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Warum Closed-Shop-Politik?

Peter Ditzel Herausgeber der DAZ

Natürlich kann man das von der Versandapotheke DocMorris formulierte und soeben vorgelegte Konzept unter der Überschrift "Die neue Apotheke 2020 – mehr als nur eine Arzneimittelabgabestelle" als eigeninteressengesteuert oder auch nur als ärgerlich abtun. Vermutlich würde die ABDA sagen, man solle diesem Papier keine Bedeutung beimessen und keinen Raum geben. Aber damit würde man es sich zu einfach machen. Denn diese DocMorris-Ausarbeitung enthält "Erwartungen an die Politik nach der Bundestagswahl 2013", die für einige Politiker von Rot, Grün und sogar zum Teil von Schwarz viel Wasser auf deren Mühlen bedeuten könnten: Seht her, was wir schon lange fordern, das wollen die (Versand)Apotheken selbst. Wobei das Präfix "Versand" schnell auch mal weggelassen wird. Das Ärgerliche und Peinliche dabei: Es gibt kein offizielles und ordentliches Papier von Seiten unserer Berufsvertretung, das die Stoßrichtung, die Erwartungen der Präsenzapotheken an die Politik darstellen würde.

Einige der Ziele und Erwartungen, die hier aufgeschrieben sind, könnten sich 1:1 in einem neuen Leitbild für die zukünftige Apotheke wiederfinden. Allerdings – und das ist das Gefährliche an diesem DocMorris-Papier – sind diese Ziele hinterlistig verwoben und verknüpft mit den typischen Forderungen der Versender, die ein dereguliertes, von Wettbewerb auf allen Ebenen geprägtes Apothekensystem und einen freien Arzneimittelmarkt befürworten.

Beispiel: Die gleich zu Beginn des Papiers aufgeführten drei zentralen Herausforderungen des Marktes für Apothekendienstleistungen könnten wir so unterschreiben:

  • Die Einrichtung eines wirksamen patientenindividuellen Medikationsmanagements der Apotheken, das auch honoriert werden sollte.
  • Die Stärkung des Wettbewerbs auf dem Markt für Apothekendienstleistungen.
  • Die Sicherstellung der Versorgung des ländlichen Raumes mit Arzneimitteln und Apothekendienstleistungen.

Allerdings, bei der Art und Weise, wie diese Ziele erreicht werden sollen, hört die Zustimmung rasch auf: DocMorris plädiert dafür, den Spielraum für versorgungsbezogene Selektivverträge mit Apotheken zu erweitern. Außerdem sollten Apotheken auf wettbewerblicher Basis mit den Krankenkassen Verträge zur integrierten Versorgung abschließen, und ein Prämiensystem bei Rx-Arzneimitteln (Boni!) sollte zugelassen werden. Darüber hinaus sollte sich das System Apotheke für moderne Unternehmensorganisationen öffnen, sprich Apothekenketten. Und für den ländlichen Raum kann sich DocMorris den Apothekenbus und den "Apomaten" vorstellen in Verbindung mit dem eRezept, also eine auf einen Dispensierautomaten geschrumpfte Arzneimittelabgabestelle.

Dem hellhörigen Leser des DocMorris-Papiers klingen die Ohren: Die in diesem Konzept formulierten Erwartungen an die Politik sollen der Förderung der Versandapotheken dienen und auf allen Ebenen einen Wettbewerb einführen, bei dem Versender punkten. Fast niedlich und – wenn es nicht so ernst wäre – witzig dabei ist für mich die Selbstüberschätzung und Falscheinschätzung der Versandapotheke: Da wird in diesem Papier so getan, als ob es gerade die Versender seien, die hervorragend beraten könnten, die prädestiniert seien, ein patientenorientiertes Medikationsmanagement durchzuführen, und auserwählt seien, die Arzneimitteltherapiesicherheit zu gewährleisten. Dabei haben in den letzten Monaten und Jahren immer wieder Testkäufe in Versandapotheken gezeigt, dass sie nicht einmal Minimalstandards in punkto Beratung und Information erfüllen. Gerade die patientenorientierte Pharmazie ist von einer Versandapotheke nicht zu leisten: Hierfür ist der persönliche Kontakt erforderlich, der Apotheker muss den Patienten vor sich haben, sehen, mit ihm persönlich reden. Das ersetzt kein Telefonat, auch kein Videotelefonat und erst recht keine E-Mail.

Wie gesagt, das DocMorris-Papier kann man als Lobby-Papier auf die Seite legen. Das Ärgerliche ist, dass es als Solitär im Raum steht, dem nichts von offizieller Seite entgegensteht. Mehr als ärgerlich und schon peinlich ist es, dass es die ABDA nicht für nötig hielt, vielleicht auch nicht zustande gebracht hat, Erwartungen an die Politik nach der Bundestagswahl 2013 zu formulieren und vorzulegen. Für einige Politiker könnte es nun so aussehen, dass es der Versender DocMorris ist, der sich das Medikationsmanagement, den Wettbewerb in Dienstleistungen, die Sicherstellung der Versorgung im ländlichen Raum, kurz gesagt die Fortentwicklung der Apotheke auf seine Fahnen geschrieben hat.

Da drängen sich Fragen auf, z. B.: Warum hat die ABDA nicht schon längst ein modernes Leitbild entworfen? Warum versucht eine "Geheimkommission" hinter verschlossenen Türen ein Konzept für die zukünftige Ausrichtung der Apotheke zu entwerfen? Warum hat man keine öffentliche Diskussion über ein zukünftiges Leitbild angestoßen? Warum ging man nicht in die Fläche, in Kammern und Verbände, um mit allen, die daran teilnehmen wollen, ein Meinungsbild zum zukünftigen Apothekerberuf zu finden? Ehrlich gesagt, mir ist bei einer solchen Closed-Shop-Berufspolitik nicht wohl.


Peter Ditzel

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