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Bayerischer Apothekertag
Wie man unternehmerisch handeln kann
Die Umsatzentwicklung in den bundesdeutschen Apotheken entwickelt sich rückläufig. Am Beispiel der typischen Apotheke (West) in der Umsatzgrößenklasse 1,2 bis 1,5 Mio. Euro zeigte Hasan-Boehme den Rückgang. Bereits in den Jahren zuvor zeichnete sich ein stetiger Rückgang des Gesamt-Rohgewinns von 26,9% (vom Nettoumsatz) in 2007 auf 26,3% in 2010 ab. Wie die Tabelle 1 zeigt, lag die Rentabilität der typischen Apotheke im vergangenen Jahr bei nur noch 5,8%.
Für das laufende Jahr wird es nicht besser werden, da die Apotheke mit verschiedenen Forderungen zurecht kommen muss:
• Tarifabschluss für 2011/12 (+2%)
• GKV-Versicherungsbeiträge (+0,6%-Punkte)
• Versorgungsgesetzentwurf
• Abschlagsanpassung
• Arzneimittel-Rahmenvereinbarungen (-3,6% AMNOG, +3,8% Innovative Arzneimittel)
• ApBetrO-Novelle?
• AMNOG-Umsetzung
Tab. 1: Rentabilität der typischen Apotheken 2010 | |||
Typische Apotheke – vorläufig |
2010 in T€ |
in % |
Änderung* in % ggü. 2009 |
Netto-Umsatzerlöse |
1.299,0 |
100,0 |
2,3 |
./. Wareneinsatz |
962,6 |
74,1 |
2,3 |
Rohgewinn |
336,4 |
25,9 |
2,3 |
./. Personalkosten
./. übrige Kosten
|
145,5
115,6
|
11,2
8,9
|
3,9
1,4
|
Betriebsergebnis Apotheke (vor Steuern) |
75,3 |
5,8 |
0,5 |
* Prozentuale Änderung der absoluten Beiträge. |
Einbußen durch das AMNOG
- Allein durch das AMNOG erleidet die Apotheke massive Einbußen:
- Erhöhung des GKV-Abschlags auf 2,05 Euro
- Großhandelsabschlag von 0,85% vom ApU, Belastung der Apotheker durch Überwälzung
- Packungsgrößenumstellung 2011, Mengenkorridore erhöhen Handlungsaufwand, erschweren Lagerhaltung und Auswahl bei Rabattvertrags-Arzneimittel und aut idem
- Mehrkostenregelung
- Senkung der Impfstoffpreise
- Nutzenbewertung für neue Arzneimittel
Allein die Erhöhung des GKV-Zwangsabschlags für 2011 und 2012 beschert der Apotheke Einbußen für dieses Jahr von rund 5600 Euro. Und zum Abschlag 2009/10 läuft noch immer ein Schiedsverfahren mit ungewissem Ausgang.
Stark belastet werden die Apotheken auch durch Maßnahmen des Großhandels. Beispielsweise wälzt der Großhandel seinen Abschlag von 0,85% und oft sogar noch das Mehrfache dieses Abschlags durch neue Konditionen auf die Apotheken ab. Als Begründung für diese Maßnahmen führt der Großhandel die Kürzungen der Bezugskonditionen der Hersteller an, kaum noch Preiserhöhungen und daraus resultierende Margengeschäfte. Außerdem leidet der Großhandel daran, dass sich die Marge im hochpreisigen Bereich durch den 0,85%-Abschlag deutlich reduziert: bei 8470 Euro ist die Marge gleich Null. Apotheken werden durch deutlich verschärfte Retourenregelungen belastet: teils Gebühren pro Packung, reduzierte Zeiten zur Rücksendung. Großhandlungen verlangen von den Apotheken einen AMNOG-Abzug (Ausnahme Sanacorp), bei Rx und Non-Rx gibt es schlechtere Angebote und Konditionen, die Retourenbedingungen verschlechtern sich, die Liefertouren und die Zahlungsmodalitäten. Tabelle 2 zeigt ein Beispiel, dass sich ein vereinbarter Rabatt von 6% auf Rx auf 3% effektiv verkleinert.
