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Was kostet ein Medikationsplan?

Pharmazeutische und ökonomische Analyse

SÜSEL (tmb) | Aus dem erwarteten gesetzlichen Anspruch auf einen Medikationsplan für Patienten mit fünf oder vielleicht auch nur drei Arzneimitteln ergibt sich die Frage nach den betriebswirtschaftlichen Folgen für die Apotheken. Eine Überschlagsrechnung des Treuhand-Generalbevollmächtigten Dr. Frank Diener (siehe DAZ 2015, Nr. 17, S. 13) dazu hat weitere Fragen aufgeworfen. Um die Debatte zu strukturieren, sollen hier die pharmazeutischen mit den betriebswirtschaftlichen Aspekten verknüpft werden.

Zunächst muss zwischen einem Medikationsplan und einer Medikationsanalyse bzw. einem Medikationsmanagement unterschieden werden, was in der zitierten Überschlagsrechnung nicht geschehen ist. Bei dem neuen gesetzlichen Anspruch wird es darum gehen, dass jeder berechtigte Patient einen Plan erhält, aus dem alle seine Arzneimittel mit der Dosierung und möglichst mit dem Einnahmezeitpunkt hervorgehen, wie es in dem einschlägigen Formular des Aktionsbündnisses Patientensicherheit vorgesehen ist. Außerdem liegt es nahe, diesen Plan auf Doppelverordnungen und Wechselwirkungen zu überprüfen, auch wenn dies nicht ausdrücklich vorgeschrieben werden sollte. Ein Medikationsmanagement ist dagegen ein umfassender und kontinuierlicher Prozess, bei dem die ganze Medikation hinterfragt und der Patient geschult wird.

Betriebswirtschaftliche Fragen

Dann muss die betriebswirtschaftliche Frage formuliert werden. Wenn die Apotheke kein Honorar für die neue Leistung erhält, stellt sich die Frage, welche neuen Teilkosten anfallen und ob die Apotheke diese tragen kann. Wenn der Gesetzgeber eine neue Aufgabe für Apotheken definiert, sollte jedoch unterstellt werden, dass dafür ein Honorar gezahlt wird. Dafür wird ein angemessener Betrag gesucht, wobei auch ein Gemeinkostenanteil zu berücksichtigen ist. Außerdem ist zu fragen, ob genügend Apotheker verfügbar sind, um die gewünschte Arbeit zu erbringen.

Aufwand für Medikationsplan

Bei der neuen gesetzlichen Vorgabe im Rahmen des eHealth-Gesetzes geht es „nur“ um einen Medikationsplan. Wie lange es dauert, einen solchen Plan zu erstellen und zumindest grob auf Plausibilität zu prüfen, hängt insbesondere von der Zahl der angewendeten Arzneimittel sowie der Unterstützung durch die Organisation und die Software ab. Ob die Bearbeitung der festgestellten Probleme dann eher dem Medikationsplan oder der Abgabe des problematischen Arzneimittels zuzuschreiben ist, beeinflusst die Kalkulation erheblich.

Einen Plan mit drei Arzneimitteln zu erstellen, kann mit einiger Übung und guter EDV-Unterstützung durchaus in drei Minuten gelingen. Bei mehr Arzneimitteln kann dies jedoch viel länger dauern. Die Absenkung der Anspruchsschwelle von fünf auf drei Arzneimittel würde die Zahl der Berechtigten drastisch erhöhen, aber die zusätzlichen Fälle wären vergleichsweise schnell zu bearbeiten. Hier soll von Patienten mit fünf oder mehr Arzneimitteln ausgegangen werden. Bei einem unterstellten Durchschnitt von sieben bis acht Arzneimitteln wird als grobe Schätzung eine Durchschnittsdauer von 15 Minuten für die einmal jährliche Erstellung des Plans angenommen. Dahinter steht die Idee, dass die Erfassung eines Arzneimittels mit Dosierung und Einnahmeschema eine Minute erfordert und pro Arzneimittel eine Interaktion zu bedenken ist, wofür jeweils eine Minute veranschlagt wird. Die Zeit für die Lösung arzneimittelbezogener Probleme in der Kommunikation mit dem Arzt und dem Patienten wird hier nicht berücksichtigt. Für die spätere Aktualisierung des Plans bei Änderungen der Medikation werden fünf Minuten pro Quartal angesetzt. Dies ergibt als Kalkulationsgrundlage 30 Minuten pro Patient und Jahr mit einer sehr großen Spannweite für verschiedene Patienten.

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Bald Realität: Patienten mit fünf (oder sogar schon mit drei) Arzneimitteln sollen künftig einen Anspruch auf einen Medikationsplan haben. Für die Apotheke kann dieser Anspruch eine Chance sein, er kostet aber auch …


Diener geht von sieben Millionen Patienten mit jeweils fünf oder mehr Arzneimitteln aus. Demnach wären 3,5 Millionen Arbeitsstunden pro Jahr nötig, also etwa 2200 Vollzeit-Apotheker. Bei derzeit etwa 48.000 Apothekern in öffentlichen Apotheken dürfte dies schwierig, aber nicht unmöglich sein. 4400 Halbtags-Apotheker müssten zu Vollzeitkräften werden oder Apotheker müssten durch PTA von anderen Aufgaben entlastet werden. Doch dafür wären mehr PTA nötig. Angesichts von etwa 17 Millionen Einwohnern im Alter von 65 Jahren oder darüber erscheinen sieben Millionen Patienten jedoch eher niedrig angesetzt.

