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- DAZ 51/2017
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Schwerpunkt Weihnachtsbaum
Welcher Baum soll es denn sein?
Schon die richtige Auswahl ist eine Wissenschaft für sich
Alles zusammen wäre die „eierlegende Wollmilchsau“, die man – wie so häufig im Leben – nur schwer finden kann. Aber wenn man weiß, worauf man achten muss, kommt man schon nah an den persönlichen Wunschbaum heran.
Aus botanischer Sicht beginnt das natürlich mit der Auswahl der richtigen Stammpflanze. Und so finden wir uns gleich schon gedanklich in der winterlichen Frische eines Weihnachtsbaummarktes wieder. Hier stehen nun die verschiedenen Aspiraten und harren unserer Entscheidung.
Nachdem uns der Verkäufer fröhlich in Empfang genommen hat und auf das „schnelle Geschäft“ hofft, blättern wir voller Begeisterung den guten alten „Schmeil/Fitschen“ auf. (Zum Glück war dies nicht das erste Buch, welches wir direkt nach dem Studium verkauft haben!) Die Hauptgruppentabelle führt uns gleich weiter: Die Samen liegen frei, die Bäume um uns herum besitzen nadelförmige, anscheinend immergrüne Blätter. Nacktsamer also! Wir schauen in der Tabelle unter Gymnospermae weiter. Die Nadeln dieser Bäume bilden keine grüne Leiste und auch keinen Quirl, sondern sind einzeln oder büschelig zu zweit, dritt oder fünft an Kurztrieben mit verholzten Fruchtzapfen. Eindeutig alles noch Vertreter der Familie der Pinaceae, die wir auch als Kieferngewächse kennen. So weit so gut, wir sind auf dem richtigen Weg und ab jetzt wird es immer spannender. Bisher hätten wir – wie all die Jahre zuvor – die meisten Bäume dem nun etwas irritiert schauenden Verkäufer unkritisch abgenommen.
Keine Tannen sondern Fichten
Schauen wir uns nun den ersten Baum an, der uns mit seinem günstigen Preis anlacht. Die Nadeln sind rings um den Zweig herumgestellt und vierkantig spitz mit großen herabhängenden Zapfen. Wir hören den Verkäufer, der uns von der Seite etwas von einem „Tannenbaum“ erzählt. Er zeigt dabei auf einen ebensolchen Baum mit braun-grauer Rinde, bei dem die jungen Äste leicht rötlich-braun wirken, während die Nadeln glänzend dunkelgrün erscheinen.
Wir wissen es natürlich etwas besser. Zwar wird dieser Baum im deutschen Sprachraum irreführenderweise auch als Rottanne bezeichnet, allerdings handelt es sich bei der Picea abies eigentlich um eine Fichte, weshalb der Name Rotfichte oder Gewöhnliche Fichte schon besser passt. Achten Sie also darauf, was man Ihnen da so alles als „Tannenbaum“ zu verkaufen versucht, denn die Rotfichte bringt einige negative Aspekte mit sich: An den dünnen Ästchen lässt sich nur sehr schwierig der Weihnachtsschmuck anbringen und – noch viel schlimmer – nach wenigen Tagen im Warmen verlieren die Fichten ihre Nadeln. Also eignen sich die Rotfichten eher für Sparfüchse oder „Last-Minute-Käufer“, da man sie erst kurz vor Heiligabend schlagen und dann direkt aufstellen sollte.
Daneben steht eine weitere Fichte mit abstehenden, größtenteils aufwärtsgerichteten, blaugrün-silbrigen Nadeln und klassisch herabhängenden Zapfen. Die Blaufichte, oder Picea pungens, kann sich, im Gegensatz zur Rotfichte, durchaus im oberen Preissegment befinden. Dafür ist sie etwas mittelmäßig länger haltbar und die Nadeln fallen in der warmen Stube erst nach ein bis zwei Wochen aus. Der Duft ist angenehm weihnachtlich und kräftig. Beim Aufstellen und Schmücken bemerkt man jedoch schnell und eindringlich, weshalb diese Picea-Art auch „Stech-Fichte“ genannt wird. Das könnte einem dann doch schnell die Freude verderben, weshalb man sich lieber etwas weiter umschauen sollte.
Die Douglasie (Pseudotsuga menziesii) ist übrigens weder Kiefer, Fichte noch Tanne, sondern eine eigene Gattung innerhalb der Kieferngewächse. Sie sieht zwar aus wie eine breit gewachsene Fichte mit biegsamen Zweigen und wirft ihre hängenden bis 10 cm langen Zapfen zu Boden. Die weichen 1,5 cm langen dünnen Nadeln haben dagegen Ähnlichkeiten mit denen einer Tanne. Sie sind auf der Oberseite glänzend grün, haben aber auf der graugrünen Unterseite nur zwei leicht weißliche Linien und nicht die markanten Wachsstreifen der Tanne. Verreibt man die Nadeln, entsteht ein lieblicher Zitrusduft. Ihre Haltbarkeit ist etwa mit der Blaufichte zu vergleichen, preislich aber deutlich günstiger. Und schwerer Baumschmuck eignet sich auch bei der Douglasie nicht, weil ihre biegsamen Ästchen dann sehr hängen.
