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- DAZ 29/2013
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Von Büchern lernen
Der Blick über den Tellerrand lohnt fast immer. Zu schauen, wie andere Branchen mit Herausforderungen und Marktveränderungen umgehen, kann dem Blick auf die eigenen Probleme neue Schärfe geben. Und manchmal findet man einfach ein paar gute Ideen, die man übernehmen kann.
Der Buchhandel beispielsweise hat viel mit den Apotheken gemeinsam – bei allen Unterschieden, die es zwischen zwei Branchen immer gibt.
Eine wichtige Gemeinsamkeit ist die Bedrohung des bisherigen Geschäftsmodells durch das Internet und den Versandhandel. Den stationären Buchhandel hat diese neue Vertriebsform nur schon früher getroffen als die Vor-Ort-Apotheken (und auch hier kam der Angriff anfangs aus dem Ausland, in Form eines großen amerikanischen Versandbuchhändlers).
Interessant auch eine weitere Parallele: Beide Branchen kämpften geradezu verbissen, aber letztlich doch erfolgreich gegen eine drohende Gesetzesänderung "aus Europa", die das Ende bedeutet hätte für die Branche, wie man sie bis dato kannte. Genauso wie die ABDA mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mittel gegen die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzes ins Feld zog, kämpfte ungefähr zehn Jahre vorher der Börsenverein des deutschen Buchhandels, quasi die ABDA der Buchhändler und Verlage, gegen die Aufhebung der Buchpreisbindung.
Aber auch in den "Läden" vor Ort haben die beiden Branchen viele Gemeinsamkeiten. Die ausgeklügelte, leistungsfähige Logistik beispielsweise, dank derer Bestellungen innerhalb weniger Stunden im Laden bzw. der Apotheke sind. Diese schnelle Lieferung allerdings bietet jeder Buchladen und jede Apotheke in Deutschland – sie stellt keinen Wettbewerbsvorteil mehr dar. Diese schnelle Logistik führt auch dazu, dass der Kunde jedes lieferbare Buch in jedem Buchladen bekommen kann, so wie in jeder Apotheke jedes Arzneimittel. Was einen Wettbewerb über die Breite des Sortiments erheblich erschwert. Buchladen wie Apotheke haben in weiten Teilen preisgebundene Sortimente. Damit beschränkt sich der Preiswettbewerb auf ein relativ kleines Warensegment. Da bleibt nicht mehr viel, womit man sich von Kollegen und Konkurrenten – ob am Ort oder im Versand – unterscheiden kann.
Weil den Buchhandel viele Herausforderung schon früher als die Apotheken getroffen haben, denen sich die Apotheken ebenfalls stellen müssen, kann man in dieser Branche vielleicht auch Anregungen für erfolgreiche Gegenstrategien finden.
Zum Beispiel Spezialisierung: In großen (und zunehmend auch in kleineren) Städten gibt es seit einiger Zeit Buchhandlungen, die sich auf ein bestimmtes Segment konzentrieren, Kochbücher zum Beispiel oder Krimis. Dass eine solche Profilierung auch für Apotheken funktionieren kann, zeigt unsere Serie "Die etwas andere Apotheke" (s. Seite 54). In dieser Ausgabe stellen wir Ihnen die Koala-Apotheke aus Berlin Pankow vor, die mit einer naturmedizinischen Ausrichtung und einer Spezialisierung auf Phytopharmaka ausgesprochen erfolgreich ist.
Einen anderen Weg ist die Buchhandlung Osiander gegangen, ein "kleiner Riese" aus dem Südwesten Deutschlands. Das Wirtschaftsmagazin Brand eins hat den Geschäftsführer Christian Riethmüller interviewt. Er fasst den ausgeprägten ServiceGedanken seines Unternehmens so zusammen: "Kulanz ist keine Gnade". In seinem Betrieb hat er das auch schriftlich fixiert, für jeden Mitarbeiter zum Nachlesen. Zum Beispiel, dass Bücher anstandslos zurückgenommen werden – ob sie nun gelesen oder gar beschädigt sind oder nicht. Dass Gutscheine immer eingelöst werden, auch wenn sie eigentlich abgelaufen sind. Ja dass sogar Gutscheine anderer Buchhandlungen eingelöst werden. "Warum sollen wir einen Kunden zur Konkurrenz schicken", fragt Riethmüller, "wenn er sich entschieden hat, zu uns zu kommen?"
Zugegeben: Nicht alle seine Ideen lassen sich auf die Apotheke übertragen. Bücherkoffer zum Beispiel, mit denen Grundschulklassen und Kindergärten bestückt werden, um die Freude am Lesen und an Büchern möglichst früh zu wecken – diesen Ansatz sollten Apotheken mit Arzneimitteln vielleicht lieber nicht ausprobieren.
Aber Service auf einem neuen Niveau zu bieten, könnte selbst in einer so Service-orientierten Branche wie der Apotheke den Unterschied ausmachen. Oder den Kunden mit Spezialisierung und einer ausgeprägten Kompetenz und Spitzenberatung auf einem Gebiet wie der Phytopharmazie zu begeistern und an sich zu binden. Wenn es gelingt, die die Erwartungen der Kunden zu übertreffen und sie zu begeistern, dann kommen sie wieder. Und bestellen vielleicht seltener im Internet. Dass diese Strategie funktionieren kann, das zeigen viele erfolgreiche Buchhändler – und Apotheker.
Benjamin Wessinger
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