Wirtschaft

„AEP gewinnt Skonti-Prozess“

AZ-Interview mit AEP-Geschäftsführer Jens Graefe

BERLIN (lk) | Die Wettbewerbszentrale will es wissen: Sind Skonti pharmazeutischer Großhändler an Apotheken jenseits des prozentualen Großhandels-Zuschlages von 3,15 Prozent ­zulässig? Oder verstoßen sie ­gegen die Arzneimittelpreisverordnung? Auf dem gerichtlichen Prüfstand stehen die Skonti von AEP. Die AZ sprach mit AEP-Geschäftsführer Jens Graefe über das nun anstehende Verfahren.
Foto: AEP

Jens Graefe

AZ: Herr Graefe, hat Sie die Klageankündigung der Wettbewerbszentrale gegen die AEP-Rabatt­politik überrascht?

Graefe: Ja und nein. Wir sind natürlich nicht überrascht, weil wir wissen, dass auf die ausgesprochene Abmahnung mit hoher Wahrscheinlichkeit die Klage folgt, nachdem wir die Unterlassungserklärung verweigert haben. Wir sind aber insofern überrascht, weil inzwischen ja klar ist, dass die Wettbewerbszentrale nicht selbst hinter dem Verfahren steckt, sondern im Auftrag agiert. Ob nun der Phagro dahintersteckt oder ein Wettbewerber direkt, tut nichts zur Sache. Wir fragen uns immer noch, was das Verfahren bringen soll. Wem nutzt es, wem schadet es? Mir scheint das nicht zu Ende gedacht. Wir hatten schon gehofft, dass diejenigen unserer Wettbewerber, die das Verfahren betreiben, darüber noch einmal intensiv nachgedacht hätten, insbesondere im Interesse der Apotheker und der gesamten Branche.

AZ: Bis zum höchstrichterlichen Urteil wird es vier bis fünf Jahre dauern. Hält AEP bis dahin an ­seiner Rabattpolitik fest?

Graefe: Wir werden natürlich an unserer Rabatt- und Skonti-Politik festhalten. Es besteht bis zu einem endgültigen Urteil überhaupt kein Grund, irgendetwas zu ändern, und auch keine Gefahr aus dem Skonto für unsere Kunden. Und wir gehen davon aus, auch nach der Klärung nicht. Auf gesetzliche Änderungen müssten wir in der Zwischenzeit selbstverständlich reagieren. Ob wir auch wegen Entwicklungen im Wettbewerb – vier bis fünf Jahre sind eine lange Zeit – etwas ändern müssen, wird sich zeigen. Das hätte dann aber nichts mit dem Verfahren zu tun. Auf ­jeden Fall werden wir weiterhin die vollen Top-Konditionen allen unseren Kunden geben.

AZ: In Ihrem Antwortschreiben an die Wettbewerbszentrale äußern Sie klar den Verdacht, dass der Großhandelsverband Phagro oder Wettbewerber hinter der Klage stecken. Haben Sie dafür Beweise?

Graefe: AEP ist selbst Mitglied bei der Wettbewerbszentrale. Bei unserem Eintritt wurden wir auch darauf hingewiesen, dass jedes Mitglied Beschwerden gegen einen Wettbewerber gegen Kostenübernahme über die Wettbewerbszentrale spielen kann. Dass die Wettbewerbszentrale so vorgeht, ist ­allgemein bekannt. Und in unserem Fall hat die Wettbewerbszentrale selbst erklärt, dass sie aufgrund der Beschwerden unserer Wettbewerber gegen uns aktiv ­geworden ist.

AZ: Welcher Arzneimittelgroßhändler ist neben dem Phagro Mitglied der Wettbewerbszentrale?

Graefe: Nach der uns vorliegen-den Mitgliedsliste sind das ­Alliance Healthcare, Sanacorp und Noweda.

AZ: Welche Motivation vermuten Sie hinter dem Verfahren?

Graefe: Das haben weder ich noch irgendein Gesprächspartner bisher verstanden. Ich kann mir das auch nicht logisch erklären. Wir wollen kein Skonto-Verfahren. Das schadet der gesamten Branche und vor allem den Apotheken, die am Ende erhebliche Einbußen erleiden würden. Im Markt gibt es allerdings nach der ersten Kürzungswelle letzten Sommer eine zweite Welle, die die Skonti zum Ziel hat. Ich gehe davon aus, das der Wettbewerb versucht, sich hier, unterstützt durch die einschlägigen Gutachten, von denen noch immer nicht klar ist, wer die finanziert hat, zusätzliche Argumente zu schaffen.

AZ: Welche Folgen hätte ein Skonto-Verbot für die Branche?

Graefe: Die Umsetzung wäre im Kern ja weitgehender, denn dann würden alle Zusatzkonditionen über dem Maximalrabatt wegfallen. 3,05 Prozent Rabatt und das wars. Das wäre dann gedeckelt – zulasten der Apotheken. Auch im Direktgeschäft dürfte es keine Skonti mehr geben. Und auch die Hersteller dürften dem Großhandel keine Skonti mehr einräumen, da der HAP auch ein Festpreis im Sinne des Gesetzes ist.

