Schwerpunkt Weihnachtsbaum

Bindemittel, Filmcoating oder Gefriertrocknung

Mit diesen Technologien kommt Ihr Weihnachtsbaum sicher über die Feiertage

Foto: 2mmedia – stock.adobe.com
Von Heiko Schiffter-Weinle | Alle Jahre wieder, in der Adventszeit, beginnen die Suche und der „Run“ nach dem perfekten Weihnachtsbaum.

Egal welche Sorte, ob die hierzulande beliebte Nordmanntanne, die Blau­-Fichte, Rot-Fichte oder auch die Douglasie, wir haben in der Regel eine ganze Reihe arzneimittelähnlicher spezifischer Qualitätskriterien: kerzengerade gewachsen, pyramidenförmige Form mit zum Schmücken geeigneten Ästen, eine wohlgeformte Spitze, frisch geschlagen mit satter Farbe und Glanz sowie mit einem charakteristischen Duft, der an die eigene Kindheit erinnert.

Doch kaum gekauft, beginnt sich zu Hause meist schon beim Aufstellen und Schmücken die erste Ernüchterung ein­zustellen, denn „Oh Schreck!“, die ersten Nadeln fallen zu Boden.

Oft muss dann sogar spätestens zu Silvester eine Sperrzone um den Baum eingerichtet werden, denn jegliche Berührung würde eine Domino-artige Entnadelung bis auf das lignifizierte pflanzliche Gewebe einleiten. Und das alles trotz der im Internet kursierenden angeblich so bewährten Hausmittel, wie Kochsalz, Saccharose, Acetylsalicylsäure oder gar Haushaltstenside, die dem Wasser zum Gießen des Baumes aus Verzweiflung zugesetzt wurden. Aber Kopf hoch – wie auch bei der Arzneimittelentwicklung bietet die Pharmazeutische Technologie vielfältige Lösungen, um die Stabilität Ihres Baumes zu gewährleisten und sicherzustellen, dass er die Feiertage übersteht und gut in das nächste Jahr kommt.

Einsatz polymerer Bindemittel gegen nadelnde Weihnachtsbäume

Was für den Hobby-Heimwerker die Heißklebepistole ist, das ist für den Pharmazeutischen Technologen das polymere Bindemittel zum Einsatz in der Granulation.

Amorphe, polymere Bindemittel sind nicht nur in der Feuchtgranulierung sicher und komplikationslos einsetzbar, nein, durch ihre Plastizität sorgen sie auch für einen starken ­Zusammenhalt beim Ankleben abgefallener Weihnachtsbaumnadeln. In der Praxis eignen sich hierfür drei bis fünf-prozentige wässrige Polyvinylpyrrolidon- oder ein- bis fünf-prozentige Celluloseether-Lösungen.

Die abgefallenen ­Nadeln werden am einfachsten an einer Seite kurz in die Polymerlösung getaucht und dann wieder angeklebt. Zum Trocknen der Bindemittellösung bietet sich ein übliches Baugebläse an, da die Raumtemperatur mit einer standard­mäßigen Heizung selten auf über 40 °C reguliert werden kann. Generell ist dies sicher die einfachste und kostengünstigste Methode.

Ein möglicher Nachteil: laut der Fernsehsendung „Wissen macht Ah…“ hat ein circa 1,80 Meter großer Tannenbaum etwa 365.000 Nadeln. Daneben dürfen Sie natürlich nicht vergessen, für den Fall, dass Sie eine Kiefer als Weihnachtsbaum gewählt haben, dass bei der Waldkiefer, Schwarz­kiefer und Bergkiefer die Nadeln paarig gebündelt stehen, bei der Zirbelkiefer sogar fünfnadelig. Das heißt also, diese Methode ist sicher etwas zeitaufwendig und erfordert neben der technologischen Handhabung auch etwas künstlerisches Geschick.

Zeichnung: Barbara Kohm

Polymer-Schutzcoating

Das Überziehen von Tabletten mit pharmazeutischen Filmbildnern kann hydrolyseempfindliche Wirkstoffe im Tablettenkern effektiv vor der Umgebungsfeuchte schützen. Genau hier setzt die nächste technologische Möglichkeit an. So wie das Eindringen von Feuchte durch einen Überzug verhindert werden kann, lässt sich auch der Austritt von Wasserdampf aus dem überzogenen Material unterbinden. Die beiden Copolymere Dimethylaminoethylmethacrylat-Butylmethacrylat-Methylmethacrylat (Eudragit® E) und Diethylaminoethylmethacrylat-Methylmethacrylat (Kollicoat®Smartseal) bilden wasserdampfundurchlässige Filme und können, als Film auf den Baum oder auch nur auf die Nadeln des Weihnachtsbaums aufgetragen, ein Austrocknen verhindern. Sollten Sie zusätzlich mit der Farbe der Nadeln schon beim Kauf nicht zufrieden gewesen sein, so bietet es sich an, der Coatingrezeptur einen Farbstoff, zum Beispiel Chlorophyll-Pulver (E140) zuzusetzen, damit Ihr Baum eine satte grüne Farbe mit glänzender Oberfläche erhält.

