DAZ aktuell

„Die Liste muss knapp bleiben“

Steuerung im Arzneimittelmarkt – wo führt sie hin?

BERLIN (ks) | Zuzahlungen, Festbeträge, Rabattverträge, Substitutionsausschlussliste – dies sind nur einige Instrumente, die die Arzneimittelversorgung wirtschaftlich und die Versorgung zugleich hochwertig halten sollen. Bekanntermaßen haben Industrie, Apotheker, Kassen und Politik ihren jeweils ­eigenen Blick darauf, wie sinnvoll diese sind. Zuweilen gibt es aber auch ungewohnte Übereinstimmung – etwa zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband im Hinblick auf den Umfang der Substitutionsausschlussliste. Das zeigte sich auch bei der Podiumsdiskussion des Branchenverbands Pro Generika am 22. April in Berlin.

Der DAV-Vorsitzende Fritz Becker schilderte, dass es immer wieder zu Problemen in Apotheken komme, wenn Patienten plötzlich für ihr lange zuzahlungsfreies Arzneimittel zur Kasse gebeten werden. Die gleiche Diskussion gebe es, wenn ein zuzahlungsbefreites Rabattarzneimittel nicht lieferbar ist und auf ein anderes Präparat ausgewichen werden muss, für das jedoch eine Zuzahlung fällig wird. Becker räumte ein, in seiner Apotheke werde in solchen Fällen gelegentlich nachgegeben: „Dann lassen wir die Patienten auch mal laufen.“ Viel geholfen wäre aus Sicht des DAV-Vorsitzenden bereits mit einer besseren Arztsoftware. Diese hänge dem aktuellen Stand oft ein halbes Jahr hinterher. Was dem Arzt noch als zuzahlungsbefreit angezeigt wird, muss es in der Praxis nicht mehr sein.

Foto: Pro Generika/axentis

Was macht Sinn? Über Instrumente für eine wirtschaftliche und zugleich hochwertige Arzneimittelversorgung diskutierten bei einer Veranstaltung von Pro Generika (v. l.) Johann-Magnus von Stackelberg, Fritz Becker, Wolfgang Späth und Michael Hennrich. Die Meinungen gingen erwartungsgemäß - meist - auseinander.

Tatsächlich ist die Zahl der zuzahlungsbefreiten Arzneimittel in letzter Zeit merklich gesunken. Nach aktuellen Berechnungen von Pro Generika sind es nicht einmal mehr 3500. Diese Entwicklung sei nicht auf einen Sinneswandel bei den pharmazeutischen Unternehmen zurückzuführen, sondern dem Kellertreppeneffekt geschuldet, den beständig sinkende Festbeträge mit sich bringen, erklärte Wolfgang Späth, Vorsitzender von Pro Generika und Head Strategy, Portfolio & Market Development Hexal AG. Denn zuzahlungsbefreit ist ein Medikament, wenn der Hersteller mit seinem Preis 30 Prozent unter Festbetrag liegt. Senken viele Hersteller ihren Preis so weit, ist absehbar, in welche Richtung es bei der nächsten Festbetragsanpassung geht.

Kein Anspruch auf zuzahlungsfreie Arzneimittel

Für den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, sind die 1989 eingeführten Festbeträge jedoch ein Erfolgsmodell. Er verwies darauf, dass es für Patienten jedoch „keinen Anspruch“ auf zuzahlungsbefreite Arzneimittel gebe. Sein Verband habe bei den Festbetragsentscheidungen die Zuzahlungen durchaus im Auge – wohingegen die Zusatzbeiträge der Krankenkassen kein Kriterium seien. Es gehe darum, Rationalisierungsreserven zu heben. Am Ende sei es immer noch der Hersteller, der den Preis festsetze.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich will sogar „eine Lanze für die Zuzahlung brechen“. Es sei der Politik nicht um möglichst viele Zuzahlungsbefreiungen gegangen, sondern darum, Preisdynamik zu entwickeln. Und das hält er für gelungen. Zuzahlungen seien kein per se schlechtes Instrument. Er glaubt durchaus: Hätten die Kassen die Einnahmen aus den Patientenzuzahlungen nicht, müssten sie vielleicht ihre Beiträge erhöhen. Zudem ist Hennrich überzeugt: Ein Stück Eigenverantwortung muss sein. Es sei auch ein großer Fehler der Großen Koalition gewesen, die Praxisgebühr abzuschaffen. Jetzt zeige sich wieder die „Vollkaskomentalität“ einiger Versicherter.

