Barbara Kohm

DAZ aktuell

Apotheker bleiben außen vor

Antikorruptionsgesetz betrifft Pharmazeuten nur in wenigen Fällen

BERLIN/STUTTGART (ks/hfd) | Der neue Entwurf zum Antikorruptionsgesetz, auf den die Große Koalition sich geeinigt hat, hält eine Überraschung für Apotheker bereit: Der Bereich der Abgabe von Arzneimitteln wird komplett gestrichen. Sie sollen vom neuen Gesetz nur noch in wenigen Fällen betroffen sein, bestätigte SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner gegenüber DAZ.online.

Die vergangene Woche von CDU-Seite verkündete Einigung beim Antikorruptionsgesetz bestätigte zwischenzeitlich der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner gegenüber DAZ.online. „Die Einigung ist praktisch abgeschlossen“, so Fechner. Doch es soll nicht nur der kritisierte Verweis auf die heilberuflichen Pflichten gestrichen werden, sondern der Kompromiss nimmt Apotheker weitgehend vom Antikorruptionsgesetz aus: Die Abgabe von Arznei- oder Hilfsmitteln sowie Medizinprodukten wird als ­Kriterium komplett gestrichen. Stattdessen soll deren Bezug bei unlauterer Vorteilnahme strafbar werden – aber nur, wenn die Produkte von einem Heilberufler oder dessen Helfer an­gewandt werden.

Kommt nun für Apotheker also in letzter Minute die Kehrtwende, was mögliche Strafbarkeit von Einkaufsrabatten oder Skonti anbelangt? Aufgrund der Urlaubszeit war am 25. März in den Büros der Parlamentarier fast niemand zu erreichen. Aus dem Büro von CDU-Rechtspolitiker Luczak hieß es, Apotheker sollten weiterhin unter das Antikorruptionsgesetz fallen – bei der Einigung von Union und SPD sei keine grundsätzliche Änderung in dieser Frage besprochen worden. Dies steht jedoch im Gegensatz zum Entwurf des geplanten Strafgesetz-Paragrafen 299a, der von CDU-Seite verschickt wurde.

Wesentliche Einschränkung des Gesetzes

Anders klingt auch die Darstellung vonseiten der SPD: „Wir haben die Strafbarkeit im Bereich Apotheker ganz wesentlich eingeschränkt“, sagte Fechner gegenüber DAZ.online. Verstöße gegen Preis- und Rabattvorschriften stellten kein korruptionsspezifisches Unrecht dar und sollen laut Fechner daher weiterhin als Ordnungswidrigkeiten nach dem Heilmittelwerbegesetz oder über das Gesetz über das Apothekenwesen geahndet werden. „Apotheker können sich jedoch weiterhin als Vorteilsgeber strafbar machen“, sagt Fechner. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Apotheker einem Arzt einen Vorteil dafür zuwendet, dass dieser ihm Patienten zuführt.

Die Änderungen beim Verweis aufs Standesrecht kamen wohl auf Druck der Union zustande. „Als SPD hätten wir uns im Bereich der Verletzung ­berufsrechtlicher Pflichten zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit weitergehende Regelungen vorstellen können, aber wir wollten das Vorhaben nicht an diesem Punkt scheitern lassen“, sagt Fechner. „Die Union war strikt dagegen.“ Stattdessen habe die SPD dafür gesorgt, dass Staatsanwaltschaften von Amts wegen Ermittlungen aufnehmen können, ­ohne dass ein Strafantrag gestellt werden muss.

Insgesamt ist der SPD-Rechtspolitiker zufrieden. „Wir bekämpfen Milliardenverluste durch Korruption im Gesundheitswesen, indem wir Strafbarkeitslücken schließen, und stärken zugleich das Vertrauen der Patienten in eine qualitativ gute weil unabhängige Behandlung“, sagt Fechner.

Für Apotheker bleibt es im Prinzip beim Alten

Nach einer nächsten Sitzung des Bundestags-Rechtsausschusses soll das Gesetz noch im April verabschiedet werden. Wenn der Gesetzestext nun tatsächlich so beschlossen werden sollte, wie es sich die Berichterstatter des Rechtsausschusses überlegt haben, bleibt es für Apotheker im Prinzip beim Alten. Dr. Elmar Mand von der Universität Marburg begrüßt die Änderung. „Das ist konsequent, vernünftig und richtig“, sagt er gegenüber DAZ.online. Das Wettbewerbs-, Berufs- und Heilmittelwerberecht sehe vielfältige Sanktionsmöglichkeiten vor, wenn die Grenzen des wettbewerbs- oder berufsrechtlich Zulässigen überschritten sind.

„Für die Apotheken ist das eine schöne Osterüberraschung“, sagte der Freiburger Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas. Er war einer der Sachverständigen bei der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf letzten Dezember im Rechtsauschuss des Bundestages. Er hatte ebenfalls nicht mit Kritik am ­seinerzeit vorliegenden Gesetzentwurf gespart. Schon in der Anhörung habe keiner der geladenen Sachverständigen einen Sachverhalt nennen können, der unter die zweite und nicht zugleich ­unter die erste Tatbestandsalternative fallen würde. Da es also ohnehin keinen Anwendungsbereich für die zweite ­Alternative – die Verletzung der Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit – gegeben habe, ist für ihn nur folgerichtig, dass sie nun gestrichen werden sollen.

Rabatte und Skonti würden nicht unter das Gesetz fallen

Allerdings ist auch Douglas überrascht, dass die Berichterstatter von Union und SPD noch weiter gehen und den Bezug von Arzneimitteln durch den Apotheker zur normalen Weitergabe an den Patienten in der Apotheke per se aus dem Tatbestand ausnehmen wollen. „Der gesamte Themenkreis der Fragen um eine mögliche Strafbarkeit von Rabatten, Skonti und sonstigen Vereinbarungen rund um den Bezug der Arzneimittel würde sich dann nicht mehr stellen.“ Durch die Einschränkung des Tatbestandes werde der Tatsache Rechnung getragen, dass der Apotheker eben auch Kaufmann ist.

Douglas begrüßt auch, dass das Gesetz nun kein Antragsdelikt mehr sein soll, sondern ein Offizialdelikt und Strafverfolgungsbehörden aus eigener Initiative ermitteln können. „Der Verzicht auf das Antragserfordernis dürfte interessengerecht sein, da gerade in den Bereichen, in denen etwa bei den Ärzten korruptives Verhalten vorliegt, die Patienten wichtige Informanten sind.“ Doch Patienten waren bisher ausgenommen von der Möglichkeit, ­eine Anzeige zu erstatten.

Linke kritisieren den neuen Entwurf

Allgemeine Kritik am Kompromiss der Großen Koalition kommt vonseiten der linken Bundestagsfraktion. „Das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung wird durch diese Schmalspur-Lösung nicht gestärkt“, sagt Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin, gegenüber DAZ.online.

Es sei zwar richtig, keinen Bezug auf das Berufsrecht zu nehmen. „Aber vom eigentlichen Zweck, Patientinnen und Patienten zu schützen, sind wir jetzt weiter entfernt denn je“, sagt sie. Vogler sieht die Verortung im Wettbewerbsrecht als Geburtsfehler, der nicht durch kleine Korrekturen an der Regelung zu beheben sei. „Sie muss sich letztlich daran messen lassen, ob die heute bekannten Korruptionsformen wie verdeckte Verordnungsprämien effektiv bekämpft werden können“, so die Gesundheitspolitikerin. |

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