Zeichnung: Barbara Kohm

Gefriertrocknung

Sollten Sie an Ihrem Weihnachtsbaum einen solchen Gefallen gefunden haben, dass Sie diesen nicht nur über die Feiertage ins neue Jahr retten, sondern für alle Ewigkeit konservieren möchten, dann ist definitiv die Gefriertrocknung zu empfehlen. Aufgrund der schonenden Trocknungsbedingungen ist diese Methode nicht nur für temperaturempfindliche pharmazeutische Stoffe und Zubereitungen wie zum Beispiel Penicilline, Antikörper, Enzyme, Seren oder Impfstoffe geeignet; die Gefriertrocknung bietet sich in besonderem Maße auch für die Trocknung und damit Konservierung von Blumen und Pflanzen an. Und das Beste daran ist: Es gibt sogar Lohnhersteller, die sich auf die Gefriertrocknung von botanischen Exponaten spezialisiert haben.

Zeichnung: Barbara Kohm

Zuerst wird hierfür der komplette Weihnachtsbaum eingefroren, um das im Baum befindliche Wasser als Eis zu kristallisieren. In der Regel reicht hierzu in Mitteleuropa allerdings der normale Nachtfrost im Winter nicht aus, sodass dieser Prozessschritt am besten schon direkt im Gefriertrockner durchgeführt wird. Anschließend wir das Eis in der Primärtrocknungsphase bei tiefen Temperaturen und tiefem Druck durch Sublimation entfernt. Final wird dann in der Sekundärtrocknung bei etwas angehobenen Temperaturen, aber immer noch tiefem Druck, das stärker gebundene Wasser durch Desorption entfernt und die Restfeuchte des Baumes eingestellt. Sofern Sie den Zeitpunkt der Präparation richtig gewählt haben, erhalten Sie einen farblich einwandfreien Baum, der durch die Trocknung nun auch wesentlich weniger Gewicht hat und somit leichter zu transportieren ist. Zwei kleine Nachteile dieser Methode sind allerdings, dass erstens Teile des Baumes nun recht porös sind und deutlich leichter brechen als Porzellan, und zweitens mit der Gefriertrocknung neben dem Wasser auch die flüchtigen Duftstoffe aus dem Baum entfernt werden. Als Finish empfiehlt sich deshalb ein vorsichtiges Einsprühen mit einem im Baumarkt erhältlichen Klarlack in mehreren Schichten. So erhöhen Sie die mechanische Stabilität, vor allem der dünnen Ästchen und Tannenbaumnadeln. Um den charakteristischen Weihnachtsbaumduft wieder zu erlangen, können Sie dann noch ein Duftbäumchen, erhältlich im Fachmarkt für Autozubehör, an einen der zentralen Äste des Baumes hängen.

Zeichnung: Barbara Kohm

3D-Druck – die digitale Zukunft

Nachdem auch die Pharmazeutische Technologie neben den bekannten klassischen Methoden vermehrt neue Wege geht, lohnt es sich, zum Schluss noch einen Blick auf den 3D-Druck zu werfen. Die erste Zulassung durch die amerikanische Behörde FDA einer durch 3D-Druck hergestellten Tablette, Spritam der Firma Aprecia Pharmaceuticals mit dem Wirkstoff Levetiracetam, ist nun schon mehr als zwei Jahre her, und die Zahl der Berichte zu diesem Technologie- und Anwendungsbereich hat in den einschlägigen Fachzeitschriften deutlich zugenommen. Also, warum nicht mit der Zukunft gehen und den Weihnachtsbaum gleich nach Vorlage eines digitalen Modells im 3D-Drucker drucken. Bei Verwendung eines FDM(Fused Deposition Modeling)-Druckers mit zwei Druckköpfen können Sie dann auch durch Verarbeitung eines braunen und grünen Filaments den Stamm von den mit Tannennadeln besetzten Ästen unterscheiden. Okay, zugegeben, mit den finanziell erschwinglichen handelsüblichen Druckern wird Ihr Bäumchen sicher eher Miniaturcharakter haben, aber „Who cares …?“, Sie machen damit auf ­jeden Fall einen Schritt in Richtung Zukunft.

Zeichnung: Barbara Kohm

Egal, für welche Methode Sie sich nun entscheiden, um Ihren Baum gut in das neue Jahr zu bringen: Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes und gesundes neues Jahr 2018. |

Autor

Prof. Dr. Heiko A. Schiffter-Weinle, Pharmaziestudium in Heidelberg, Promotion in Erlangen in Pharmazeutischer Technologie, Postdoktorat und Lecturer in Bioingenieurwesen an der Universität Oxford, von 2012 bis 2015 tätig im Bereich Forschung und Entwicklung von pharmazeutischen Hilfsstoffen bei der BASF SE, seit September 2015 Professur für Galenik an der Technischen Hochschule in Köln.


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