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- DAZ 46/2011
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Fortbildung
"Was man nicht erklären kann, sieht man gern als Rheuma an"
Die Frühdiagnose von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist ein zentrales Ziel der Rheumatologie. Ein frühestmöglicher Therapiebeginn führt zu erheblich besseren Behandlungseffekten. Die dabei erforderliche Diagnostik bezeichnete Keysser als "eine reine Sortierarbeit". Aufgabe des Rheumatologen ist es, die Symptome des Patienten gründlich zu erfragen und diese in "Schubladen" zu sortieren. Der rheumatische Formenkreis umfasse eine Vielzahl von Erkrankungen, die getrennt betrachtet werden müssen. Eine Kernfrage bei der Diagnosefindung ist die nach der betroffenen Struktur: Gelenk, Sehnenansatz, Sehnenscheide, Muskulatur, Nerv, Gefäß oder Knochen? Zweite Frage, die gestellt werden muss: wie viele Gelenke sind betroffen? Von einer Monarthritis spricht man, wenn eine entzündliche Erkrankung eines einzelnen Gelenks vorliegt. Bei einer Oligoarthritis sind zwei bis vier Gelenke betroffen, bei einer Polyarthritis mehr als vier Gelenke. Typische Monarthritiden sind Kristallarthropathien wie die Arthritis urica (Gicht,) oder eine infektiöse Arthritis, die bakteriell bedingt sein kann. Bei der Oligoarthritis sind meist Knie- und/oder Sprunggelenke, aber auch einzelne Finger- oder Zehengelenke betroffen. Zur Polyarthritis, bei der viele Gelenke in Mitleidenschaft gezogen sind, gehören unter anderem die rheumatoide Arthritis, die Psoriasis-Arthritis und Kollagenosen wie der systemische Lupus erythematodes. Die dritte Frage in der Diagnostik ist die nach dem Gelenkbefallmuster • Die Grundgelenke sind typischerweise bei der rheumatoiden Arthritis befallen. Charakteristisch für die Psoriasis-Arthritis ist ein Befall der Endgelenke, oft verbunden mit einer Nagelpsoriasis, ein Strahlbefall, bei dem ein ganzer Finger dick werden kann, eine Weichteilentzündung sowie Sehnenansatzentzündungen.
Auch der Beginn der Krankheit ist ein Diagnosekriterium: per akut oder außergewöhnlich plötzlich auftretend sind z. B. die Arthritis urica und eine septische Arthritis. Akut sind reaktive Arthritiden und das Löfgren-Syndrom. Subakut dagegen sind die rheumatoide und die Psoriasis-Arthritis. Weiterhin muss nach der Krankheitsdauer gefragt werden: beim palindromen oder wiederkehrenden Rheumatismus kommt es in unregelmäßigen Abständen zu Gelenkentzündungen, die innerhalb von Stunden bis Tagen verschwinden, dann aber auch wiederkehren. Tage bis Wochen hält die Arthritis urica an. Reaktive Arthritiden können Wochen bis Monate dauern, eine rheumatoide Arthritis Jahre. Um die Verwirrung komplett zu machen, müssen zusätzlich auch extraartikuläre Symptome bei Erkrankungen des entzündlich-rheumatischen Formenkreises ebenso beachtet werden, wie "rheumatische" Symptome bei Erkrankungen außerhalb des rheumatischen Formenkreises und internistische Probleme infolge der antirheumatischen Therapie.
"Rheumastatus" als rotes Tuch für Rheumatologen
Nur durch gezieltes und systematisches Fragen sowie eine ausführliche körperliche Untersuchung werden die Symptome erfasst, eingeordnet und eine Diagnose gestellt. Die Bestimmung des "Rheumastatus" hilft häufig für die Diagnose bzw. Ursachenabklärung von rheumatischen Schmerzen nicht weiter. Keysser bezeichnete ihn sogar als völlig unsinnigen Wert, der nur Geld für die Labormedizin beschaffe. "Es gibt keinen Laborwert, der das Vorliegen irgendeiner rheumatischen Erkrankung beweist", so Keysser. Vor allem der Rheumafaktor ist oft negativ, und trotzdem liegt eine rheumatische Erkrankung vor, dies ist z. B. bei der seronegativen chronischen Polyarthritis der Fall. Erst nach einer Diagnosestellung sollten ganz gezielt bestimmte Laborwerte erhoben werden, die die Diagnose stützen sowie der Beurteilung von Aktivität und Prognose dienen. Darüberhinaus zeigt die Kontrolle der Laborwerte Therapienebenwirkungen an. Als eine weitere Laboruntersuchung nannte Keysser die Untersuchung von Gelenkflüssigkeit. Obwohl sehr schnell sehr häufig Gelenke punktiert werden, wird die anschließende Analytik der Synovialflüssigkeit leider oft vernachlässigt. Dabei ermöglicht sie mit einfachen Mitteln (Zellzahl, Differenzial-Zellbild, Kristalsuche, bakteriologische Untersuchungen) die Differenzierung der Krankheitsgruppen.
ck
DAZ 2011, Nr. 46, S. 84
1 Kommentar
Rheuma durch Implantate und Zahnersatz.
von Menschenrechtler am 02.01.2020 um 15:24 Uhr
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