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- DAZ 15/2013
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Seite 3
Das Ende der Komfortzone
Ist mit der Apothekenbetriebsordnung nicht eigentlich zumindest ein lang gehegter Traum in Erfüllung gegangen? Nämlich der Traum der Apotheker von einer gesetzlichen Grundlage, um ihren Heilberufskollegen auf der anderen Seite des Rezeptblocks in pharmazeutischen Fragen auf Augenhöhe zu begegnen.
Eine für manche zugegebenermaßen provokante These, aber an sich ist es doch wirklich zu begrüßen, dass der Gesetzgeber erkannt hat, dass die finale Entscheidung, ob eine Rezeptur plausibel ist oder nicht, bei den Apothekern am besten aufgehoben ist. Schließlich sind sie als Einzige überhaupt in der Lage, die Stabilität und Kompatibilität eines Arzneimittels kompetent zu beurteilen. Kompetenz bedeutet aber zugleich Verantwortung und damit das Ende einer Komfortzone, in der es sich viele lange Zeit mit Verweis auf die ärztliche Therapiehoheit bequem gemacht hatten.
Oft endet diese Komfortzone jetzt dort, wo bei Rezepturen eine Inplausibilität auftritt, die eine Rücksprache mit dem Arzt erforderlich macht. Dieser reagiert auf die, auch für ihn neue Situation, oft mit Unverständnis: "Machen Sie das einfach wie ich es aufgeschrieben habe. Wir machen das seit 30 Jahren so und es hat sich noch nie jemand daran gestört." Ein Satz, den man so häufig in der immer gleichen Formulierung zu hören bekommt, dass man fast annehmen möchte, er habe im Rundschreiben irgendeines Dermatologenverbandes gestanden. Dadurch wird dieses "Argument" allerdings nicht richtiger.
Im Gegenteil, hätten vorausgehende Generationen eine solche fortschrittsfeindliche Denkweise vertreten, würden Mediziner ihre Patienten noch immer zur Ader lassen, anstatt ihnen ein fiebersenkendes Arzneimittel zu verschreiben.
Nun darf von Ärzten aufgrund ihrer Ausbildung nicht unbedingt ein Bewusstsein für die physikochemischen Inkompatibilitäten bestimmter Wirkstoffkombinationen erwartet werden, anders hingegen bei Pharmazeuten, die es eigentlich besser wissen müssen.
Es ist daher besonders ärgerlich, wenn selbst auf einer Kammerveranstaltung empfohlen wird: "Machen Sie im Zweifelsfall ruhig was der Arzt möchte, solange das Arzneimittel nicht bedenklich ist, steht einer Abgabe nichts im Wege. Sie können ja die Aufbrauchfrist verkürzen."
Solche Äußerungen aus dem Mund eines Apothekers sind nicht nur ein Armutszeugnis, sie sind auch eine völlige Verkennung der Rechtslage und damit schlicht falsch. Denn wie der Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Valentin Saalfrank in seinem heutigen DAZ-Beitrag "Mangelnde Plausibilität" ausführt, enthält das Arzneimittelgesetz nicht nur ein Abgabeverbot für bedenkliche Arzneimittel, sondern auch für alle "Arzneimittel, die durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind" (§ 8 AMG).
Letzteres ist bei einer gemeinsamen Verarbeitung von bekanntermaßen inkompatiblen Substanzen oder bei einem bewussten Wirkstoffeinsatz außerhalb des rezeptierbaren pH-Bereichs aber unzweifelhaft gegeben. An dieser Stelle kommt die pharmazeutische Kompetenz ein zweites Mal ins Spiel. Sie bedeutet nämlich nicht nur Verantwortung, sie eröffnet auch Entscheidungsspielräume.
Denn laut § 7 ApBetrO ist der Apotheker bei der Wahl der Ausgangsstoffe, die keine eigene arzneiliche Wirkung haben und die arzneiliche Wirkung nicht nachteilig beeinflussen, frei. Das bedeutet, Pufferzusatz oder Grundlagenaustausch bedürfen nicht zwangsläufig einer Rücksprache oder gar einer Zustimmung des Arztes. Apotheker haben damit wesentlich mehr Möglichkeiten, eine an sich inplausible Rezeptur eigenverantwortlich "zu retten" als allgemein angenommen.
Das apothekerliche Alleinstellungsmerkmal der pharmazeutisch-galenischen Kompetenz ist für den Berufsstand Chance und Verpflichtung zugleich. Im Interesse der Patienten, aber auch in ihrem eigenen Interesse sollte die Apothekerschaft jede Gelegenheit nutzen, dies unter Beweis zu stellen. Dabei wird sich zeigen, dass auch ein Leben außerhalb der Komfortzone durchaus attraktiv sein kann.
Dr. Andreas S. Ziegler
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