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„AEP-Preispolitik läuft Vollversorgung zuwider“

Interview mit Dr. Elmar Mand zum Skonti-Rechtsstreit zwischen der Wettbewerbszentrale und AEP

BERLIN (ks) | Sind Skonti von Großhändlern an Apotheken – seit Jahrzehnten übliche Praxis – rechtlich problematisch? In der juristischen Fachpresse griff das Thema letztes Jahr zunächst Dr. Elmar Mand, Philipps-Universität Marburg, auf. Dann meldeten sich die Münchener Anwälte Peter von Czettritz und Dr. Stephanie Thewes zu Wort: Es zeigte sich: Es gibt keine einhellige Meinung, welche Skonti in welchem Umfang erlaubt sind (siehe auch DAZ 2014, Nr. 50, S. 19). Angesichts dessen will die Wettbewerbszentrale nun eine Klärung herbeiführen. Zu diesem Zweck hat sie den noch jungen Großhändler AEP wegen seiner Rabatte und Skonti abgemahnt. Dieser will jedoch um seine Kundenvorteile kämpfen – und so werden sich jetzt die Gerichte mit der Skonti-Frage befassen müssen. Die DAZ sprach mit Dr. Elmar Mand über den Fall.

DAZ: Was macht die in der Praxis üblichen Großhandels-Skonti plötzlich zum Problemfall?

Mand: Tatsächlich sind Skonti im Arzneimittel-Großhandel handelsüblich. Allerdings gelten für verschreibungspflichtige Arzneimittel strikte Preisregeln nicht nur für Apotheken, sondern auch auf Großhandelsebene. Die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sieht in § 2 einen disponiblen, d. h. rabattierfähigen prozentualen Aufschlag des Arzneimittelgroßhandels von 3,15 Prozent auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens (ApU) und einen nicht disponiblen Festzuschlag von 70 Cent vor. Die Großhändler haben zusätzlich aber noch teilweise erhebliche Skonti gewährt. Inwieweit dies gegen die AMPreisV verstößt ist unklar.

DAZ: Warum geht die Wettbewerbzentrale selektiv gegen den Großhandel AEP vor?

Foto: Mand

Dr. Elmar Mand

Mand: Dies hat wohl zwei Gründe. Erstens hat AEP seine Preise allgemein und transparent beworben. Die Konditionen der anderen Großhändler sind variabel und weitgehend unbekannt. Zweites gewährt AEP den Skonto von – wenn ich recht sehe – 2,5 Prozent unabhängig davon, ob die Apotheke eine Gegenleistung erbringt, z. B. den Kaufpreis vor Fälligkeit bezahlt. Gleichzeitig steht den günstigen Konditionen von AEP eine deutlich ausgedünnte Belieferungsfrequenz gegenüber: Apotheken erhalten nachbestellte Arzneimittel erst bei der regulären Belieferung am nächsten Tag. Für dringend benötigte Arzneimittel bleibt daher nur der Ausweg, auf einen anderen, vollversorgenden Großhandel zurückzugreifen. Das Geschäftsmodell von AEP ist also, für sich genommen, nicht in der Lage, den Bereitstellungsauftrag des Großhandels (§ 52b AMG) vollumfänglich zu erfüllen.

DAZ: Ist das Geschäftsmodell von AEP aus Ihrer Sicht also rechtswidrig?

Mand: Die AMPreisV sieht, wie gesagt, neben den rabattierfähigen prozentualen Aufschlägen einen nicht disponiblen Festzuschlag von 70 Cent vor. Diese „Mindestvergütung“ soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Erfüllung des dem vollversorgenden Arzneimittelgroßhandel übertragenen Bereitstellungsauftrags gem. § 52b AMG finanziell sicherstellen und Geschäftsmodelle, bei denen sich einzelne Anbieter auf die Belieferung mit lukrativen, vor allem „schnell drehenden“ Arzneimitteln beschränken, erschweren. Die Preisnachlässe (Rabatte und Skonti) von AEP gehen demgegenüber regelmäßig über die disponiblen Großhandelszuschläge hinaus, ohne dass Apotheken dafür eine Gegenleistung – z. B. in Form einer vorfälligen Kaufpreiszahlung – erbringen müssen. Gleichzeitig bleibt AEP offenbar hinter den Anforderungen einer „bedarfsgerechten Arzneimittelversorgung“, die werktäglich innerhalb angemessener Zeit erfolgen soll (§ 52 b Abs. 2 AMG), zurück. Hierfür bedarf es weiterer Lieferanten. Eine derartige Preis- und Geschäftspolitik ist deshalb mit den Buchstaben und dem Zweck der Preisregulierung des Arzneimittelgroßhandels schwer vereinbar. Sie läuft der intendierten schnellen Vollversorgung im gesamten Versorgungsgebiet zuwider.

