Gesundheitspolitik

Hecken: Viel pharmakologischer Sachverstand im G-BA

Der G-BA-Chef spricht mit der AZ über neue Aufgaben und sein gutes Verhältnis zu Apothekern

BERLIN (ks) | Josef Hecken, der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), ist überzeugt, dass sein Gremium bestens mit pharmazeutischem Sachverstand ausgerüstet ist. Ein Sitz der Standesvertretung der Apotheker im G-BA sei derzeit nicht vorgesehen – eine solche Entscheidung müsse ohnehin der Gesetzgeber treffen. Zudem laufe die Kommunikation und Zusammenarbeit mit ABDA, Deutschem Apothekerverband und Bundesapothekerkammer schon sehr gut, betonte Hecken im Gespräch mit der AZ. Künftig will er die Apotheken auch gerne bei Projekten zur Arzneimitteltherapiesicherheit einbeziehen – beispielsweise mithilfe des von der Großen Koalition geplanten Innovationsfonds.

Neue Aufgaben für den G-BA

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht einige neue Aufgaben für den G-BA vor. So soll er für die Vergabe von Mitteln aus einem neu zu schaffenden Innovationsfonds zuständig sein. Mit diesem Fonds will die Große Koalition innovative sektorenübergreifende Versorgungsprojekte und die Versorgungsforschung fördern. Finanzieren sollen ihn die Kassen; 300 Millionen Euro jährlich sind hierfür vorgesehen. Mit 225 Millionen Euro soll der Großteil in besondere Projekte zur Verbesserung der Versorgung fließen. Für die Vergabe der Mittel soll der G-BA die Kriterien festlegen. Sodann sollen Ausschreibungsverfahren durchgeführt werden. Nach vier Jahren werden die Projekte evaluiert.

Josef Hecken

Für Hecken eine reizvolle Aufgabe. Er kann sich viele förderungswürdige Projekte vorstellen. „Probleme mit Blick auf die Versorgung in der Zukunft, wenn die Menschen älter werden, gibt es genug“, so der G-BA-Vorsitzende. Er ist auch überzeugt, dass der G-BA die richtige Stelle ist, um Schwerpunkte zu setzen und die Mittel zu vergeben. Die Rahmenbedingungen müsse nun aber zunächst der Gesetzgeber festlegen. Für Hecken wäre es ein richtiger Ansatz, im G-BA auch mit anderen Organisationen der Selbstverwaltung – dazu zählen für ihn ausdrücklich auch Apothekerkammern und -verbände – „regionale Großprojekte“ zu entwickeln, die gefördert werden können. Er setzt auf das Engagement der an der Gesundheitsversorgung beteiligten Körperschaften vor Ort. Dort könnten die Probleme der Zukunft am besten erkannt werden. Klar ist für ihn auch: Er will nicht zahllose Kleinstprojekte fördern. Diese mögen für sich genommen gut sein. Um flächendeckend etwas zu ändern, seien sie jedoch wenig geeignet, belastbare Erkenntnisse für zukünftige Herausforderungen zu generieren.

Auf der Agenda: AMTS

Ein Bereich, bei dem Hecken mit dem Innovationsfonds gerne vorankommen würde, ist die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). „Es gibt bei den Apothekerkammern und -verbänden Konzepte zur Verbesserung AMTS, die bereits fix und fertig sind, bislang aber an den finanziellen Restriktionen gescheitert sind“, so Hecken. Er verweist beispielsweise auf Rheinland-Pfalz, wo die Apothekerkammer und die Kassenärztliche Vereinigung gemeinsam ein sehr gutes Modell entwickelt hätten, das jedoch mangels Mitteln in der Schublade liege. Hecken ist überzeugt: Hiermit ließe sich Evidenz generieren und die Versorgung optimieren. Wobei er jetzt noch kein Projekt priorisieren möchte – es müsse ein „Wettbewerb der Regionen“ stattfinden. Sein Ziel sei ein Modell in einem relativ großen Gebiet, das über einen ausreichend langen Zeitraum erprobt wird, um auf diese Weise möglichst belastbare Daten zu gewinnen. Am Ende soll man erkennen können: Es bringt mehr Patientensicherheit und positive wirtschaftliche Effekte – gerade bei der AMTS schließe das eine das andere nicht aus. In diesem Sinne setzt Hecken nun auf eine zügige und gute Gesetzgebung, damit der Innovationsfonds an den Start gehen kann.