Tab. 2: Großhandelsrabatte, ein Beispiel: Vereinbart sind 6,0% auf Rx … | |||
Umsatz |
Vorteil |
||
Rx-Umsatz (Rabatt inkl. Skonto) |
32.000,00 Euro |
1920,00 Euro |
6,00% |
Rx-"Angebote" |
8000,00 Euro |
80,00 Euro |
1,0% |
Rx ohne Vorteile |
6000,00 Euro |
2000,00 Euro |
0,00% |
Summe |
46,000,00 Euro |
2000,00 Euro |
4,35% |
./. AMNOG-Abschlag 0,85% vom Rx-Umsatz |
– 391,00 Euro |
||
./. Pauschalabzug 0,05% vom Umsatz |
– 230,00 |
||
Rx-Vorteil effektiv |
1379,00 Euro |
3,00% |
Hochrechnung für 2011
Rechnet man auf Basis des 1. Quartals die Auswirkungen des AMNOG auf das Jahr 2011 hoch, ergibt sich eine massive Verschlechterung des Rohgewinns (in % des Netto-Umsatzes) um 1,4%-Punkte von 25,9 auf 24,5%. Die Ursachen für diese Verschlechterung liegen zu mehr als die Hälfte in verschlechterten Einkaufskonditionen und dem erhöhten Abschlag. In Zahlen bedeutet dies für die typische Apotheke einen Rückgang des absoluten Rohgewinns um -18.000 Euro gegenüber 2010.
Tabelle 3 zeigt eine Hochrechnung für die Rentabilität einer typischen Apotheke in 2011: das Betriebsergebnis sinkt gegenüber 2010 um 27,5% bzw. um 20.700 Euro (siehe auch die Grafik dazu) – ein dramatischer Rückgang, so die Steuerberaterin. Rechnet man weiter, zieht Steuern und Sozialabgaben ab, bleibt dem Apotheker einer typischen Apotheke nur noch ein Verfügungsbetrag im Jahr von 25.600 Euro (siehe Tab. 4). Im Vergleich dazu hat ein approbierter Mitarbeiter einen Verfügungsbetrag von 32.500 Euro.
Tab. 3: Rentabilität der Typischen Apotheken– Hochrechnung für 2011 | ||||
Typische Apotheke – Hochrechnung |
2011 in T€ |
in % |
Änderung* abs. in T€ |
Änderung in % ggü. 2010 |
Netto-Umsatzerlöse |
1.300,0 |
100,0 |
1,0 |
0,1 |
./. Wareneinsatz |
981,5 |
75,6 |
18,9 |
2,0 |
Rohgewinn |
318,5 |
24,5 |
-17,9 |
-5,3 |
./. Personalkosten
./. übrige Kosten
|
148,2
115,7
|
11,4
8,9
|
2,7
0,1
|
1,9
0,1
|
Betriebsergebnis Apotheke** (vor Steuern) |
54,6 |
4,2 |
-20,7 |
-27,5 |
Tab. 4: Jahres-Verfügungsbetrag (nach Steuern) | |||
2010 Tsd. Euro |
2011 Tsd. Euro |
Änd. in % |
|
Betriebsergebnis vor Steuern |
75,3 |
54,6 |
-27,5 |
./. ESt und Soli |
22,8 |
12,7 |
|
+ GewSt-Anrechnung (§ 35 EStG) |
7,6 |
4,7 |
|
./. Apo-Versorgung, KV |
21,0 |
21,0 |
|
= Verfügungsbetrag p.a. |
39,1 |
25,6 |
|
Zum Vergleich: Netto-Einkommen approb. Mitarbeiter (11. Berufsjahr + 15%): |
31,9 |
32,5 |
Was tun?
Auf Rettung warten, wird nicht genügen. Unternehmerisches Handeln ist angesagt, um sich gegen diese negative Entwicklung zu stemmen. Hasan-Boehme stellte mehrere Ansatzpunkte vor, über die man nachdenken sollte:
Ansatzpunkt Umsatzausweitung:
• Verstärkung eines zielgruppenorientierten Marketings (Kunden begeistern, Kundenbedürfnisse erfüllen, einheitliche OTC-Maßnahmen, Kundenbefragungen, Beratungskonzeptionen)
• Erschließung neuer Geschäftsfelder (Filialisierung? Heimbelieferung? Medikationsprofile?)
