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Diabetes Gesellschaft widerspricht IQWiG-Bewertung

BERLIN (jz). Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) protestiert gegen die Berichte des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zur Wirkstoffgruppe der Gliptine. Das Institut hatte ihnen überwiegend keinen Zusatznutzen bescheinigt. Internationalen Studien zufolge seien die Vorteile der DPP-4-Inhibitoren aber nachgewiesen, argumentiert die DDG. "Wir appellieren eindringlich an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), diese Berichte nicht zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen", fordert DDG-Präsident Dr. Erhard Siegel. Der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken, macht sich bereits Gedanken, ob bei der Nutzenbewertung Erkenntnisse aus der Versorgung berücksichtigt werden sollten.

Laut der DDG haben Diabetes-Fachgesellschaften weltweit die Studien zur Wirkstoffgruppe der DPP-4-Inhibitoren ausgewertet und den Nutzen für Diabetespatienten festgestellt: Die Wirkstoffe werden zusammen mit dem Antidiabetikum Metformin gegeben, schützen die Patienten vor gefährlichen Unterzuckerungen und lassen sie zudem Gewicht verlieren. "Ein Aus der Wirkstoffklasse widerspräche weltweiten Empfehlungen und Erfahrungen", mahnt Siegel. Es sei "unfair und wissenschaftlich nicht nachvollziehbar", den Diabetespatienten diese Medikamente vorzuenthalten.

Das IQWiG konnte bei der Bewertung der zwischen 2007 und 2009 in Deutschland zur Behandlung von Typ 2-Diabetikern zugelassenen Arzneistoffe Saxagliptin, Sitagliptin und Vildagliptin – entweder als Monopräparat oder als feste Kombination mit Metformin – nur für das Monopräparat Sitagliptin in der Kombination mit Metformin einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie ausmachen (siehe DAZ 2013, Nr. 27, S. 26). Und das auch nur für Patienten, bei denen eine Senkung auf normnahe Blutzuckerwerte angestrebt wird. Viele der durchgeführten Studien seien nicht geeignet, die Frage des Zusatznutzens zu beantworten, monierten die Wissenschaftler.

DDG: Entscheidung zu formal

Aus Sicht der DDG ist das nicht nachvollziehbar. Die lediglich formale Herangehensweise des Instituts lasse außer Acht, dass beispielsweise auch die Zulassungserweiterung der DPP-4-Inhibitoren für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ein Zusatznutzen sei. Dr. Andreas Fritsche, Mediensprecher der DDG: "Wir haben den Eindruck, dass bei der Nutzenbewertung nicht der Patient und die Frage, was seine notwendige medikamentöse Therapie besser und sicherer macht, im Mittelpunkt steht, sondern gesundheitspolitische und finanzielle Fragen." Die Fachgesellschaft hofft nun, dass der G-BA in einigen Wochen zu einer anderen Einschätzung kommt als das IQWiG.

Hecken hadert mit IQWiG-Methodik

Dort macht man sich offenbar auch Gedanken über die Methodik des IQWiG: Wie die "Ärzte Zeitung" berichtete (Ausgabe vom 29. Juli), gestand Hecken bei einer Veranstaltung der Barmer GEK in Deggendorf ein, dass bei der frühen Nutzenbewertung an der "ein oder anderen Stelle" auch schon falsche Entscheidungen getroffen worden seien. Welche er damit meinte, wollte er zwar nicht sagen. Laut "Ärzte Zeitung" verwies Hecken jedoch darauf, dass es bei der frühen Nutzenbewertung um Entscheidungen gehe, die sich unmittelbar auf die Patientenversorgung auswirkten. Das zeige sich deutlich am Beispiel der Gliptine: Es gebe Signale aus dem Versorgungsalltag, dass 15 bis 20 Prozent der Diabetiker profitierten, wenn statt eines Sulfonylharnstoffes ein Gliptin eingesetzt werde.

Versorgungsrelevanz berücksichtigen

Vor diesem Hintergrund überlegt der Unparteiische der Zeitung zufolge, ob fehlende Evidenz nach der IQWiG-Methodik durch Erkenntnisse aus der Versorgung ergänzt werden sollten. "Wir haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, Regelungen zu finden, die helfen, solche Evidenzfallen zu beseitigen", sagte er. Die Versorgungsrelevanz müsse in Entscheidungsprozessen des G-BA stärker berücksichtigt werden, etwa indem eine auf zwei Jahre befristete Nutzenbewertung vorgenommen werde. Hersteller könnten die fehlende Evidenz dann nachreichen. Für die Preisfindung bräuchte es dann ein eigenes Verfahren – vorstellbar sei hier der vom Unternehmen aufgerufene Preis etwa in Kombination mit Erstattungspreisen aus dem Ausland, so Hecken.

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