Substitutionsausschlussliste nicht ausufern lassen

Ungewohnte Einigkeit zeigte sich beim Thema Substitutionsausschlussliste, an deren zweiten Tranche der Gemeinsame Bundesausschuss gerade feilt. Becker und Stackelberg sind gleichermaßen der Meinung, dass die Liste nicht austauschbarer Substanzen in Zukunft so knapp wie möglich gehalten werden sollte. Der DAV-Vorsitzende erklärte, er sei schon mit der bisherigen Liste „nicht ganz glücklich“. Problematisch seien vor allem die Schilddrüsenhormone, weil es hier immer wieder herstellerseitige Lieferprobleme gebe. Statt die Liste ausufern zu lassen, sollten Apotheken pharmazeutische Bedenken geltend machen. „Diese müssen wir intensiv zum Wohl der Patienten nutzen!“ Dem schloss sich Stackelberg an. Auch das Aut-idem-Kreuz ermögliche dem Arzt, den Austausch auszuschließen. Je größer die Liste werde, desto mehr werde sie zu einem „Angriff auf die Kompetenzen von Arzt und Apotheker“, so der GKV-Vize. Wegen des Retax-Risikos fürchten viele Apotheken aber offenbar, pharmazeutische Bedenken anzumelden. Hier zeigte sich Becker kampflustig: Sollte es einmal zu Retaxationen kommen, weil Apotheker pharmazeutische Bedenken geltend gemacht haben, „streite ich mich gerne mit den Kassen“.

Rabattverträge, Lieferengpässe und Re-Importe

Ein weiterer Knackpunkt für die Generikaindustrie sind die Rabattverträge – vor allem solche, die Originalhersteller kurz vor Patentablauf mit den Kassen schließen. „Für den kurzfristigen Rabatt wird der langfristige Wettbewerb verhindert“, beklagte Späth. Schon für die normalen Generika ist dies für ihn ein Ärgernis – erst recht aber für Biosimilars, die Nachahmer kostspieliger Biologicals. Von Stackelberg wandte ein: Schon dadurch, dass Rabattverträge nicht vom GKV-Spitzenverband, sondern von den einzelnen Kassen abgeschlossen werden – und zwar nicht von allen zeitgleich – könne sich selbst bei einem Vertragsabschluss kurz vor Patentablauf ausreichend Wettbewerb entfalten. Dies sei legal und die Krankenkassen würden sich sicherlich Gedanken machen, wie sie vernünftige Verträge gestalten. Eine Notwendigkeit, Rabattverträge zu reglementieren sieht Stackelberg nicht. Hennrich verwies darauf, dass bei diesem Instrument schon gelegentlich nachjustiert wurde – etwa im Hinblick auf Impfstoffe, für die es keine Exklusivverträge mehr geben darf. Mit Blick auf den Erhalt der Anbietervielfalt kann sich der CDU-Politiker vorstellen, dass hier nochmals nachgebessert wird – von einer zweijährigen rabattfreien Schonzeit nach Patentablauf, wie sie Pro Generika vorschwebt, hält er allerdings nichts. Er denkt eher an eine „Stunde null“: Rabattverträge über Original-Biologicals müssten auslaufen, sobald Biosimilars auf den Markt kommen. Was Generika betrifft, so macht Hennrich vor allem die schwindende Anbietervielfalt Sorgen. Doch dies sei ein Thema für „unsere Häuptlinge“ beim laufenden Pharma-Dialog. Hier werde man auch das Problem der Lieferengpässe weiter thematisieren. Weitere Punkte, die für den CDU-Politiker auf der Agenda stehen, sind die Re-Importe und das Medikationsmanagement. |

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