• Abheben von der Masse (z. B. sich auf lohnende Kundengruppen spezialisieren oder Alleinstellungsmerkmale entwickeln)
• Lokale Konkurrenzanalyse (Stärken/Schwächen Identifikation)
• Verstärkung der pharmazeutischen Kompetenz (Beratung, Dienstleistung, Kundenorientierung, Zusatzverkäufe, Preispolitik)
Ansatzpunkt Wareneinsatz und Rohertrag:
• Umsatzerhöhung beim Hauptgroßhandel (Verzicht auf Zweit- oder Drittlieferant)
• Lieferantenmix Großhandel und Direktbezug prüfen
• Reduzierung der Belieferungstakte (Anzahl Touren)
• Verbesserung des Skonto (durch frühere Zahlung der Sammelrechnung)
• Reduzierung von Retouren
• Optimierung zwischen Lager- und Lieferartikeln anhand von Absatzwahrscheinlichkeit und Roherträgen
Ansatzpunkt: Personal
• Personal als Erfolgsfaktor
• Einsatzplanung anhand Kundenfrequenz und Arbeitsaufkommen
• Förderung der Leistungsfähigkeit durch klare Strukturen, Stellenbeschreibung, Zielvereinbarung
• Team-Bildung und Mitarbeiterbefragung
• Personalknappheit = Talente halten durch Fördern und Fordern
• Neue Anforderungen durch neue ApoBetrO?
• Entlohnung
• Leistungsorientierte Vergütung
• "Mehr Netto vom Brutto"
Ansatzpunkt: Kostenmanagement
• Kosten-Nutzen-Verhältnisse (Kooperationen, Heimbelieferung, Blistern, …) kalkulie-ren
• Investitionen kritisch prüfen
• Kreditmanagement: Zins/Tilgung, Umschuldung
• Effizienzorientiertes Werbebudget
• Pachtzinsanpassung möglich?
Ansatzpunkt: Zukunftsfähigkeit
• Antizyklisch investieren?
• Umbau, EDV erneuern, Kommissionierer anschaffen
• Käufermarkt: Jetzt günstig Apotheken erwerben?
• Abwägung Verkäufer: Kaufpreis vs. weitere Tätigkeit
• Neuverteilung des Marktes: Umsatzgewinn durch Schließungen
• Aussagekräftige Diagnostik
• Apothekenspezifische Buchführung
• Differenzierte kurzfristige Erfolgsrechnung, Interner Betriebsvergleich
• Externe Betriebsvergleiche mit passgenauen Vergleichsgruppen
• Verfügungsbetrag, Liquiditäts- und Investitionsplanung
Was es sonst noch gabBegleitet wurde der Bayerische Apothekertag von einer Messe mit rund 30 Ausstellern. Außerdem stand ein reichhaltiges Rahmenprogramm mit Stadtführungen, Besichtungen und einer Botanischen Wanderung auf dem Programm. |
Publikumsaktion: "Ihre Gesundheit bewegt uns!"
Die Apotheker tagen in der Stadt! Dies merkte auch die Bevölkerung des Tagungsortes – nicht nur an den Hinweisschildern, Fahnen und Plakaten mit dem roten A, die in der Stadt den Weg zum Kongresszentrum weisen. Mittlerweile ist es – nach Regensburg, Bad Füssing und Würzburg – zu einer festen Einrichtung geworden, dass die Apotheker möglichst zentral in der Stadt ein großes Zelt aufschlagen, in dem Gesundheitsdienstleistungen aller Art angeboten werden.
In Rosenheim stand das Gesundheitszelt auf dem Ludwigsplatz. Apothekerteams aus Rosenheim hatten darin mehrere Stände aufgebaut, beispielsweise zur Blutdruck- und Blutzuckermessung, zur Aufklärung über Lebensstil und Prävention von Krankheiten oder zum Thema Soforthilfe bei kleineren Verletzungen.
Um das Augenmerk auch auf das Thema Sport und Bewegung zu lenken, hatten die Apotheker in Rosenheim neben dem Gesundheitszelt eine Kletterwand aufgebaut. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbands und selbst passionierter Kletterer, ließ es sich nicht nehmen, die Steilwand zu erklimmen – mit Erfolg, wie das Bild zeigt.
Inhaltsverzeichnis: Bayerischer Apothekertag in Rosenheim
Podiumsdiskussion: Immer noch: Großhandel und Apotheken in einem Boot
AMNOG-Auswirkungen und Handlungsoptionen: Wie man unternehmerisch handeln kann
DAZ 2011, Nr. 21, S. 58
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