DAZ aktuell

Schweizer wollen deutsche Arzneimittel

Präparate aus dem Ausland sollen in der Schweiz erstattungsfähig werden

eda | Hohe Arzneimittelausgaben machen dem Schweizer Gesundheitssystem zu schaffen: Originalpräparate kosten nach Ablauf des Patentschutzes im Schnitt 60 Prozent mehr als im europäischen Ausland. Bei Generika sind es sogar rund 140 Prozent mehr. Der Schweizer Bundesrat und das Gesundheitsamt wollen nun überprüfen, ob die Erstattung ausländischer Arzneimittel – u. a. aus Deutschland – die Ausgaben der Krankenkassen nachhaltig senken könnte.

Schon seit geraumer Zeit diskutiert die Schweizer Politik über verschiedene Maßnahmen zur Kostendämpfung bei den Gesundheitsausgaben. In der Alpenrepublik liegen die Aufwendungen für Arzneimittel pro Einwohner und Jahr bei umgerechnet fast 700 US-Dollar. Als Ursachen werden verschiedene Besonderheiten im Schweizer Gesundheitssystem betrachtet: So dürfen Ärzte in vielen Kantonen dispensieren und Vorgaben wie Aut-idem-Regelungen oder Rabattverträge existieren nicht in der Ausprägung und Schärfe wie beispielsweise in Deutschland. Die Folgen sind hohe Arzneimittelausgaben und eine im Vergleich zu anderen OECD-Ländern äußerst geringe Generika­quote (s. DAZ 2017, Nr. 43, S. 22).

Außerdem garantiert das Schweizer Territorialitätsprinzip, dass sich ausschließlich einheimische Leistungserbringer und Leistungsträger am ­Gesundheitsmarkt beteiligen dürfen. Ärzte und Apotheker müssen ihren Sitz innerhalb der Landesgrenzen ­haben. Auch werden hauptsächlich Präparate von Schweizer Pharmaherstellern verordnet und auch dann ­erstattet, wenn es in anderen Ländern bereits billigere Alternativen gibt. Damit sollen Steuereinnahmen, Arbeitsplätze im Gesundheitswesen sowie die Wirtschaftskraft der Unternehmen garantiert werden. Eine wei­tere Argumentation lautet, dass erst dadurch die Qualität und Sicherheit der Leistungen gewährleistet und überwacht werden kann.

Preisüberwacher fordert Maßnahmen vom Bundesrat

Stefan Meierhans ist amtierender Preisüberwacher beim Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement. Er soll Konsumenten und die gesamte Wirtschaft vor zu hohen Preisen schützen, die nicht im freien Wettbewerb festgelegt werden. Hierzu zählen beispielsweise Rundfunkgebühren, Bußgelder, Abgaben für öffentliche Ver- und Entsorgung sowie Tarife im Gesundheitswesen. Beim Vergleich der Schweizer Arzneimittelpreise mit denen von 15 europäischen Ländern stellte Meierhans große Differenzen fest. So kosten Generika außerhalb der Schweiz im Durchschnitt weniger als die Hälfte. Auch bei den Originalpräparaten ohne Patentschutz liegt der Preis gut ein Drittel unter dem Schweizer Niveau. Der Preisüberwacher fordert daher ein Referenzpreissystem für alle Schweizer Arzneimittel, das jährlich aktualisiert werden müsse. So sollen die Krankenkassen wirkstoffgleiche Präparate einheitlich vergüten. Als Basis würde der Preis des günstigsten Generikums dienen. Außerdem fordert er die Erstattungsfähigkeit von im Ausland gekauften Arzneimitteln. Zustimmung kommt von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Sie rechnet damit, dass durch die vorgeschlagenen Maßnahmen jährlich hunderte Millionen Franken eingespart werden könnten und bei gleicher Qualität die Aufwärts­spirale der Krankenkassenbeiträge gestoppt werde.

Doch bisher sind in der Schweiz Gesundheitsleistungen nur erstattungsfähig, wenn sie im Inland erbracht wurden. Im Rahmen der Notfallversorgung dürfen die Schweizer Krankenkassen ausnahmsweise die Kosten für im Ausland erworbene Arzneimittel übernehmen. Nun scheint es in der Schweizer Politik jedoch eine Kehrtwende zu geben: Gesundheitsminister Alain Berset kündigte an, dass im Bundesrat ein entsprechender Vorschlag erarbeitet werde, der die Ver­gütung bestimmter Arzneimittel aus dem Ausland vorsehen soll. So könnte es Schweizer Bürgern zukünftig ­ermöglicht werden, beim Einkauf im grenznahen Ausland – z. B. in Deutschland – deutlich günstigere Arzneimittel zu erwerben und sie bei den Krankenkassen abzurechnen.

Widerstände aus Industrie und Apothekerschaft

Ob sich diese Pläne jedoch so einfach verwirklichen lassen, bleibt ungewiss. Große Widerstände kommen aus der Schweizer Apothekerschaft und den Verbänden der Pharmaindustrie. Sie warnen vor einer Öffnung und stellen das ganze Gesundheitssystem inklusive der Schweizer Souveränität infrage. Marcel Mesnil vom Apothekerverband pharmaSuisse betont: „Es kann nicht sein, dass die Behörden, die mit unseren Steuern finanziert werden, uns Apotheker mit Auflagen überhäufen, uns die Ein- und Verkaufsmöglichkeiten der Apotheken in der EU verwehren und dann gleichzeitig einen Einkauf im Ausland fördern.“ Die Vereinigung der führenden Generikafirmen Intergenerika warnt davor, dass ausländische Arzneimittel nicht durch die Schweizer Zulassungsbehörde swissmedic geprüft seien und diese Stelle dann in Zukunft entbehrlich wäre.

Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesrat seinen Vorstoß durch das Parlament bringt und welche Folgen sich hinsichtlich einer erhöhten Nachfrage für den deutschen Arzneimittelmarkt ergeben könnten. |

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