Kiefern für Liebhaber und Individualisten
Der nächste Blick fällt auf einen etwas ungewöhnlichen Weihnachtsbaum. Dieser hat seine Nadeln zu zweit an Kurztrieben mit einem häutigen Schuppenblatt am Grund. Die Zapfen sind auch wieder herabhängend – anscheinend also eine Pinus-Art. Da die blaugrünen Nadeln nur 3 bis 8 cm lang und die Zapfen leicht gestielt sind, handelt es sich um eine Pinus sylvestris, die gewöhnliche Kiefer oder auch Waldkiefer bzw. Föhre genannt. Sind die Nadeln mit 8 bis 15 cm etwas größer und eher dunkelgrün, während der Stamm schwarzgrau und rissig ist, wäre es eine Pinus nigra bzw. Schwarzkiefer. Beides generell nicht schlecht. Die Kiefer besticht durch ihre äußerst lange Haltbarkeit im Wohnzimmer und ihren angenehmen Duft. Damit wäre sie fast perfekt, jedoch irritiert die etwas Weihnachtsbaum untypische Wuchsform. Außerdem sind die Äste weich und die Nadeln relativ lang, was das Schmücken fast unmöglich machen kann. Daher ist die Kiefer wohl eher etwas für Liebhaber und Individualisten.
Endlich Tannen!
Nähern wir uns dann der letzten Weihnachtsbaumgruppe auf dem Markt. Bei diesen Exemplaren stehen die Zapfen – sofern vorhanden – aufrecht. Die Nadeln sind oberseits dunkelgrün und besitzen unterseits zwei weiße Wachsstreifen. Definitiv also Bäume aus der Gattung Abies. Es sind also die richtigen Tannen. Mit 15 bis 30 mm Nadellänge und einer weißgrauen Rinde handelt es sich um die Abies alba, die Weiß-Tanne. Dagegen sind bei der Abies nordmanniana die Nadeln etwas länger und derber und die Rinde dunkelgrau. Manchmal wird die einheimische Abies alba im Volksmund auch als Edel-Tanne bezeichnet. Dabei handelt es sich aber eigentlich um die aus Nordamerika stammende Abies procera die man Nobilis- oder eben auch Edel-Tanne nennt. Man kennt sie mit ihren etwa 25 mm großen sehr dichtstehenden Nadeln ansonsten auch von den Adventskränzen. Sehr auffällig sind dabei die weiblichen Blütenzapfen mit ihren langen ausgezogenen und zum Teil umgeschlagenen Spitzen. Die Wuchsform ist jedoch im Vergleich zu anderen Tannen etwas unregelmäßiger.
Egal, ob die Weiß-, Nordmann- oder Nobilis-Tanne – alle drei zeichnen sich durch ihre lange Haltbarkeit aus – es gibt erfolgreiche Experimente bei denen Ostereier unter dem grünen Weihnachtsbaum versteckt wurden – wobei die Abies procera bzw. Nobilis-Tanne die Nase in Sachen Haltbarkeit etwas vorweg zu haben scheint. Diese Vertreter der Tannen lassen sich auch gut mit schwerem Christbaumschmuck schmücken und pieksen tut dabei auch nichts. Eigentlich fast ideal, wenn da nicht die relativ wenigen Harzgänge der Weiß- und Nordmann-Tannen wären. Das macht dieses Holz zwar sehr wertvoll für die Forstwirtschaft. Im Wohnzimmer fehlt damit jedoch der typische Weihnachtsbaum-Duft. Dadurch wirken die Tannen etwas charakterlos, trotzdem sind die Nordmann-Tannen mit fast 80 Prozent die beliebtesten Weihnachtsbäume in deutschen Wohnzimmern. Als alternativer Tannenbaum wäre in dem Fall noch die Abies procera bzw. Nobilis-Tanne interessant, welche mit einem Orangenduft aufwartet, jedoch leider auch meist eine etwas unregelmäßigere Wuchsform besitzt.
Jetzt wissen wir eigentlich vollkommen Bescheid und schlagen den „Schmeil/Fitschen“ wieder zu. Neben uns bemerken wir den ungeduldig wirkenden Weihnachtsbaumverkäufer und können ihm unsere Entscheidung mitteilen. |
Literatur
Bachofer M, Mayer J. Der Kosmos Baumführer. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart 2015
Seybold S. Flora von Deutschland und angrenzender Länder. Ein Buch zum Bestimmen der wild wachsenden und häufig kultivierten Gefäßpflanzen. Begründet von Otto Schmeil, Jost Fitschen. 93. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2006
Schutzgemeinschaft Deutscher Wald: Weihnachtsbaum in Zahlen und Fakten. http://www.sdw.de/waldwissen/weihnachtsbaum
Nähere Angaben zum Autor siehe Seite 65.
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