Substitutionsausschlussliste: G-BA steht bereit

Auf eine andere Aufgabe, die Union und SPD dem G-BA per Koalitionsvertrag überantworten wollen, könnte Hecken eher verzichten: die Erstellung der Substitutionsausschlussliste. Und so hätte Hecken auch nichts dagegen, wenn GKV-Spitzenverband und DAV nun mithilfe der Schiedsstelle mit der Liste vorankommen und der Gesetzgeber mit dieser Arbeit zufrieden ist. Sei allerdings mehr gewünscht, stehe der G-BA selbstverständlich zur Verfügung. Hecken ist überzeugt, dass der G-BA die Aufgabe gut meistern würde – schließlich verfüge das Gremium über den erforderlichen pharmakologischen Sachverstand. Er verweist darauf, dass nicht nur die G-BA-Geschäftsstelle selbst, sondern auch die einzelnen Bänke im G-BA – etwa der GKV-Spitzenverband – teilweise mit Apothekern und Pharmakologen besetzt seien. Der G-BA schreibe seine Stellen zudem stets multiprofessionell aus und lege Wert darauf, dass etwa Apotheker Berufserfahrung aus der Offizin mitbringen. Dass Kompetenz da ist, zeige schon die Tatsache, dass der G-BA bereits 63 Entscheidungen zur frühen Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln getroffen habe – und diese seien komplexer als eine Substitutionsliste. Dass man hier nicht falsch liege, sehe man auch daran, dass die meisten Beschlüsse von den Fachgesellschaften und ausländischen HTA-Organisationen akzeptiert wurden.

Dass der GKV-Spitzenverband zu mächtig wäre, wenn die Substitutionsausschlussliste doch dem G-BA überlassen wird, glaubt Hecken nicht. Er kennt die Kritik aus der pharmazeutischen Industrie im Zusammenhang mit dem AMNOG-Verfahren. Er versichert: Sollte der G-BA beauftragt werden, die Liste zu erstellen, liefe ein ordentliches Stellungnahmeverfahren, in dem selbstverständlich auch die Organisationen der Apotheker zum Zuge kämen. Zudem verweist er darauf, dass auch bei Beschlüssen der frühen Nutzenbewertung der GKV-Spitzenverband keineswegs eine Übermacht habe. Die allermeisten Entscheidungen seien einvernehmlich gefallen – mit den Vertretern der Ärzte und Krankenhäuser sowie den nicht stimmberechtigten Patientenvertretern. Von Übermacht könne man nur sprechen, wenn es viele Kontroversen gegeben hätte und die Unparteiischen sich letztlich auf die Seite des GKV-Spitzenverbandes gestellt hätten. Dem sei aber nicht so. Heckens Tipp: „Wenn hier Urängste in Richtung Übermacht gelegentlich aufkeimen, hilft der Blick in die real existierende Entscheidungssituation“.

Reger Kontakt mit ABDA, DAV und BAK

Was eine mögliche Beteiligung von ABDA, BAK oder DAV im G-BA betrifft, die alljährlich auf dem Apothekertag diskutiert wird, verweist Hecken auf die gesetzlichen Vorgaben. Eine echte „Bank“ sehen diese derzeit nicht vor – andere Formen der Beteiligung, etwa in Stellungnahmeverfahren sind hingegen möglich. Wenn der Gesetzgeber hier eine Änderung wollte, müsste er also in diesem Sinne tätig werden. Allerdings: Die Apotheker sind nicht die einzigen, die keine Bank im G-BA haben.

Die jetzige Aufstellung im G-BA führt für Hecken aber keinesfalls zu einem Kommunikationsdefizit mit den Apothekern. „Auf der Arbeitsebene läuft die Zusammenarbeit sehr gut“, betont er. Er stehe in einem regen Kontakt mit ABDA, BAK und DAV. So tausche er sich nicht nur regelmäßig mit den Beteiligten, etwa dem BAK-Präsidenten Andreas Kiefer, über AMTS-Projekte aus. Der G-BA erhalte von den Apothekerorganisationen auch für seine Entscheidungen wichtige Informationen. Gebe es Probleme, so rufe man sich an – oder treffe sich ohnehin auf einer Podiumsdiskussion.

Der Streit um das Fremdbesitzverbot, den Hecken in seiner Zeit als saarländischer Gesundheitsminister mit der Apothekerschaft führte, ist für den G-BA-Chef kein Thema mehr. Er habe das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das die deutsche Verbotsregelung nicht beanstandete, akzeptiert. Und offenbar verübelt ihm auch keiner der jetzigen Standesvertreter seine damalige Fehleinschätzung. 

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