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Die Vorbereitungen für die nächsten Biosimilars laufen

BERLIN (ks). Europa hat in Sachen Biosimilars die Nase vorn. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hatte sich gut auf den Patentablauf der ersten Biopharmazeutika seit dem Jahr 2004 vorbereitet. Rechtzeitig stand ihr klares Regelwerk für die Zulassung von Nachahmerprodukten biotechnologisch hergestellter Arzneimittel. Dieses wird sowohl von den forschenden wie auch den Biosimilar-Herstellern anerkannt.
Foto: Walter Kloos/Hoechst AG
Biopharmazeutika-Produktion Bald stehen in der nächsten Generation der Biopharmazeutika – den monoklonalen Antikörpern – Patentabläufe an.

Doch bald stehen in der nächsten Generation der Biopharmazeutika – den monoklonalen Antikörpern – Patentabläufe an. Die EMA arbeitet derzeit an einer speziellen Leitlinie für diese Produkte. Sie soll um den Jahreswechsel fertiggestellt sein. Diesmal hat die forschende Industrie durchaus Einwände gegen die EMA-Vorschläge.

Die Herstellung biopharmazeutischer Produkte ist eine komplexe Angelegenheit. Mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen lassen sich diese Arzneimittel nicht vergleichen. Aber auch innerhalb der Biopharmazeutika gibt es kleinere und größere Proteinwirkstoffe. Während beispielsweise das Wachstumshormon Somatropin aus rund 3000 Atomen besteht, kommt der IgG-Antikörper auf etwa 25.000 Atome, erklärt Dr. Karl-Heinz Grajer, stellvertretender Geschäftsführer des Biotechunternehmens Amgen und Vorstandsmitglied des Interessenverbandes vfa bio. Auch der Herstellungsprozess ist vielschichtig und aufwendig, die Kosten hoch. Am Ende steht nicht nur das Patent für den Wirkstoff. Es kommen auch solche für den Herstellungsprozess hinzu – bis zu 30 verschiedene Patente können so im Zusammenhang mit einem Präparat nötig werden. Daher betont die forschende Industrie auch stets, dass der Herstellungsprozess selbst das Produkt sei.

EMA-Vorgaben für Biosimilars

Nichtsdestotrotz: Auch für diese speziellen Arzneimittel kommt eines Tages der Zeitpunkt des Patentablaufs. Und angesichts der hohen Preise von Biopharmazeutika ist die Hoffnung auf günstigere Nachahmerprodukte groß. Nun ist der Nachbau von Biologicals ebenfalls nicht mit der gewöhnlichen Generikaproduktion zu vergleichen. Denn wirklich identisch können diese biotechnologischen Arzneimittel nur sein, wenn sie wirklich aus einer Produktionsstätte, "einem Kessel" kommen. Alles andere ist bestenfalls ähnlich, darum spricht man von Biosimilars. Und so schreibt die EMA für Biosimilars den Nachweis der Ähnlichkeit von Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels zu einem in der EU bereits zugelassenen Referenzprodukt vor. Während die Qualität vollständig und im Vergleich zum Referenzpräparat zu prüfen ist, gilt hinsichtlich der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit ein reduziertes Studienprogramm, mit der der Äquivalenznachweis zu erbringen ist. Was weitere Indikationen betrifft, so muss der Originalhersteller Phase-II- und Phase-III-Studien vorlegen, um eine Zulassungserweiterung zu erlangen. Für Biosimilars ist bislang die Ausweitung auf weitere Anwendungsgebiete – die sogenannte Extrapolation – wie für Generika ohne weitere klinische Studien möglich.

Bislang waren beide Seiten der Industrie zufrieden mit den bestehenden Vorgaben der EMA. Mittlerweile existieren Biosimilars von Somatropin-, Filgrastim- und Epoetin-Produkten. Seit Oktober gibt es für Apotheken Substitutionsvorschriften für diese Präparate. Allerdings sind diese sehr eng: Ausgetauscht werden darf wirklich nur, was "aus einem Kessel" kommt. Das gilt beispielsweise für die drei Filgrastim-Biosimilars Biograstim, Ratiograstim und Tevagrastim aus der Teva-Gruppe. Hier handelt es sich jeweils um den gleichen Wirkstoff des gleichen Herstellers – nur die Markennamen sind unterschiedlich. Der Austausch von Original und Biosimilar bleibt tabu – das Gleiche gilt für Biosimilars aus den unterschiedlichen Kesseln, etwa von Sandoz, Teva und Stada.

