Gesundheitspolitik

Nächster Schritt zur EU-Nutzenbewertung

EU-Parlament nimmt Kommissionsvorschlag mit Änderungen an

BERLIN (bro/ks) | Das Europäische Parlament hat am 3. Oktober den Vorschlag der EU-Kommission für eine gemeinsame Nutzenbewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten (Health Technologie Assessment – HTA) mit zahlreichen Änderungsanträgen angenommen. Dabei wurde auf eine strengere Abgrenzung zwischen Kompetenzen der Union und der Mitgliedstaaten geachtet – u. a. bei der Kostenerstattung.

Im Januar hatte die EU-Kommis­sion einen Richtlinienentwurf zur Harmonisierung der Nutzenbewertungssysteme für Arzneimittel und Medizinprodukte vorgelegt. Er sieht grundsätzlich vor, dass Experten aus den Mitgliedstaaten gemeinsam bewerten, ob und welchen Zusatznutzen ein Arzneimittel im Vergleich zur Standardtherapie hat. Diese Bewertung soll dann als Grundlage für die Erstattung, die von den Mitgliedstaaten vorgenommen wird, dienen. Die Kommission verspricht sich davon mehr Transparenz für Patienten sowie bessere Daten für die nationalen Zulassungsbehörden und die Gesundheitspolitik. Zudem müssten die Hersteller sich nicht länger an verschiedene nationale Zulassungsprozeduren halten.

Doch der ursprüngliche Entwurf stieß auf ein unterschiedliches Echo: Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) begrüßte ihn grundsätzlich, während der GKV-Spitzenverband Alarm schlug. Unter anderem der deutsche Bundestag und der Bundesrat legten Subsidiaritätsrüge ein. Der Grund: Der Entwurf greife zu stark in die Rechte der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung der nationalen Gesundheitssysteme ein. Insbesondere wurde eine Einmischung in die Preisbildung und Einfluss auf die Erstattungspreise befürchtet.

Souveränität bei Preis­gestaltung bleibt gewahrt

Dieser Ruf nach Souveränität bei der Preisgestaltung ist im EU-Parlament angekommen. Es hat nun mehrheitlich die folgende Ergänzung beschlossen: „Außerdem soll diese Regelung nicht in die exklusive nationale Kompetenz der EU-Mitgliedstaaten eingreifen, nationale Preis- und Erstattungsentscheidungen zu treffen.“

Das Parlament stellte außerdem in weiteren Änderungsanträgen klar, dass auf Ebene der Mitgliedstaaten ergänzende Studien eingebracht werden können, um den Preis bzw. den Erstattungsbetrag zu ermitteln. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn der entsprechende medizinische Standard in dem jeweiligen Land durch die Prüfung der Vergleichstherapie auf europä­ischer Ebene nicht ausreichend abgedeckt wurde.

Trotzdem spricht sich das EU-Parlament grundsätzlich dafür aus, die Nutzenbewertungsverfahren stärker zusammenzurücken. Der Europapolitiker Peter Liese (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Christdemokraten, begrüßte den Entwurf, weil „unnötige Doppelarbeit“ so vermieden werden könne. Aber auch er betonte: „Wir müssen streng darauf achten, dass die Kompetenzen der Mitgliedstaaten beachtet werden. Für die Frage, ob ein Medikament erstattet wird, ist nicht Europa, sondern das nationale Gesundheitswesen zuständig.“

Laut Parlamentsmitteilung haben 576 Parlamentarier dem Richtlinienentwurf samt Änderungen zugestimmt, bei 56 Gegenstimmen und 41 Enthaltungen. Das Vorhaben muss nun nochmals mit den EU-Ministern (Ministerrat) abgesprochen werden. Diese können Stellung beziehen, dann wandert das Vorhaben in einer zweiten Lesung ins EU-Parlament, wo erneut Änderungen beschlossen werden können. Gibt es erneute Änderungen, muss der Ministerrat nochmals zustimmen. Tut er das nicht, wird ein Vermittlungsausschuss einberufen – zwischen Parlamentsvertretern und dem Rat. Gibt es auf EU-Ebene einen Beschluss, müssen die EU-Länder diesen innerhalb einer gewissen Frist in nationales Recht umsetzen. |

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