-zeitung.de |
Die DPhG – eine schlagkräftige Organisation
DPhG-Präsident Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz stellte seinem im Namen des DPhG-Präsidiums überbrachten Grußwort voran, dass die DPhG stolz darauf ist, ihre Jahrestagung 2010 in Braunschweig abhalten zu dürfen. Er betrachte es als etwas Besonderes, dass das Fach Pharmazie hier bereits seit 175 Jahren fester Bestandteil einer Technischen Universität sei. Braunschweig habe zudem etwas geschafft, was andere Universitäten noch erreichen möchten, nämlich über die Fächergrenzen hinaus Schwerpunkte zu fördern und Profile zu schärfen. Er brachte die Überzeugung zum Ausdruck, dass das an der TU Braunschweig geplante Zentrum für Pharmazeutische Technologie und Verfahrenstechnik wegweisend für andere Pharmazeutische Institute in Deutschland sein werde. Auch was die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses betrifft, zeige sich die Braunschweiger Pharmazie beispielgebend für andere Hochschulstandorte.
In Bezug auf die DPhG zeigte sich Schubert-Zsilavecz überzeugt davon, dass wohl keine andere wissenschaftliche Gesellschaft in den vergangenen zehn Jahren eine derartige Reformdynamik aufzuweisen hat. Wichtige Eckpunkte dieser Entwicklung seien die Neuausrichtung der DPhG-Mitgliederzeitschrift "Pharmazie in unserer Zeit" und die Einrichtung einer professionellen Geschäftsführung – bei niedrigen Verwaltungskosten – gewesen. Ein weiterer notwendiger Schritt war seiner Ansicht nach die auf der Hauptversammlung 2009 in Jena beschlossene Vereinheitlichung des Statuts. Dadurch werde die DPhG nach verschiedenen Strukturveränderungen in wenigen Monaten eine einheitliche und starke Gesellschaft darstellen. Auch die Mitgliederzahl habe sich erfreulich entwickelt – vor zehn Jahren waren es 4700, inzwischen sind es knapp 10.000.
"Viele von Ihnen werden nicht nur mit dem Gefühl nach Hause fahren, dass sie eine Jahrestagung in einer wunderbaren Stadt erleben durften, sondern auch, dass ihre Veranstaltungen und Präsentationen dazu beigetragen haben, ein Fenster in die Zukunft zu öffnen", schloss SchubertZsilavecz sein Grußwort.
*Teil 2 des Berichtes zur DPhG-Jahrestagung finden Sie in DAZ Nr. 42
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