Arzneimittel und Therapie

Hype um HOPE-3 unangemessen

Ein Kommentar von Dr. med. Thomas G. Schätzler

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Dr. med. Thomas G. Schätzler, Facharzt für Allgemeinmedizin und Hausarzt, Dortmund

Die aktuelle „Heart Outcomes Prevention Evaluation“-Studie mit dem Akronym „HOPE-3“ zu bezeichnen, halte ich für eine wissenschaftliche Irreführung („scientific misconduct“): Ältere Menschen sollten präventiv mit Medikamenten zur Senkung von Blutdruck und Cholesterol behandelt werden, auch wenn ihr Blutdruck und ihre Cholesterolwerte gar nicht erhöht waren. Neben einem dürftigen und weitgehend in­signifikanten Studienergebnis hat das nicht das Geringste mit der ursprünglichen HOPE-Studie zu tun.

HOPE-Studie damals

Die 1993 initiierte HOPE-Studie (Heart Outcomes Prevention Evaluation Study) wurde basierend auf epidemiologischen und experimentellen Studien durchgeführt, nach denen ein aktiviertes Renin-Angiotensin-­Aldosteron-System unabhängig vom Vorhandensein einer klinisch manifesten Herzinsuffizienz als kardiovaskulärer Risikofaktor einzustufen war [1]. Die Metaanalyse zeigte, dass bei 9000 behandelten Patienten das Risiko für einen späteren Myokardinfarkt durch die Gabe von ACE-Hemmern unabhängig von der jeweiligen Ejektionsfraktion um 23% reduziert wurde. Eingeschlossen wurden 10.576 kardiovaskuläre Risikopatienten ab einem Alter von 55 Jahren mit einer kardiovaskulären Erkrankung (koronare Herzkrankheit, Hirn­insult, periphere arterielle Verschlusskrankheit) oder Diabetes mellitus in der Vorgeschichte. Zusätzlich lag mindestens ein weiterer kardiovaskulärer Risikofaktor (Hypertonus, erhöhtes Gesamt-Cholesterol, erniedrigtes HDL-Cholesterol, Rauchen oder dokumentierte Mikroalbuminurie) vor. Herzinsuffizienz galt als Ausschlusskriterium. Damit ist die damalige HOPE-Studienpopulation mit der beschönigend genannten aktuellen HOPE-3-Studie überhaupt nicht vergleichbar.

HOPE-3-Studie heute

In der aktuellen HOPE-3-Studie waren die Ergebnisse von Rosuvastatin (10 mg pro Tag) sowie eine Kombination aus Candesartan (16 mg pro Tag) und Hydrochlorothiazid (12,5 mg pro Tag) ziemlich desolat [2]. Die Statin-Monotherapie senkte den primären Studienendpunkt von 4,8% im Placebo-Arm auf 3,7% nach der Behandlung mit Rosuvastatin, also gerade mal um 1,1 von Hundert. Unter der kombinierten Gabe von Candesartan (16 mg pro Tag) und Hydrochlorothiazid (12,5 mg pro Tag) sank der primäre Endpunkt von 4,4 auf 4,1% (Hazard Ratio [HR] 0,93), also nur um 0,3 von Hundert.

Mittlerweile mehren sich kritische Stimmen zum Hype um HOPE-3: Prof. Dr. Reinhold Kreutz, Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie und Toxikologie an der Charité in Berlin, erläutert auf Med­scape Deutschland: „Nach HOPE-3 erweist sich also eine unspezifische moderate Blutdrucksenkung ohne Berücksichtigung des Ausgangsblutdrucks zur Primärprophylaxe kardiovaskulärer Ereignisse als ungeeignet“ [3]. Diese Aussage stimmt mit den Positionen der europäischen Fachgesellschaften überein.

Prof. Dr. William Chandler Cushman, Veterans Affairs Medical Center, Memphis, und Prof. Dr. David C. Goff, Colorado School of Public Health, Aurora, kommentieren die Ergebnisse von HOPE-3 in einem euphorischen Editorial „More HOPE for Prevention with Statins” im New England Journal of Medicine [4]: „Diese Ergebnisse können dabei helfen, den durchschnittlichen systolischen Blutdruck (< 140 mmHg) und das durchschnittliche kardiovaskuläre Risiko (< 5%) zu definieren, unter denen eine Blutdrucksenkung über kurze Zeiträume nicht hilfreich sein dürfte.“ Dabei handelt es sich meines Erachtens um eine vorwissenschaftliche Behauptung. Nur durch große, validierte, prospektive epidemiologische Studien ließe sich ein geeigneter „Cut-off“-Wert beim Blutdruck und der damit möglichen therapeutischen Morbiditäts- und Mortalitätssenkung detektieren. Bei tatsächlich pathologisch erhöhtem Blutdruck sind übrigens Antihypertensiva nicht mehr Primär- sondern Sekundärprävention.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Wie viele Patientinnen und Patienten sollen denn noch mit einem nicht ­belegten Poly-Pillen-Konzept ohne Stringenz, Evidenz und Signifikanz behandelt werden? Mit Gewichtsreduktion, zielgerichtet indizierter Therapie („treat-to-target“) und Bewegungsaktivität ist wesentlich mehr nebenwirkungsfrei zu erreichen.

Quelle

[1] Sleight PJ. The HOPE Study (Heart Outcomes Prevention Evaluation). Renin Angiotensin Aldosterone Syst 2000;1(1):18-20

[2] Lonn EM et al. Blood-Pressure Lowering in Intermediate-Risk Persons without Cardiovascular Disease. N Engl J Med 2016, published online 2. April

[3] http://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4904794?nlid=103887_3201

[4] Cushman WC, Goff DC. More HOPE for Prevention with Statins. N Engl J Med 2016, published online 2. April

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