In den kommenden Jahren werden nun die ersten monoklonalen Antikörper aus dem Patent laufen. Den Anfang wird 2013 Rituximab (MabThera® von Roche) machen, im Jahr darauf wird Trastuzumab (Herceptin® von Roche) folgen. Biosimilarhersteller sind bereits kräftig dabei, sich vorzubereiten. So verkündete etwa Novartis jüngst bei der Vorstellung seiner Zahlen zum dritten Quartal, dass seine Generikatochter Sandoz eine laufende Phase-II-Studie für Rituximab, die im Dezember 2010 mit Patienten mit rheumatoider Arthritis begonnen wurde, nunmehr ergänzt. Jetzt sollen auch Patienten, die an bisher unbehandeltem follikulärem Lymphom leiden, für die Studie rekrutiert werden. Auch Stada arbeitet – gemeinsam mit Gedeon Richter Plc. ("Richter") – an Biosimilars für Rituximab und Trastuzumab.

Knackpunkt Extrapolation

Nun befindet sich auch die Arbeit an der EMA-Richtlinie für Biosimilars von monoklonalen Antikörpern in ihrer entscheidenden Phase. Ende 2011, Anfang kommenden Jahres soll die Guideline stehen. Bis Frühjahr letzten Jahres waren die betroffenen Verbände zur Kommentierung des EMA-Entwurfs aufgerufen. Tatsächlich hatten und haben die Originalhersteller – in Deutschland nicht zuletzt durch den vfa bio vertreten – Einwände. Sie halten es bei Biosimilars von monoklonalen Antikörpern nicht für ausreichend, nur pharmakokinetische und pharmakodynamische Studien vorzulegen. Erforderlich seien vielmehr vergleichende Sicherheits- und Wirksamkeitsstudien, erklärt Dr. Silke Maier, zuständig für Drug Regulatory Affairs bei Roche. Einen weiteren Knackpunkt sieht sie bei der Extrapolation auf andere Indikationen. So würden je nach Indikation unterschiedliche Endpunkte betrachtet. Wegen der verschiedenen Patientengruppen seien Sicherheitsrisiken denkbar, die nur in klinischen Studien evaluiert werden könnten. Patientensicherheit ist ein Argument, mit dem sich die Originalhersteller auf der sicheren Seite sehen.

Die Generikaunternehmen, die im Biosimilarmarkt mitmischen, fürchten dagegen zu hohe Anforderungen an die ohnehin schon komplexe Zulassung dieser speziellen "Nachahmer". Beim Generikaverband Pro Generika ist man jedenfalls überzeugt, dass die bisherigen Überlegungen der EMA in die richtige Richtung gehen. Wenn ein Referenzprodukt Nachweise für seine Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auch in weiteren Indikationen nachgewiesen habe, so müsse dies auch für ein Biosimilar gelten, das seine Vergleichbarkeit unter Beweis gestellt habe.

Ungeahnte Ausweitung der Indikationen

Dass sich die Indikationen für einen monoklonalen Antikörper rasch ungeahnt ausweiten können, zeigt das Beispiel Rituximab: Dieses Biopharmazeutikum startete als Orphan Drug gegen das Non-Hodgkin-Lymphom und die chronische lymphatische Leukämie. Es war der erste Antikörper der zur Behandlung von Krebs zugelassen wurde (FDA 1997). 2006 erhielt Roche für sein in Europa vertriebenes MabThera® die Zulassung gegen rheumatoide Arthritis – ein weitaus größeres Anwendungsgebiet. Kürzlich hat sich nun gezeigt, dass Rituximab auch beim chronischen Erschöpfungssyndrom zur Symptomlinderung beitragen soll (siehe DAZ 2011, Nr. 43, S. 68).



DAZ 2011, Nr. 44, S. 48

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