Bayerischer Apothekertag

Fragen kann nie schaden

Das sollte uns bewusst sein: Das Gespräch mit Patienten ist nicht nur eine der wichtigsten, sondern sicher auch eine der häufigsten Handlungen von Ärzten und Apothekern. Aber: In keinem Bereich haben Ärzte und Apotheker weniger Ausbildung. Dementsprechend häufig werden im Gespräch mit Patienten gravierende Fehler gemacht. Der Dermatologe und Theologe Prof. Dr. Matthias Volkenandt, Dermatologikum Hamburg, gab Tipps und Tricks für eine gute Gesprächsführung, die besonders im Umgang mit Schwerstkranken hilfreich sein kann.
Prof. Dr. Matthias Volkenandt

Es ist ein Skandal, so Volkenandt, dass der Heilberuf auf dem Gebiet der Gesprächsführung keine Ausbildung hat, obwohl das Gespräch eine der häufigsten Handlungen von Ärzten, Apothekern und ihren Mitarbeitern ist. "Jeder Staubsaugervertreter ist auf diesem Gebiet mehr ausgebildet."

Wie wichtig das Gespräch ist, zeigt die Erkenntnis, dass die Kommunikation maßgeblich das Befinden des Patienten und ihrer Begleiter bestimmt. Eine gelungene Kommunikation ist ein Hauptgrund der Zufriedenheit von Patienten. Und im Umkehrschluss ist eine misslungene Kommunikation ein Hauptgrund der Enttäuschung und Unzufriedenheit von Patienten.

Da Gesprächsführung im Medizinbetrieb zu wenig gelehrt wird, haben viele Ärzte und Apotheker auch Angst davor, Gespräche mit Patienten, die sich in schwierigen Situationen befinden, zu führen, Angst vor Emotionen und Tränen.

Noch vor einigen Jahren ging man davon aus, Krebspatienten nicht offen über ihre Erkrankung aufzuklären und darüber zu sprechen. Man fürchtete einen zu großen Schock des Patienten, Weinen und Trauer, unkontrollierte Aggressionen. Man ging davon aus, dass es besser sei, wenn der Patient noch eine sorgenfreie Zeit genießen könne. Und man befürchtete, dass das Vertrauen in die ärztliche Kompetenz nachlassen könnte.

Heute weiß man, dass es genau umgekehrt ist: Es ist besser, mit dem Patienten offen zu kommunizieren. Der Patient hat ein Recht darauf, über seine Erkrankung aufgeklärt zu werden. Der schwerstkranke Patient darf um seine restliche Lebenszeit nicht betrogen werden, er muss sie nutzen können, um beispielsweise zwischenmenschliche Dinge zu regeln. Eine offene Kommunikation baut hier ein Vertrauensverhältnis auf.

Irrtümer über Kommunikation

Falsch ist es anzunehmen, Kommunikation sei nicht lernbar (Kommunikation "kann man oder kann man nicht"), genauso wie die Ansicht, Kommunikation sei einfach ("reden kann doch jeder"). Auch die Meinung, die kommunikative Kompetenz nehme mit dem Alter und der Erfahrung zu, sei so nicht richtig. Falsch ist es auch zu glauben, der Patient will nicht reden, sondern gesund werden. Volkenandt: "Wer gesund werden will, will reden!" Eine Brustkrebspatientin sagte: "Warum merken Ärzte und Apotheker nicht, dass man dann, wenn sie nichts mehr für einen tun können, sie am meisten braucht."

Auch der Hinweis, die Zeit sei für ein Gespräch zu kurz, kann so nicht gelten, denn: Ein gutes Gespräch dauert nicht länger als ein schlechtes Gespräch.

Grundregel der Kommunikation mit Patienten

Als wichtigste Regel der Kommunikation mit Patienten gilt: Ein gelungenes Gespräch hilft dem Patienten kognitiv, auf der fachlichen Inhaltsebene (er erhält die Informationen, die er braucht) und auf der emotionalen Ebene, der Beziehungsebene ("Ich bin gehört und verstanden worden"). Genau diese Beziehungsebene ist die einzige Ebene, die der Patient auch noch länger im Gedächtnis behält. Den Inhalt eines Gesprächs vergisst man in der Regel eher, aber wie man sich bei einem Gespräch fühlte, weiß man noch nach Jahren, verdeutlichte es Volkenandt: Auf der Beziehungsebene hinterlässt man Spuren, denn "man kann nicht nicht kommunizieren". 

WIPIG Auf dem Bayerischen Apothekertag dabei: das Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen mit seinem Geschäftsführer Dr. Helmut Schlager.

Fragen kann nie schaden

Ein häufiger Fehler in schwierigen Gesprächen mit Patienten ist eine verfrüht gegebene sachliche Antwort. Dadurch werden Probleme missverstanden, Wichtiges bleibt oft unerwähnt, eine Strukturierung der Angst wird unmöglich und der Stress nimmt zu.

Bevor man ins Fachliche geht, sollte erst eine empathische Antwort gegeben werden. Zur empathischen Antwort gehört es, die Gefühle, Meinungen und Ansichten des Patienten nicht zu bewerten und nicht vorschnell argumentativ zu beantworten. Vielmehr sollte man die Gefühle und Ansichten des Patienten benennen: "Ich höre dich und verstehe, was du meinst." Dies sollte unabhängig von eigener Zustimmung und eigenen Gefühlen geschehen, von eigenem Ausbildungsstand und von der verfügbaren Zeit.

Besonders wichtig im Gespräch ist auch: das aktive Zuhören und schweigen können, den Patienten sprechen lassen. Danach ist es am Besten, Fragen zu stellen wie: "Was meinen Sie damit? Bitte erzählen Sie mir mehr darüber." Oder: "Wie kommt das, dass Sie das jetzt sagen?" Um die Bedeutung von Fragen in schwierigen Gesprächen zu unterstreichen, formulierte Volkenandt den Merkspruch: "Fragen kann nie schaden. Ratschläge sind dagegen oft nichts als vorschnelle Schläge."

Es empfiehlt sich, die Antwort des Patienten mit eigenen Worten zu wiederholen – dadurch fühlt sich der Patient verstanden. Ein Ratschlag kann dann auch in Frageform gegeben werden, etwa nach dem Muster: "Was halten Sie davon, wenn Sie …?"

Anhand zahlreicher Beispiele konnte der Referent diese Technik verdeutlichen. Ein Patient, der eine Chemotherapie bekommt: "Ich habe Angst vor der Chemotherapie!"

Frage an den Patienten: "Wovor haben Sie genau Angst?"

Oder die häufige Frage von Patienten: "Was machen wir, wenn auch diese Therapie nicht wirkt?" Eine passende Erwiderung darauf ist: "Wenn Sie das sagen, dann haben Sie Angst vor …" Der Patient: "Sie sind der Erste, der mich versteht."

Und eine der schwierigsten Fragen: "Wie lange werde ich noch leben?" Als mögliche Gegenfragen bieten sich an:

  • "Was meinen Sie, was ist Ihr Gefühl?"

  • "Was ist der wichtigste Grund für Sie, dies zu wissen?"

  • "Was meinen Sie damit, wenn Sie dies fragen?"

  • "Wie kommt es, dass Sie dies jetzt fragen?"

Und: Man sollte solche Gespräche am besten führen, wenn man mit dem Patienten zusammensitzt.

Inhaltsverzeichnis: Bayerischer Apothekertag in Rosenheim




DAZ 2011, Nr. 21, S. 56

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