Die Seite 3

Der „Volksgesundheit“ zuliebe

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Wer in Deutschland eine Apotheke betreiben will, muss die Approbation als Apotheker besitzen, zuverlässig und voll geschäftsfähig sein sowie über die vorgeschriebenen Räumlichkeiten verfügen.

Die ersten Paragrafen im Apothekengesetz lesen sich so einfach und scheinen so selbstverständlich. Doch spätestens mit Beginn des Pharmaziestudiums wird man feststellen, dass die Eintrittshürden hoch sind und allein der Wille nicht ausreicht, um den Beruf des Apothekers zu ergreifen. Zu Recht – liegt doch in der pharmazeutischen Berufstätigkeit die von der Gesellschaft an die Apotheker übertragene Aufgabe, sie „ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen“.

Nach dem Studium, der praktischen Ausbildung sowie drei Staatsexamen stehen einem viele Möglichkeiten offen, pharmazeutisch tätig zu werden: Als Selbstständiger oder Angestellter kann man in der Apotheke arbeiten oder seine Berufung in Forschung, Lehre, Indus­trie, Kliniken, Fachverlagen, Behörden oder Krankenversicherungen finden.

So eine freie Auswahl existierte nicht immer. Bis vor 60 Jahren musste eine weitere Voraussetzung vorliegen, um als Inhaber eine eigene Apotheke betreiben zu dürfen – die sogenannte Konzession. Der Staat behielt sich das Recht vor, zu entscheiden, ob die Errichtung einer neuen Apotheke sinnvoll war. Einerseits durfte es nicht zu wenige Apotheken geben, andererseits wollte man vor allem einen Überschuss an Apotheken verhindern. Die wirtschaftliche Grundlage aller bestehenden Betriebsstätten sollte gesichert sein und gleichzeitig vermieden werden, dass es zu einem Überangebot an Arzneimitteln und dem damit verbundenen Mehrkonsum in der Bevölkerung kam.

Das Bundesverfassungsgericht kippte 1958 das Konzessionssystem und ur­teilte, dass für Apotheker die Niederlassungsfreiheit gelten muss. Allein die Approbation und die Anforderungen an den Apothekenbetrieb müssten reichen, um die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Die Vergabe von Konzessionen als weitere Voraussetzung würde die Berufsfreiheit unverhältnismäßig einschränken und nicht zu einer besseren „Volksgesundheit“ führen.

Das „Apotheken-Urteil“ ging als viel­zitiertes Grundsatzurteil in die Rechtsgeschichte ein. Nicht, weil es beabsichtigte, das beste Versorgungssystem für Deutschland zu finden, sondern weil erstmals definiert wurde, inwiefern der Staat in die Berufsfreiheit seiner Bürger eingreifen darf.

Damals protestierte die Standesvertretung noch vehement gegen die Einführung der Niederlassungs­freiheit, mittlerweile gilt sie als anerkannt. Doch zunehmend wird sie auch wieder hinterfragt: Hat Deutschland zu viele Apotheken? Gibt es in manchen Regionen zu wenige? Wie viele Apotheken kann und will sich das System leisten? Auch Forderungen nach einer „Bedarfsanalyse“ oder einer „Kassenzulassung für Apotheker“ tauchen in dem Zusammenhang auf. Soll der Staat nach 60 Jahren tatsächlich wieder regulierend in das System eingreifen und für eine „gesunde“ Verteilung sorgen?

Begleiten Sie uns in dieser Ausgabe ab S. 42 auf eine Zeitreise in die „wilden“ 1950er-Jahre, in denen eine Apothekertochter aus dem Rheinland sich durch die fehlende Niederlassungsfreiheit enteignet fühlte und ein „sächsischer Querkopf“ in Oberbayern das bundesdeutsche Apothekenwesen nachhaltig umkrempeln ließ.

Außerdem zeigt der Blick über den Tellerrand, wie die Apothekenmärkte im europäischen Ausland organisiert sind und ob sich das „Apotheken-Urteil“ aus heutiger Sicht bewährt hat.

Armin Edalat

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