DAZ: Apotheken macht dies hellhörig. Sie fürchten nun um ihre Konditionen. Zu Recht?

Mand: Natürlich betrifft die rechtliche Klärung der Preisspielräume auf Großhandelsebene letztlich alle Apotheken. Bis zu einem letztinstanzlichen Urteil in der Rechtssache AEP wird es aber einige Zeit dauern, wohl mindestens fünf Jahre. Welche Konsequenzen sich dann für die Apothekerschaft insgesamt ergeben, wird entscheidend davon abhängen, inwieweit die Besonderheiten des Geschäftsmodells von AEP das Urteil prägen.

DAZ: Sehen Sie – wie von Czettritz – einen allgemeinen Trend in der Rechtsprechung zur restriktiven Auslegung des Arzneimittelpreisrechts?

Mand: Tatsächlich gab es in letzter Zeit zahlreiche, zum Teil höchstrichterliche Urteile, die das Arzneimittelpreisrecht sehr streng auslegen. Sie betrafen zumeist den einheitlichen Apothekenabgabepreis (§ 78 Abs. 2 AMG). Gegen diese Vorgabe verstößt die Apotheke z. B. nicht nur dann, wenn sie dem Kunden einen echten Preisnachlass einräumt oder bei gesetzlichen Versicherten auf die Zuzahlung verzichtet. Auch die Gewährung anderer wirtschaftlicher Vorteile, die den Erwerb von preisgebundenen Arzneimitteln aus Kundensicht günstiger erscheinen lassen, ist unzulässig – etwa die Ausgabe von Gutscheinen oder Rabattmarken anlässlich der Rezepteinlösung. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart ist die Skontogewährung durch Apotheken bei preisgebundenen Arzneimitteln ebenfalls generell verboten. Der Bundesgerichtshof hat zudem angedeutet, dass die für Apotheken geltenden Grundsätze im Prinzip auf die Großhandelsebene zu übertragen sind. Es gibt auch bereits mehrere restriktive zweitinstanzliche Entscheidungen zum Direktvertrieb von Herstellern an Apotheken. Darin legen die Obergerichte den Mindestpreis des Großhandels, d. h. den ApU zuzüglich des Großhandels-Festzuschlags von 70 Cent, strikt aus. So soll selbst bei Arzneimitteln, die kurz vor dem Verfalldatum stehen, ein Preisnachlass ausscheiden. Ihre Frage zu einer tendenziell strikten Auslegung des Preisrechts lässt sich daher – für Juristen ungewöhnlich – mit einem klaren „ja“ beantworten.

DAZ: Bei welcher Art von Konditionen sollten Apotheken aufpassen? Halten Sie die restriktive Auffassung, auch echte Skonti dürften nicht über den gesetzlich festgelegten Höchstzuschlag hinausgehen, für vertretbar?

Mand: Völlig unproblematisch sind Rabatte im Rahmen der disponiblen prozentualen Großhandelsspanne. Alles was darüber hinausgeht, ist rechtfertigungsbedürftig. Eine Rechtfertigung im Einzelfall ist meines Erachtens aber möglich, insbesondere bei echten Skonti. Bekanntlich teile ich nicht die Auffassung von Herrn v. Czettritz, der auch Skonti generell nur im Rahmen der prozentualen Aufschläge von 3,15 Prozent auf den ApU (bzw. aus Apothekensicht 3,05% des Einkaufspreises) für zulässig hält: Großhändler und direkt vertreibende Hersteller haben Apotheken seit jeher eine Valuta gewährt, wobei ein Zahlungsziel von durchschnittlich sechs Wochen nach Lieferung sehr verbreitet war. Diese Praxis hat der Gesetzgeber – im Unterschied etwa zur Buchpreisbindung, wo das Buchpreisbindungsgesetz bei Einräumung von Zahlungszielen einen Preisaufschlag fordert – explizit als zulässig bezeichnet. Dann aber muss es auch möglich sein, eine vorzeitige Bezahlung des Kaufpreises durch Apotheken mittels eines echten Skontos angemessen abzugelten. Ein solcher echter Skonto vergütet nämlich eine nicht geschuldete Gegenleistung der Apotheke. Deshalb darf der echte Skonto auch mit dem Kaufpreis verrechnet werden. Er ist gewissermaßen „preisneutral“.