AZ: Wie hoch sind die Rabatte der Hersteller an den Großhandel?

Graefe: Bei Rx gibt es da nur Skonti, sonst nichts. Die Industrie ist da komplett sauber. Die üblichen Skonti liegen zwischen 0,8 und drei Prozent, je nach Hersteller und Kürze der Zahlungsfrist.

AZ: Schneidet sich der Großhandel ins eigene Fleisch oder sind die Rabatte an die Apotheken unterm Strich größer als die Rabatte der Hersteller?

Graefe: Das würde am Ende dazu führen, dass das gesamte Preisgefüge durchgeschüttelt würde. Das Ergebnis bliebe abzuwarten. Es würde aber sicherlich dazu führen, dass der Preiswettbewerb zwischen den Großhändlern weitgehend ausgeschaltet würde. Und wenn es irgendeinen Sinn hinter der Aktion gibt, dann die Minimierung des Wettbewerbs im Großhandel. Aber das ginge dann voll auf Kosten der Apotheken und des Wettbewerbs. Mein Eindruck ist übrigens auch, dass daran in der Politik keiner Interesse hat.

AZ: Sie haben Zeugen und Beweise dafür angekündigt, dass Ihre Konkurrenten noch deutlich größere Rabatte gewähren als AEP. Wo sind diese Beweise? Nennen Sie Beispiele.

Graefe: Die Apotheker und insbesondere unserer Wettbewerber kennen alle diese Modelle, der Kreativität sind da eigentlich keine Grenzen gesetzt. Wir wollten aber niemanden anschwärzen, da hätten wir genug Zeit zu gehabt. Ob und wie wir das in den Prozess einbringen, entscheidet der Verlauf des Verfahrens.

AZ: Dann nennen Sie doch in anonymisierter Form den Ihnen bekannten höchsten Rabatt eines Konkurrenten.

Graefe: Ok, ich nenne Ihnen ein konkretes Beispiel, weil es längst ein offenes Geheimnis ist: Das Drei-plus-Drei-Programm eines Wettbewerbers. Dieser versendet immer wieder Faxe an Apotheker, in denen Schnelldreher mit drei Prozent Rabatt und drei Prozent Skonto angeboten werden. Das ist nur ein kleines Beispiel. Bei Einkaufsgruppen liegt die Gesamtkondition aus einer Mischung verschiedenster Nachlässe auch oftmals sehr hoch – deutlich über den AEP-Konditionen, da sind wir mit unseren Konditionen oft gar nicht konkurrenzfähig. Da steht dann oft eine Sechs vor dem ­Komma.

AZ: Sie haben auch der Wettbewerbszentrale keine Beweise und Belege für die Eröffnung eines weiteren Verfahrens geliefert. ­Warum?

Graefe: Noch einmal: AEP hat kein Interesse, das Wettbewerbsrecht als Mittel zur Etablierung unseres Geschäftsmodells zu instrumentalisieren. Wir wollen niemanden anschwärzen. Wir haben ein neues und attraktives Geschäftsmodell. Wir wollen und brauchen keine Prozesse gegen Wettbewerber, aber wir sind angegriffen worden.

AZ: Die Bundesregierung bereitet ein Anti-Korruptionsgesetz vor. Erwarten Sie, dass Skonti darin eine Rolle spielen werden?

Graefe: Nein, auf keinen Fall. Das Gesetz richtet sich an die Heilberufler und hat im Kern die Einführung eines Tatbestandes der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen zum Ziel, da dieses im Strafgesetzbuch bisher nicht geregelt ist. Wie die Gewährung eines Skonto, noch dazu eines echten Skonto, ein Straftatbestand der Korruption werden soll, ist mir völlig schleierhaft. Aber der Außendienst unserer Wettbewerber missbraucht das trotz allem noch nicht bekannte Anti-Korruptionsgesetz im Markt, um ihre derzeitigen Skonti-Kürzungen zu begründen. Auch hier wird wieder versucht, den Apotheker für dumm zu verkaufen.

AZ: Was halten Sie von der Stellungnahme des DAV?

Graefe: Ich bin völlig überrascht, erklären kann man das Statement wirklich nur mit dem Stillhalteabkommen zwischen ABDA und Phagro. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass das von unserem Wettbewerb angestrebte Streichen der Skonti im Interesse der Apotheker und deren Dachverband sein kann. Und das Feedback, das wir von den Apotheken einhellig bekommen, ist Empörung und ­Unverständnis. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das das ­letzte Wort der Standesvertretung sein kann und wird.

AZ: Zum Schluss: Wie lautet Ihre Wette auf den Ausgang des Verfahrens?

Graefe: Ganz klar: AEP gewinnt. Skonti haben nichts mit Rabatten zu tun. Sie sind großhandelsüblich. Es gibt sie auch in anderen Branchen mit regulierten Preisen. Skonti sind langelebte Praxis im Pharmahandel und zwischen Geschäftsleuten – der Apotheker ist ein eingetragener Kaufmann – und sie werden bleiben.

AZ: Herr Graefe, vielen Dank für das Interview. |

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