Die Seite 3

Und die neue Zeitung, bitte!

Peter Ditzel, Herausgeber der DAZ

Vom Bäcker brachte meine Mutter früher die „Bäckerblume“ mit, vom Fleischer die „Jolanthe“, die Kundenzeitschrift für den süddeutschen Metzger. Im Schuhgeschäft freute ich mich auf „Lurchi“, die Zeitschrift mit dem kleinen schwarz-gelben Salamander. Und in der Apotheke gab’s für meine Mutter entweder „die Umschau“ oder die „Neue Apotheken Illustrierte“, je nachdem, welche Apotheke sie aufgesucht hatte. Und wenn ich mit meiner Oma in eine bestimmte Apotheke ging, überreichte mir dort der Herr Apotheker im hochgeschlossenen weißen Mantel mit einem gütigen Lächeln ­einen Ausschneidebogen, auf dem ein Bub oder ein Mädchen abgebildet war und verschiedene Kleidungsstücke. Die bunten Hemden, Hosen, Blusen und Röcke konnte man ausschneiden und mittels kleiner Laschen zum Umbiegen an den Buben und Mädchen befestigen und sie so anziehen. Kinder hatten ihren Spaß daran.

Jolanthe gibt es nicht mehr. Lurchi und die Bäckerblume liegen nur noch in ganz wenigen Geschäften aus – Bäckereien und Backshops, Fleischereien und Schuhgeschäfte können sich heute keine Kundenzeitschriften mehr leisten oder wollen es nicht. Es gibt sie heute eigentlich nur noch in Geschäften, die mit Gesundheit im weitesten Sinne zu tun haben, und dort scheinen sie zu boomen, z. B. in Drogeriemärkten: „Alverde“ bei dm, „Centaur“ bei Rossmann und bei „Müller“ gibt’s sogar gleich sechs unterschiedliche, von „Luxus“ über „Body & Soul“ bis „Herzschlag“, einem Schlager­magazin. Oder in Reformhäusern: z. B. „Reformhaus-Kurier“, „Schrot und Korn“ oder „eve“, das Kundenmagazin für Naturkost und Naturkosmetik, und „Cosmia“, ein Magazin für Naturkosmetik. Und in Parfümerien gibt’s „Schönheit“, ein Kundenmagazin unabhängiger Duftgeschäfte.

Aber selbst das alles ist nur entfernt vergleichbar mit dem Markt der Kundenzeitschriften in Apotheken, den wir in unserem DAZ-Schwerpunkt (ab Seite 39) durchleuchtet haben. Hier gibt es eine schwer überschaubare Vielzahl von Titeln, die um die Gunst der Apotheken buhlen. Viele dieser Zeitschriften werden zudem in Variationen, mit oder ohne Rätselseiten, mit oder ohne TV-Programm oder einem Mix aus beiden angeboten. Versucht man, sich einen Überblick über den Markt der Kundenzeitschriften zu verschaffen, zählt man weit über 30 ­verschiedene Blätter. Hinzu kommen die kooperationseigenen Zeitschriften, von denen es mindestens acht Titel gibt. Knapp 20 Millionen Hefte gehen monatlich über den HV-Tisch. Unangefochtener Platzhirsch ist dabei die „Apotheken Umschau“, 9,3 Millionen Exemplare verkauft der Wort & Bild-Verlag monatlich an die Apotheken. Um Platz zwei und drei rangeln sich, je nach Zählweise, die „Neue Apotheken Illustrierte“ und der „Ratgeber aus Ihrer Apotheke“ mit Auflagen um die Millionenhöhe oder darüber.

Rund 100 Mio. Euro lassen sich die Apotheken diese für Kunden kostenlose Zugabe kosten, in der Regel ist es der größte Posten bei den Werbeausgaben. Warum tun das Apotheken? Klar, zur Kundenbindung, „die Leute fragen danach“, bekommt man zur Antwort, „sie wollen ihre Kundenzeitschrift“. Die Apotheke, die überhaupt keine Zeitschrift anbietet, mag es vielleicht geben – wir haben sie nicht gefunden. Ein Rückgang oder gar ein Ende der gedruckten Apotheken-Kundenzeitschrift scheint vorerst nicht in Sicht, auch nicht im digitalen Zeitalter der Apps auf Smartphones und Tablets. Davon sind auch die Macher der zwei großen Titel überzeugt, wie sie in unseren Interviews durchblicken ließen (Seite 45 und Seite 48).

So gesehen werden die Apotheken auch weiterhin die Möglichkeit haben, in eine sinnvolle Zugabe zu investieren. Denn: Vielleicht sollte man mal den Nutzen untersuchen, den Apotheken mit der Verteilung der Kundenzeitschriften für die Volksgesundheit, für die Gesundheitsaufklärung leisten.

Peter Ditzel


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