Fortbildung

Eine kleine Gemeinschaft, die Hilfe braucht

Sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene wurden gemeinsame Anstrengungen von Industrie und Gesundheitsbehörden unternommen, um geeignete Anreize für die Entwicklung von Arzneimitteln für seltene Krankheiten, sogenannte Orphan drugs, zu geben. Ziel ist die schnelle Verfügbarkeit von hochwertigen Arzneimitteln, die für die Vorbeugung, Diagnose oder Behandlung von seltenen Leiden bestimmt sind, wie Dr. Matthias Dormeyer, MDC RegAffairs GmbH, Köln, ausführte.

Die Kompetenzaufteilung hinsichtlich gesundheitspolitischer Fragestellungen in Europa führte später als in den USA zu maßgeblichen Richtlinien. In den USA wurde schon 1983 der Orphan drug Act erlassen, in Europa trat erst 2000 die Orphan Regulation in Kraft. Darin wird ein Arzneimittel als Orphan drug ausgewiesen, wenn es für die Diagnose, Vorbeugung oder Behandlung einer Krankheit bestimmt ist, von der in der Gemeinschaft weniger als fünf von zehntausend Personen betroffen sind, oder zur Behandlung einer schweren oder einer Invalidität verursachenden Krankheit bestimmt ist und es ohne Anreize vermutlich nicht in den Verkehr gebracht wird, und es für diejenigen, die von diesem Leiden betroffen sind, von erheblichem Nutzen ist.

Die Kriterien für die Einstufung als seltene Krankheit sind örtlich unterschiedlich geregelt:

  • EU: weniger als 250.000 Patienten pro Jahr oder 5 pro 10.000 Einwohner

  • USA: weniger als 200.000 Patienten pro Jahr oder 7,5 pro 10.000 Einwohner

  • Japan: weniger als 50.000 Patienten pro Jahr oder 4 pro 10.000 Einwohner

  • Australien: weniger als 2000 Patienten pro Jahr oder rund 1 pro 10.000 Einwohner

  • WHO-Definition: weniger als 6,5 Millionen oder weniger als 10 pro 10.000 Einwohner


  • Die Patienten mit seltenen Leiden haben dasselbe Recht auf eine gute Behandlung wie andere Patienten auch. Daher sollten Anreize geschaffen werden, für die sehr teure Entwicklung von Arzneimitteln für diese Orphan diseases. Die Marktexklusivität ist solch ein Anreiz in Japan und den USA.

Matthias Dormeyer
Foto: DAZ/ck

Die Entwicklung von Oprhan drugs ist ein dreistufiges Verfahren: der Ausweisung des Arzneimittels für eine seltene Erkrankung (Designation) folgt die Entwicklung des Arzneimittels und schließlich die Zulassung als Orphan drug.

Der innerhalb der Europäischen Arzneimittelagentur eingesetzte Ausschuss für Orphan Medicinal Products (COMP) soll innerhalb von 90 Tagen eine Stellungnahme zu den Anträgen auf Ausweisung von Arzneimitteln als Orphan drugs abgeben. Die Kommission verabschiedet dann innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Stellungnahme eine Entscheidung. Das COMP ist für die Überprüfung der Anträge von Einzelpersonen oder Unternehmen verantwortlich. Weiterhin übernimmt es Beratungstätigkeiten für Investoren und unterstützt die Kommission bei allen Diskussionen und Entscheidungsfindungen hinsichtlich Orphan drugs. Als Orphan drugs ausgewiesene Arzneimittel werden in ein Gemeinschaftsregister eingetragen. Sie werden mit einer so genannte Orphan drug designation versehen, einem Aufkleber, der schon während der Entwicklung für einen Benefit für den Hersteller sorgt. Auf Orphan drugs wird das zentralisierte Verfahren für das Inverkehrbringen angewandt, die Zulassung erfolgt in allen Ländern der EU. Das COMP erteilt keine Zulassungen, es berichtet nur auf den monatlichen Treffen bei der EMA und beurteilt nur, ob die Kriterien für ein Orphan Drug Status erfüllt sind. Die abschließende Bewertung von Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit wird durch das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) vorgenommen, das auch für "normale" Arzneimittel zuständig ist. Wurde eine Zulassung für ein Orphan drug erteilt, so gilt für dieses Arzneimittel zehn Jahre lang ein Alleinvertriebsrecht, die Firma erhält einen Marktschutz. Von der Kommission und den Mitgliedstaaten können weitere Anreize geschaffen werden, um die Entwicklung und Verfügbarkeit von Orphan drugs zu verbessern, insbesondere Forschungshilfe zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen.

Vor Einführung der EU-Verordnung waren fast keine Therapiemöglichkeiten für seltene Krankheiten verfügbar. Seit Inkrafttreten wurden 1100 Anträge auf Designation gestellt, 720 Registrierungen vorgenommen und 62 Zulassungen für 53 Erkrankung erteilt.

Die Marktzulassung eines bestimmten Medikamentes führt aber nicht zwangsläufig zur Vermarktung in allen europäischen Ländern. Der Inhaber der Zulassung muss im Vorfeld über die Möglichkeit einer Vermarktung innerhalb der einzelnen Länder entscheiden. Das Medikament wird dann den jeweiligen landesspezifischen Vorgehensweisen unterzogen, die üblicherweise Handhabung und Preisgestaltung des Medikamentes betreffen. Als Folge bekommen die Patienten leider nicht immer Zugriff zu Orphan drugs, obwohl sie zugelassen sind. ck

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