DAZ: Welche Skonti sind noch „angemessen“?

Mand: Es gibt eine reichhaltige, höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem in der Valutagewährung liegenden wirtschaftlichen Vorteil. Als entscheidenden Vorteil betrachtet der Bundes­gerichtshof den Zinsvorteil aus dem ­unentgeltlich überlassenen Kapital. ­An­gesichts der aktuellen extremen Niedrigzinsphase lassen sich dementsprechend nur sehr moderate echte Skonti rechtfertigen. Das Interesse des Verkäufers, eine schnelle Kaufpreiszahlung sicherzustellen und so Inkassokosten zu sparen, rechtfertigt dagegen keinen „Aufschlag“ auf den Skonto.

DAZ: Denken Sie, im Verhältnis Großhandel/Apotheker bedarf es mehr Transparenz?

Mand: Der Gesetzgeber möchte mit der AMPreisV auf Großhandelsebene zurecht nicht jeden Preiswettbewerb ausschalten. Dies setzt auf dem hoch konzentrierten Großhandelsmarkt für Arzneimittel die Möglichkeit zu einem „Geheimwettbewerb“ voraus. Eine größere Preistransparenz wäre einem ­effektiven Wettbewerb eher abträglich.

Generell sehe ich keinen Bedarf, die aktuelle Preisregulierung für Arzneimittel zu reformieren. Sie hat sich als sehr effektiv erwiesen, eine flächendeckende, qualitativ hochwertige und vor allem unabhängige Arzneimittelversorgung sowohl auf Apotheken- wie auf Großhandelsebene sicherzustellen. Ihre Vorgaben müssen aber – hier wie dort – beachtet werden; die AMPreisV darf nicht lediglich zu einer Richtschnur verkommen, von der mehr oder wenig nach Belieben abgewichen werden kann. Anderenfalls wäre mit verfassungsrechtlichen und rechtspolitischen Angriffen auf dieses wichtige Element des Arzneimittelvertriebsrechts zu rechnen.

DAV begrüßt gericht­liche Klärung

Mit der Klage gegen AEP stellt die Wettbewerbszentrale die Konditionen des Arzneimittelgroßhandels auf den gerichtlichen Prüfstand. Der Deutsche Apothekerverband will sich mit Verweis auf das laufende Verfahren zwar nicht inhaltlich zu dem Fall äußern. „Grundsätzlich ist aber zu begrüßen, wenn die mit dem Verfahren verbundenen Fragen geklärt werden und damit mehr Rechtssicherheit für die Apotheken vor Ort geschaffen werden kann“, sagt ABDA-Sprecher Rainer Kern.

DAZ: Wirkt sich das AEP-Verfahren auch auf die Skontogewährung im Verhältnis von Herstellern zum Großhandel aus?

Mand: Im Verhältnis der Hersteller zu Großhändlern stellt sich ebenfalls die Frage der Zulässigkeit von Skonti. ­Hersteller müssen gemäß § 78 Abs. 3 AMG einen „einheitlichen Abgabepreis sicherstellen“. Auch hier könnten Skonti deshalb gesetzeswidrig sein. Aber auch hier gilt: Hersteller können nicht geschuldete Leistungen des Großhandels gesondert vergüten und mit ihren Preisforderungen verrechnen. Das heißt: echte Skonti sind meines Erachtens in begrenztem Umfang möglich.

DAZ: Herr Dr. Mand, wir danken Ihnen für das Gespräch! |

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