Teilkostenrechnung

Für eine reine Kostenbetrachtung ist es angemessen, nur die Personalkosten als Teilkosten zu veranschlagen. Die Analyse und Bewertung im Rahmen des Medikationsmanagements ist gemäß Apothekenbetriebsordnung Apothekern vorbehalten, die vorbereitende Erstellung des Medikationsplans kann jedoch auch durch PTA erfolgen. Da der Plan sinnvollerweise auch grob überprüft werden sollte, werden hier die Arbeitskosten für Apotheker angesetzt. Bei recht großzügig bemessenen 40 Euro pro Stunde, sieben Millionen Patienten und 30 Minuten Zeitbedarf pro Patient und Jahr würden Kosten von 140 Millionen Euro pro Jahr bzw. 7000 Euro pro Apotheke und Jahr entstehen, die unmittelbar auf das Betriebsergebnis durchschlagen. Dies wäre mehr, als der Notdienstfonds gebracht hat. Diese Größenordnung zeigt erneut, dass für eine solche Leistung ein Honorar nötig ist.

Honorarkalkulation

Ein solches Honorar kann aber nicht allein aufgrund der Personalkosten kalkuliert werden. Denn der Apotheker benötigt eine EDV und die weiteren Strukturen der Apotheke, um die gewünschte Leistung zu erbringen. Aus Kreisen der ABDA ist von einem Euro pro Minute bzw. 60 Euro pro Stunde als Orientierungswert für solche Kalkulationen zu hören. Bei 30 Minuten pro Patient wäre demnach ein Honorar von 30 Euro pro Patient und Jahr für den Medikationsplan zu veranschlagen. Dabei wäre noch zu klären, ob eine Jahrespauschale abgerechnet werden kann oder die Erstellung und die Aktualisierung jeweils getrennt abzurechnen sind. Da sich der Aufwand für verschiedene Patienten stark unterscheidet, würde eine einheitliche Pauschale zu einer neuen Mischkalkulation mit möglichen Fehlanreizen führen. Angemessener erscheint eine Honorarstaffel in Abhängigkeit von der Zahl der Arzneimittel.

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Deutlich aufwendiger als ein Medikationsplan ist das Medikationsmanagement. Pro Patient rechnet man dafür einen Aufwand von zweimal zwei Stunden im ersten und jeweils zwei Stunden in den Folgejahren.


Für die Apotheken würde ein Durchschnittshonorar von 30 Euro pro Jahr und Patient bei sieben Millionen Patienten einen zusätzlichen Umsatz von 210 Millionen Euro pro Jahr bzw. 10.500 Euro pro Apotheke und Jahr bringen, jedoch bei erheblich höheren Personalkosten und mancherorts vermutlich großen Schwierigkeiten, das nötige Personal zu finden. Die angesetzten 30 Minuten pro Patient können zudem grob als Obergrenze für den durchschnittlichen realisierbaren Zeitaufwand angesetzt werden, denn für mehr Leistungen dürften nicht genügend Apotheker zur Verfügung stehen, wenn nicht andere Aufgaben in Apotheken grundlegend verändert werden oder die Bürokratie erheblich abgebaut wird. Bei allen diesen Überlegungen wird unterstellt, dass Medikationspläne nur in Apotheken erstellt und gepflegt werden. Je nach Arbeitsanteil der Ärzte verringern sich die Auswirkungen auf die Apotheken. Dass die Ärzte diese Leistung kostengünstiger anbieten können, kann allerdings bezweifelt werden.

Medikationsmanagement

Ein ganz anderes Thema ist das Medikationsmanagement. Nach den Erfahrungen, die Olaf Rose, Elefanten-Apotheke Steinfurt, insbesondere als Koordinator der „WestGem“-Studie gemacht hat, erfordert ein erweitertes Medikationsmanagement (PCNE Stufe 2) pro Patient einen Aufwand von zweimal zwei Stunden im ersten Jahr und zwei Stunden pro Jahr in den Folgejahren. Eine so intensive Betreuung für sieben Millionen Patienten betrachtet Rose jedoch als unangebracht. In Studien zum Medikationsmanagement würden typischerweise Patienten mit durchschnittlich neun Arzneimitteln betrachtet, so Rose und es bestehe ein Trend, den Kreis noch weiter einzugrenzen, um gezielt die Patienten zu erreichen, die von einer so intensiven Betreuung besonders profitieren. Bei einer flächendeckenden Einführung würde auch die Zahl der verfügbaren Apotheker eine Priorisierung auf die Patienten mit besonders anspruchsvoller Medikation erfordern. Hier soll ein Zeitbedarf von durchschnittlich 2,5 Stunden pro Patient und Jahr angenommen werden (1 Jahr mit 2 Terminen und 3 Jahre mit jeweils 1 Termin, also durchschnittlich 1,25 Termine pro Jahr). Wenn das eine Prozent der Bevölkerung mit dem höchsten Bedarf, also 800.000 Patienten betreut werden, würde dies in den Apotheken Teilkosten von 80 Millionen Euro verursachen. Dafür wären etwa 1250 Vollzeitapotheker erforderlich. Ein Honorar, das auch einen angemessenen Anteil an den Gemeinkosten trägt, müsste 120 Euro pro Termin betragen und würde bei 1,25 Terminen pro Jahr einen Jahresumsatz von 120 Millionen Euro auslösen. Höchstwahrscheinlich würden auch mittelfristig nur einige spezialisierte Apotheken diese Leistung erbringen. ­Vorläufig würde die Zahl der entsprechend qualifizierten Apotheker diese Leistung begrenzen. |

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