Gesundheitspolitik

Provokation, Missachtung, Strandräubertum

Politischer Lagebericht des DAV-Vorsitzenden Becker beim DAV-Wirtschaftsforum

BERLIN (diz) | Klare Kante von Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV): Gegen die von der Politik ins Gespräch gebrachte Deckelung des Apothekerhonorars bei Hochpreisern werde man sich mit allen Mitteln wehren. Und die überzogenen Nullretaxationen sind für ihn Strandräubertum. Sein politischer Lagebericht auf dem Wirtschaftsforum sprach alle Baustellen an, mit denen die Apotheken derzeit zu kämpfen haben.

Unakzeptabler Margendeckel

Der Vorschlag einer Deckelung der Drei-Prozent-Marge, angedacht in einem Grundlagenpapier von Gesundheitspolitikern der CDU/CSU und SPD, ist, so Becker, „nicht nur eine Provokation für uns Apotheker, es ist schlichtweg eine Missachtung unserer Arbeit.“ Es sei „absolut nicht akzeptabel, wenn die Regierungsfraktionen die auf Fixum und prozentuale Vergütung basierende und bewährte Mischkalkulation bei Fertigarzneimitteln infrage stellen.“

Die Apotheker trügen das Lager­risiko, die Zwischenfinanzierung, sie holten für die GKV den Herstellerrabatt und riskierten für einen willkürlich konstruierten Formfehler eine Nullretax – und dann sollten sie bei der Vergütung ge­deckelt werden: „Nein, nicht mit uns“, schäumte Becker, „wir werden uns dagegen mit allen Mitteln zur Wehr setzen.“

Der DAV-Chef erinnerte daran, dass die Apotheken täglich die Arzneimittelversorgung von drei Millionen Menschen sicherstellten. Die Politik müsse einsehen, dass sie ihren Versorgungsauftrag nur erfüllen könnten, wenn die wirtschaftliche Basis gesichert sei.

Dass das Bundeswirtschaftsministerium nun ein fast zweijähriges Forschungsvorhaben zur Ermittlung der Anpassungsmodalitäten für die Arzneimittelpreisverordnung ausgeschrieben habe, empfindet Becker „nach wie vor als eine provokative und unnötige Verzögerung, auf unsere berechtigte Forderung einzugehen“. Dennoch, man werde sich am Arbeitskreis, der das Forschungs­haben begleiten soll, beteiligen.

Geschehen müsse auch etwas bei der Vergütung dokumentationspflichtiger Arzneimittel, die seit 1978 nicht mehr geändert worden sei und derzeit immer noch 26 Cent betrage – trotz eines enormen Verwaltungsaufwands. Genauso dringend sei eine Anpassung der Vergütung für Rezepturarzneimittel: Abgabe und Beratung müssten mit dem Fixhonorar von 8,35 Euro vergütet werden. Und zur Finanzierung des Notdienstfonds müsse der Packungszuschlag von 16 auf 20 Cent angehoben werden, damit die von der Politik versprochenen 120 Mio. Euro im Jahr zusammenkämen.

Zum laufenden Schiedsverfahren zu Nullretaxationen wollte sich Becker nicht äußern. Nur so viel: Die überzogenen Nullretaxationen sind für ihn „ein moderner Weg des Strandräubertums“.

© Kai Felmy

Ärgernis Lieferengpässe

Das System der Rabattverträge werde zwar von den Apothekern prinzipiell unterstützt, allerdings nähmen die Lieferschwierigkeiten bei einzelnen Rabattvertragsarzneimitteln zu. Wenn der Großhandel die Nichtlieferbarkeit der Arzneimittel bestätige, dann „müssen diese Aussagen genügen“, so Becker, einen zusätzlichen Bürokratieaufwand lehne man ab. In den nächsten Tagen fänden dazu Gespräche mit der GKV und dem Großhandelsverband Phagro statt.

In Zusammenhang mit den Lieferengpässen forderte der DAV-Chef die Krankenkassen auf, über ihre Ausschreibungssystematik nachzudenken. Beckers Vorschlag: Weg von Exklusivverträgen mit einzelnen Herstellern, hin zum Mehrpartnermodell.

Gestrichen werden sollte auch die Importförderklausel, für sie gebe es keinen Anlass mehr, Instrumente wie Rabattverträge erzielten weit höhere Einsparungen.

Securpharm und E-Health

Spätestens in drei Jahren muss ­jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel einen eindeutigen ­Packungscode tragen und die Apotheke muss jedes Arzneimittel vor der Abgabe auf Echtheit hin überprüfen. Bei der Umsetzung der EU-Fälschungsrichtlinie mittels des Projekts Securpharm sei man auf gutem Wege. Securpharm ist notwendig, wie Becker betonte, ­damit es auch weiterhin keine gefälschten Arzneimittel in der deutschen legalen Lieferkette gibt.

Zum E-Health-Gesetz: Man wolle nicht trauern, weil Apotheker im Gesetz nicht ausreichend berücksichtigt seien, sondern das Beste daraus machen: „Wir fordern den Anspruch des Patienten auf eine Medikationsanalyse!“, so Becker, „selbstverständlich entsprechend vergütet.“ Mit dem Modellprojekt ARMIN wolle man schon mal ein Zeichen setzen. Voraussetzung für eine flächendeckende Umsetzung dieser Leistungen seien die elektronische Gesundheitskarte und die Telematik-Infrastruktur. Neben ARMIN will man auch andere Verträge über pharmazeutische Dienstleistungen für GKV-Versicherte abschließen. Allerdings müssten hier Kammern und Verbände eng zusammenarbeiten. Und vermutlich mit Blick auf Westfalen-Lippe machte Becker deutlich: „Vertragspartei bei Dienstleistungsverträgen ist und bleibt der DAV und entsprechend die Landesapothekerverbände“, wobei er sich eine Beteiligung der Kammern an den Verträgen durchaus vorstellen könne.

Private, Prävention und Präqualifizierung

Die Zusammenarbeit mit den Privaten Kassen möchte der DAV verstärken, etwa bei der Direktabrechnung hochpreisiger Präparate. Oder in Richtung einer möglichen Substitution entsprechend einer Aut-idem-Regel: „Hier brauchen wir Unterstützung durch die Politik“, so Becker. Für die Direktabrechnung könnte man dann das entstehende sichere Netz der Apotheker verwenden.

Der DAV-Vorsitzende forderte darüber hinaus den GKV-Spitzenverband auf, den Apotheker als Anbieter von Präventionsmaßnahmen in den Leitfaden Prävention aufzunehmen.

Nicht zuletzt übte Becker Kritik an den bürokratischen Hürden in der Hilfsmittelversorgung. Hier herrsche ein „Präqualifizierungswahnsinn“. „Hier muss sich etwas ändern.“ Als Meilenstein bezeichnete Becker dagegen das Online-Vertragsportal (OVP), über das die Apotheken alle rund 170 Hilfsmittel-Verträge einsehen können, um ohne Gefahr einer Retaxation Hilfsmittel abgeben zu können. |


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