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Deutscher Apothekertag 2012
Bahr: Den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen
Bahr startete mit einem Blick in Länder, in denen Apotheken noch größere Probleme haben als hierzulande. Sicherlich möchte kein deutscher Apotheker mit einem griechischen oder spanischen Kollegen tauschen. Aber auch in Frankreich und den Niederlanden sieht die Situation nicht rosig aus. In einigen Ländern dominieren Ketten. In England zum Beispiel sind sie mit einem Lizenzsystem verknüpft – "ist das wirklich mehr Wettbewerb?", fragt sich Bahr. Er jedenfalls halte nichts von staatlicher Bedarfsplanung. Weiteres Ungemach drohe aus Brüssel bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen, so der Minister weiter. Geplant sei, die Regelung zu streichen, dass eine Apothekenbetriebserlaubnis nur dann an EU-ausländische Apotheker erteilt werden darf, wenn diese mindestens drei Jahre Berufserfahrung in dem Land gesammelt haben. "Eine solche Aufweichung lehnen wir ab", unterstrich Bahr.
Der Minister lässt nichts auf die deutschen Strukturen kommen. Freiberuflichkeit und Mittelstand sicherten eine gute Arzneimittelversorgung für die Patienten. Wenn zuweilen der Eindruck vermittelt werde, Apotheker reichten lediglich Arzneimittel "über den Tresen", so stimme dies nicht. Apotheker hätten eine besondere Ausbildung – und es habe gute Gründe, dass nur bei ihnen Arzneimittel zu beziehen sind. Keine Regierung, so betonte Bahr, habe das Fremd- und Mehrbesitzverbot so verteidigt wie die gegenwärtige. Und sie werde weiter für seinen Erhalt kämpfen. Wer die Verbote infrage stelle – wie etwa Grüne und SPD in ihren Parteitagsbeschlüssen – müsse auch die Konsequenzen benennen. Für ihn sei es jedenfalls von höchster Bedeutung, dass in der Apotheke unabhängig beraten wird und der Preiswettbewerb außen vor bleibt – jedenfalls im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel.
"Die Unterstützer der Apotheken sitzen in der Bundesregierung, die Gegner sitzen woanders." Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr |
Rohertragssteigerungen berücksichtigen
Was die nun erfolgte Vergütungsanpassung betrifft, so betonte Bahr, dass die 25 Cent ein Ausgleich für solche Kosten seien, die nicht durch Rohertragssteigerungen kompensiert werden. Es müsse durchaus berücksichtigt werden, wenn zehn Prozent mehr Packungen abgegeben wurden. Mit diesen Äußerungen erntete Bahr Kritik aus den hinteren Reihen im Versammlungssaal – dort hatten sich einige Apothekenprotestler eingefunden. Allerdings kamen sie mit ihren Zwischenrufen kaum durch bis zum Minister. Bahr nahm sie dennoch wahr und beschwichtigte: Auch wenn die Apotheker die 25 Cent-Erhöhung nur als "kleinen Schritt" sähen – sie sei eine wichtige Weichenstellung. Schließlich habe eine Regierung seit 2004 überhaupt das erste Mal eine Honoraranpassung vorgenommen. In den kommenden Jahren werde man sich hierauf berufen und regelmäßige Anpassungen fordern können. Bahr räumte auch ein, dass die zusätzliche Vergütung für Nacht- und Notdienste nicht kostendeckend sein könne – sie sei aber eine Anerkennung für diese Leistungen. Bahr betonte in diesem Zusammenhang erneut seine Dialogbereitschaft: "Man kann in der Sache unterschiedlicher Auffassung sein, aber der Gesprächsfaden darf nicht abreißen".
Keine Einheitsapotheke
Bahr betonte zudem, dass es in Deutschland keine Einheitsapotheke gebe – insofern sind die Auswirkungen der politischen Maßnahmen sehr unterschiedlich. Sowohl auf dem Land als auch in Ballungsräumen gebe es Apotheken mit großen Gewinnen – und solche, denen es weniger gut geht. Die Vielfalt sei auch zu begrüßen: "Wir wollen keine Einheitsversorgung und auch keine Einheitsapotheke." Die derzeit beklagten Apothekenschließungen sieht Bahr noch nicht kritisch. Die Arzneimittelversorgung sei jedenfalls nicht gefährdet. Was die Geschehnisse rund um den Apothekenabschlag betrifft, so zeigte sich Bahr wenig begeistert. Die Politik habe der Selbstverwaltung die Aufgabe übertragen, den Abschlag regelmäßig anzupassen. Doch offenbar sehe sich diese weniger als Partner, denn als Konfliktteilnehmer. Wenn schon ein Schiedsspruch zur Schlichtung von Unstimmigkeiten vorgesehen sei, so sollte es mit diesem "auch gut sein". Es wäre ein gutes Zeichen, wenn man in den jetzt wieder anstehenden Verhandlungen zu einer gemeinsamen Entscheidung komme. Wenn das nicht klappen sollte, sollte jedenfalls der Schlichterspruch akzeptiert werden, so der Minister.
ks
Lesen Sie dazu auch den Kommentar "Blendend".
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